Big Data eröffnet Pharmabranche neue Wege
Knackpunkt Datenschutz
«Gegen die Auswertung von medizinischen Behandlungsdaten - auch in Big-Data-Dimensionen - ist nichts einzuwenden, wenn die rechtlichen Anforderungen beachtet werden», erklärt Thilo Weichert, früherer Datenschutzbeauftragte des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein. Wichtig sei aber, dass es entsprechend der ärztlichen Schweigepflicht ein Forschungsgeheimnis gebe. Es müsse sichergestellt werden, dass die Daten nicht bei einer Versicherung oder beim Arbeitgeber des Patienten landeten.
Kritiker sehen in dem Trend zur Analyse von Daten aus dem Patientenalltag, von Experten «Real World Data» genannt, eher Marktforschung der Pharma-Riesen - befeuert von Tech-Konzernen mit ihren umstrittenen Datenbergen aus Fitness-Armbändern, -Apps und den sozialen Medien. «Bei der Pharma-Forschung muss sauber zwischen kommerziell geleiteter und erkenntnisgeleiteter Forschung unterschieden werden», mahnt auch Datenschützer Weichert.
Doch auf kommerzieller Seite preschen einige längst vor: So bieten US-Firmen Gen-Analysen per Speichelprobe an und verkaufen die nach eigenen Angaben anonymisierten Daten weiter an die Pharma-Industrie. «Wir sollten unsere eigenen Datenstandards, ethischen und moralischen Ansprüche gesetzlich formulieren», fordert Thomas Solbach, Molekularmediziner und Experte für personalisierte Medizin bei Strategy&, der PwC-Strategieberatung für Konzerne. «Untätigkeit bedeutet, dass man hinnehmen muss, was andere Länder schon an Fakten geschaffen haben.» Zudem deuteten hauseigene Umfragen darauf hin, dass eine breite Mehrheit der Deutschen für eine bessere, personalisierte Vorsorge und Behandlung durchaus bereit sei, persönliche Daten zur Verfügung stellen. «Das ist ein Weckruf und Auftrag an alle Beteiligten.»
Auch der Medizininformatiker Martin Dugas fordert einen klaren Rechtsrahmen, um Vorteile von Big Data in der Pharma-Forschung nutzen zu können. «Generelles Datenschutz-Bashing ist vielleicht 'en vogue' zurzeit, aber das löst nicht das Problem», sagt der Professor der Uni Münster und warnt zugleich vor überzogenen Erwartungen an die Analyse grosser Datenmengen. Sie führe nicht automatisch zu besserer Forschung. Wichtig sei, dass die Daten vergleichbar, strukturiert und vollständig seien. Das sei bei Informationen aus dem Patientenalltag allerdings nicht unbedingt der Fall, erklärt der Mediziner. «Wenn im Arztbrief nichts über den Herzinfarkt in der Vorgeschichte steht, dann ist diese Information für die Forschung eben auch nicht verfügbar.»