Windows RT 20.08.2012, 14:10 Uhr

Das unterschätzte Windows 8

Windows 8 – besser gesagt Windows RT – ist Microsofts Antwort auf das iPad. Denn im neuen Betriebssystem verbirgt sich mehr als nur eine Tablet-Software.
Microsoft meint es ernst mit Windows 8. Das kommende Betriebssystem markiert den Wandel vom Arbeitsplatz-PC zum Computer, der immer und überall dabei ist. Diesen Trend hat Microsoft zwar nicht erfunden, folgt ihm aber nach einigem Zögern nun konsequent. Dafür werden sogar Unternehmensprinzipien über Bord geworfen: Mit dem im Juni von Steve Balmer höchstpersönlich vorgestellten Tablet «Surface» wagt der Software-Weltmarktführer den Einstieg in den Hardware-Markt. Diesen Schritt geht Microsoft nicht wegen der verlockend hohen Margen (die es eh nicht gibt), sondern vor allem, um sein neues Windows 8 zu stärken. Dabei läuft das Unternehmen natürlich Gefahr, bei der Hardware draufzahlen zu müssen. Analysten sind sich einig, dass Tablet-Käufer auch über den Preis gewonnen werden. Im Geschäftskundenumfeld haben allerdings andere Werte noch mehr Gewicht. Das sieht auch IDC-Analyst Francisco Jeronimo so: «Surface ist klar im professionellen Umfeld positioniert. Die physikalische Tastatur und der Fokus auf Office-Anwendungen signalisieren, dass Microsoft das Business-Segment im Blick hat.» Hier könne sich der Konzern von Apple differenzieren und dem iPad Marktanteile abnehmen, ist Jeronimo überzeugt.
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Office & DateiManager gegen Apple

Den Geschäftsschwerpunkt der Windows-Tablets unterstreicht Microsoft damit, dass auf Windows RT (der ARM-Variante von Windows 8) eine Office-Suite kostenlos vorinstalliert ist, mit erneuerten Varianten von Word, Excel, PowerPoint und OneNote. Die Programme sind für die Fingerbedienung optimiert, arbeiten energie- und ressourcensparend, besitzen aber gleichzeitig den Funktionsumfang eines kompletten Büropakets. Die Abwärtskompatibilität mit früheren Dokumentformaten soll gewährleistet sein, ebenso wie die Möglichkeit, Dateien im Open­Document-Format von zum Beispiel LibreOffice zu öffnen sowie zu speichern. Schon die aktuelle Office-Version besitzt diese Funktionen. Auf der nächsten Seite: Warum gibt Microsoft das alles gratis? Warum schmückt Microsoft das kommende Windows 8 derart aus – und verzichtet freiwillig auf Einkünfte aus kostspieligen Office-Lizenzen? Redmond will im Tablet-Markt Fuss fassen, offenbar mit allen Mitteln. Die kostenlosen Büroanwendungen sind da ein probates Mittel, insbesondere wenn der Software-Gigant Geschäftskunden eine Alternative zum iPad offerieren will. Denn diese Klientel ist hauptsächlich Nutzer, nicht IT-Profi: PCs, Smart­phones und Tablets sind Hilfsmittel, um den eigentlichen Job besser, effizienter und schneller erledigen zu können. Bei dieser Zielgruppe kam Apple mit seiner intuitiven Gerätesteuerung besonders gut an. Gewohnte Werkzeuge wie die Dateiablage oder das Sortieren von Dokumenten in Ordnerstrukturen bietet das iPad seinen Benutzern allerdings nicht. Dem marktführenden Tablet fehlt das Dateisystem. Für den Dokumentenaustausch sind Apps zuständig, die auch den Transfer erledigen müssen. Für den Geschäftsnutzer bedeutet das eine Umgewöhnung. Mit den Metro-Apps geht zwar auch Microsoft in diese Richtung, überlässt den Apps aber nicht vollkommen die Kontrolle über Dateien. Windows RT und Windows 8 besitzen einen herkömmlichen, für die Fingerbedienung angepassten Explorer für das Filemanagement. Eine Alternative für die Dokumentenverwaltung kann auch der Organizer OneNote sein. Dieses Office-Programm kann der Benutzer ebenfalls für die Dateiorganisation und -ablage verwenden. In Zeiten, da es nicht an einem Dateimanager mangelt, musste OneNote diese Stärke noch nicht ausspielen. Wenn Arbeit aber künftig innerhalb von Apps erledigt wird, kann dem Office-Tool eine zentrale Rolle zukommen.

Der Kompatibilitätsfaktor

Unternehmen setzen häufig aus Kompatibilitäts- und Gewohnheitsgründen auf Windows. Die firmeneigenen Anwendungen laufen unter dem marktführenden Betriebssystem oder sind sogar exklusiv dafür entwickelt worden. Daneben kennen die Angestellten die Software aus der Vergangenheit und dem privaten Einsatz, benötigen keine zeitraubenden sowie kosten­intensiven Schulungen. Während ersteres Argument laut den Analysten von Gartner auch in absehbarer Zeit noch gelten wird, kennen Mitarbeiter hierzulande heute häufig durchaus alternative Bedienkonzepte für Computer oder Tablets – gilt doch die Schweiz als das Land mit der höchsten Verbreitung von Apple-Produkten. Die Abwärtskompatibilität mit heutiger Software gilt gemäss Microsoft-Chefentwickler Steven Sinofsky allerdings nur für Intel-x86/x64-Rechner mit Windows 8. Bei der ARM-Version Windows RT müssen Anwender den Umweg über den App Store gehen. Auf der nächsten Seite: Apps zentral ausrollen.

