21.12.2009, 10:07 Uhr

Der virtuelle Desktop wird real

Nach dem Rechenzentrum erobert die Virtualisierung nun den Desktop. Neue Techniken überwinden die Grenzen, die der Desktop-Virtualisierung bisher gesetzt waren.
Bak-Heang Ung ist Product Managerin bei Digicomp und Organisatorin des jährlichen CitrixDay
Der Unternehmensarbeitsplatz verändert sich: Statt an stationären Desktop-PCs arbeiten Menschen mobil am Notebook und remote übers Internet. Das stellt die Unternehmens-IT vor die schwierige Aufgabe, mit möglichst wenig Aufwand zentral verwaltete Desktop-Umgebungen zu betreuen und den Mitarbeitern gleichzeitig die erwünschte Flexibilität zu bieten. Bisher glich diese Aufgabe der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises: Lokal installierte Betriebssysteme und Anwendungen entziehen sich der Kontrolle, sobald sie das Unternehmensnetzwerk verlassen. Terminal-Dienste, die zentrales Arbeiten über eine Internetverbindung erlauben, können aber mit den heutigen Ansprüchen an Multimedia und Kommunikationsformen wie IP-Telefonie nicht mithalten.

Der Desktop kommt mit

Mit den neusten Desktop-Virtualisierungstechniken gehören diese Probleme der Vergangenheit an. Die Lösungen von Microsoft und Citrix unterstützen beispielsweise die Wiedergabe von Filmen, Flash-Animationen und Musik ebenso wie VoIP, das möglichst kurze Latenzzeiten erfordert. Damit erweitert sich der Nutzerkreis auf Anwender, die auf hohe Leistung, Mobilität oder beides angewiesen sind. Sie können mit den neusten Techniken so arbeiten, wie sie es von lokal installierten Umgebungen gewohnt sind. Dadurch steigt die Akzeptanz für die Virtualisierung des Desktops - eine wichtige Voraussetzung, um diesem Ansatz zum Durchbruch zu verhelfen.

Drei unterschiedliche Verfahren

Für Verwirrung sorgt aber, dass sich unter dem Hut der Desktop-Virtualisierung gleich drei verschiedene Verfahren verbergen:
Virtual Desktop Infrastructure: VDI bezeichnet den klassischen Terminal-Server-Ansatz. Hier greift der Benutzer mittels einer Client-Software auf seine Umgebung oder eine einzelne Anwendung zu, die auf einem Server oder Blade-System im Rechenzentrum laufen. Dabei werden nur die Bildschirm-inhalte übermittelt, eine permanente Netzwerkverbindung ist also Voraussetzung. Zum Einsatz kommen entweder Citrix XenApp respektive neu XenDesktop oder die Terminal Services von Microsoft, die mit Windows Server 2008 R2 in Remote Desktop Services umbenannt wurden. Version 7 des RDP (Remote Desktop Protocol) ermöglicht dabei das Streaming von Multimedia-Inhalten und die Nutzung von VoIP - genauso wie das HDX-Protokoll von Citrix in XenDesktop.
Lokal betriebene virtuelle Umgebung: Hier läuft auf dem lokal fest installierten Betriebssystem eine Virtualisierungs-Software wie Virtual PC oder XenDesktop. Diesen Ansatz verwendet Microsoft auch mit dem virtuellen XP-Modus unter Windows 7. Das bedeutet, dass der Unternehmens-Desktop lokal ausgeführt wird und somit auch ohne Verbindung zum zentralen Server genutzt werden kann. Ein Offline-Betrieb ist damit möglich. Der grösste Nachteil liegt jedoch darin, dass neben dem Unternehmens-Desktop auch das lokale Betriebssystem unterhalten werden muss - sofern diese Aufgabe nicht an den Anwender delegiert wurde.
Hypervisor: Noch einen Schritt weiter geht die Desktop-Virtualisierung mittels lokalem Hypervisor. Dieses Verfahren entspricht im Grundsatz der Server-Virtualisierung: Auf der eigentlichen Hardware läuft nur ein schlanker Hypervisor, der für den Betrieb virtueller Betriebssysteme sorgt. Der private und der Unternehmens-Desktop laufen parallel, ohne einander in die Quere zu kommen. Mittels spezieller Treiber können die virtualisierten Betriebssysteme zudem die Leistung lokaler Hardware wie etwa der Grafikkarte nutzen. Für den Anwender unterscheidet sich die Bedienung seines Rechners kaum mehr von derjenigen eines lokal installierten Betriebssystems.
Bereits heute zeichnet sich ab, dass die Grenzen zwischen diesen drei Ansätzen zusehends verwischen. So kann ein Benutzer etwa im Büro via VDI an seinem zentral betriebenen Desktop arbeiten. Bevor er sein Notebook abhängt, erhält er automatisch eine lokale Kopie, die er dann unterwegs per Virtualisierungs-Software oder lokalem Hypervisor nutzen kann. Ein vergleichbares Verfahren gilt für Unternehmens-anwendungen mittels Anwendungsvirtualisierung über Microsofts App-V oder XenApp respektive dessen ausgebauter Nachfolger XenDesktop. Damit können Applikationen entweder von einem Server auf den Desktop «gestreamt» und lokal ausgeführt werden. Oder sie werden auf dem Arbeitsplatz-Rechner zwischengespeichert und ohne Server-Verbindung genutzt. Anwendungsvirtualisierung erspart die lokale Installation und umgeht damit auch Kompatibilitätsprobleme mit neuen Betriebssystemversionen. Im Zusammenspiel mit Desktop-Virtualisierung verringert dieses Verfahren den Aufwand für den Unterhalt der Arbeitsplatz-Systeme.

Migration im Parallelbetrieb

Desktop-Virtualisierung ist jedoch nicht nur ein Schritt zur Optimierung der Infrastruktur. Dieses Verfahren erlaubt auch eine schrittweise Migration auf neue Versionen, wie aktuell etwa den Umstieg auf Windows 7. Anstelle in einem «Big Bang» sämtliche Systeme umzustellen (was wohl ohnehin die Ressourcen der IT-Abteilung sprengen würde), werden in einer Übergangsphase das alte und das neue System in getrennten Umgebungen parallel betrieben.
So können Anwender erstmals Windows-7-Luft schnuppern und die produktive Arbeit weiterhin auf der gewohnten Plattform weiterführen. Eine solche sanfte Migration erhöht die Akzeptanz für Neuerungen, weil Probleme und Fragen bereits während der Testphase behandelt werden können. Desktop-Virtualisierung ist also nicht nur ein Weg, um den Betrieb der IT-Infrastruktur zu optimieren, sondern auch ein Ansatz zu mehr Benutzerfreundlichkeit.
Ung Bak-Heang



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