Apps zentral ausrollen

Dieses Manko haftet auch den konkurrierenden Plattformen an: Apps lassen sich nur durch die Hintertür (durch zum Beispiel Verschenken und den Eingriff des Benutzers) zentral ausrollen. Das Management einer grossen Zahl von Geräten und das Durchsetzen von Unternehmensstandards wird damit erschwert. Während etwa Apple – aus Sicherheitsgründen – keine Ausnahme macht, fährt Microsoft zweigleisig: Privatkunden müssen – ebenfalls aus Sicherheits-gründen – über den App Store gehen, wenn sie Software auf einem Windows-RT-Tablet installieren wollen. Dagegen bekommen in Unternehmen die Administratoren das Recht, firmeneigene Apps oder spezifischen Programmcode direkt auf die Windows-Geräte spielen zu können. So gelangen dann auch Business-Applikationen auf Windows-Tablets. Ein «Self Service Portal» erlaubt es Benutzern sogar, selbst die Geschäftsprogramme auf ihren Rechnern einzurichten. Dabei hat Microsoft auch «Bring Your Own Device»-Szenarien im Hinterkopf, in denen ein privates End­gerät zum Arbeiten mit in die Firma gebracht wird. Der Angestellte wird seinen persönlichen Computer kaum mit Business-Software vollstopfen wollen. Also hat er im firmeneigenen Portal die Wahl, welche Anwendungen er für seinen täglichen Job benötigt und welche nicht. Windows hat gegenüber den Konkurrenzplattformen seit jeher den Vorteil, dass sich die Rechner einheitlich verwalten lassen. Das wird sich laut Microsoft auch in der neuen Version nicht ändern. Mit Windows RT kommt indes eine Geräteklasse hinzu, die eine spezielle Pflege braucht. Dem Aufspielen von unternehmensweit einheitlichen Benutzerprofilen steht beispielsweise im Weg, dass eine Active-Directory-Einbindung nicht vorgesehen ist. Allerdings lassen sich über ActiveSync administrative Funktionen wie Passwortricht­linien, Remote Wipe und Verschlüsselung durchsetzen.

Gerätemanagement via UMTS

Alle Anwendungen setzen eine Netzwerkverbindung voraus – die allerdings im Unternehmen sowieso gegeben ist. Ist ein Angestellter unterwegs, kann er sich laut Microsoft auf den neu entwickelten Netzwerk-Stack verlassen. «Wir wussten, dass WiFi alleine noch keine echte Mobilität bringen würde. Deshalb wurde für Windows 8 mobiles Breitband mit WiFi gleichgestellt», sagt Microsofts Group Program Manager Billy Anders. Windows 8 bringt einen universellen Mobilfunktreiber mit, der eine Vielzahl von Netzwerkgeräten sowie Modems unterstützt und über Windows Update automatisch aktualisiert wird. Auf der nächsten Seite: Eine neue Betriebsystemära.

Neue Betriebssystemära

Die radikalen Änderungen an der Benutzeroberfläche und am Bedienkonzept lassen das Update auf Windows 8 zur Herausforderung werden – sowohl privat als auch im Unternehmen. Im Business rechnet Microsoft optimistisch mit Mischumgebungen aus Windows 7 und Windows 8, je nach Bedarf der Fachbereiche und Anwendergruppen. Zum Beispiel können die Angestellten in der Personalabteilung das SAP-HR-System weiterhin an herkömmlichen Desktops mit Windows 7 bedienen, die Verkäufer aber durchaus mit Windows-8-Tablets zur Kundenpräsentation fahren. An den Kosten für das Upgrade soll der Erfolg von Windows 8 nicht scheitern. War Windows 7 noch in einer begrenzten Stückzahl zum reduzierten Einführungspreis verfügbar, soll Windows 8 für gerade einmal 15 US-Dollar (beim Kauf eines neuen PCs) oder 40 US-Dollar (als Download) zu haben sein. Die Upgradepreise lassen Geschäftskunden natürlich kalt, haben sie doch in Volumenlizenzprogrammen oder Pilotinstallationen teils kostenfreies Recht auf den Wechsel zu Windows 8. Aber auch die tiefen Kosten dokumentieren Microsofts un­bedingten Willen, den Markt für Computer­betriebssysteme nicht kampflos anderen zu überlassen. Gartner sieht Microsoft mit Windows 8 und Windows RT in die richtige Richtung gehen. Das kommende Betriebssystem sei nicht weniger als der Beginn einer neuen Computing-Ära. Wie Windows NT im Jahr 1993 DOS abgelöst habe, löse Windows RT nun Windows NT ab. Wie damals rechnet Gartners Vizepräsident Michael Silver mit einem Zeitraum von zehn Jahren (bis zu Windows XP), um den technologischen Wechsel zu vollziehen. Windows RT und die Umstellung auf das Apps-Konzept seien aber so zukunftsfähig, dass Microsoft auch in einem von Mobilgeräten dominierten Markt ein relevanter Player bleiben wird, schreibt der Analyst.


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