Wie ein Massanzug
20.06.2023, 16:20 Uhr
Test: Apple Mac Studio 2023
Mit der zweiten Generation legt Apple noch einmal eine Schippe drauf und richtet sich an Profis, die sich ihren High-End-Rechner auf den Leib schneidern wollen.
An seiner Leistung gemessen, ist der Mac Studio geradezu ein Winzling
(Quelle: Apple Inc.)
Der Mac Studio ist ein Arbeitsgerät für Profis, das liegt auf der Hand. Allerdings wurde die Messlatte für das Prädikat «Profi» deutlich nach oben verschoben, seit Apple die eigenen M-Chips verbaut: Anwendungen, die früher nach einem wahrhaft aufgemotzten Profi-Rechner verlangten, werden heute auch von einem preiswerten Mac mini oder sogar einem MacBook Air gestemmt. Dank der Hardware-Unterstützung gilt das erst recht für die Videoverarbeitung: Sie galt neben 3D-Anwendungen lange Zeit als Gradmesser dafür, was ein Rechner zu leisten vermag.
Kurzum: Heute braucht es ein anderes Anforderungsprofil, um die Anschaffung eines High-End-Macs ins Auge zu fassen, als noch vor drei Jahren in der Intel-Ära.
Ich mach’ mir die Welt …
Zu den wichtigsten Eigenschaften des Mac Studio gehört seine enorme Skalierbarkeit. Die günstigste Variante mit dem M2 «Max», 32 GB RAM und 512 GB SSD kostet 2099 Franken, die teuerste ist für 9479 Franken zu haben. Doch dann wird auch geklotzt: mit dem M2 «Ultra», 192 GB RAM und einer 8 TB grossen SSD. Dazwischen ist jede Spielart denkbar, etwa eine Konfiguration mit M2 «Max», 64 GB RAM und 2 TB SSD für 3199 Franken.
Allerdings gilt wie bei allen anderen Macs die Devise: Einmal konfiguriert, ist später keine Aufrüstung mehr möglich. Es kann also sinnvoll sein, sich die Konfiguration ein wenig grösser zu bestellen, als es aktuell nötig ist. Dazu später mehr.
Wie ein Muskel aus Aluminium
Bekannt ist auch die imposante Erscheinung. Der Mac Studio bietet exakt dieselbe Grundfläche wie der Mac mini, also gerade einmal 19,7 × 19,7 Zentimeter. Mit 9,5 Zentimeter ist er jedoch deutlich höher. Der Mac Studio wirkt gleichermassen elegant wie martialisch und benötigt auf dem Schreibtisch trotzdem sehr wenig Platz.
Wuchtig – und doch elegant
Quelle: PCtipp.ch
Und auf den Schreibtisch gehört er auch, denn an der Front befindet sich der SD-Kartenleser, der für Fotografen wohl wichtigste Anschluss. Flankiert wird er von zwei USB-C-Anschlüssen. Auf der Rückseite warten alle Ports, die heute auf dem Stand der Technik sind, bis hin zu Thunderbolt 4 und 10-Gbit-Ethernet.
Die Anschlüsse sind vom Feinsten
Quelle: Apple Inc.
M2 «Max» vs. M2 «Ultra»
Obwohl die Anschlüsse äusserlich identisch sind, gibt es doch gravierende Unterschiede – je nachdem, ob man sich beim SoC für den kleineren M2 «Max» oder den M2 «Ultra» entscheidet. Denn beim Ultra handelt es sich um zwei Max-SoCs, die durch Apples UltraFusion-Schnittstelle verbunden sind – und damit wird die Leistung auf den ersten Blick durchwegs verdoppelt: Statt 67 Milliarden Transistoren sind 134 Milliarden verbaut, statt einer 12-Kern-CPU sind es 24 Kerne und so weiter.
Doch beim Ultra werden noch andere Grenzen verschoben. So lässt sich Max mit bis zu 96 GB RAM bestellen, während Ultra mit bis zu 192 GB zu haben ist. Max ist auf der Vorderseite «nur» mit zwei USB-C-Anschlüssen bestückt, während Ultra hinter denselben Buchsen zwei Thunderbolt-4-Ports beherbergt – denn sechs Thunderbolt-4-Ports sind von einem einzelnen Max nicht zu stemmen.
Bei der Anzahl möglicher Bildschirme nehmen die technischen Daten fast schon groteske Züge an. Max unterstützt vier Displays in 6K-Auflösung über Thunderbolt sowie ein weiteres über HDMI: wahlweise mit 8K bei 60 Hz oder mit 4K bei bis zu 240 Hz. Ultra füttert hingegen bis zu acht (!) 4K-Displays, sechs 6K-Displays oder drei 8K-Displays – stets mit jeweils 60 Hz. Das ergibt mehr als 100 Millionen Pixel, die gleichzeitig angesprochen werden.
Manchmal braucht es etwas Visualisierung, um die Tragweite abzuschätzen: Der Mac Studio rechts unten bespielt bis zu sechs Displays mit 6K-Auflösung
Quelle: Apple Inc.
Dabei stellt sich die Frage, wie ein Rechner mit sieben Anschlüssen acht Displays ansteuern kann. Auf Nachfrage antwortete Apple, dass das achte Display über Daisy-Chain verbunden wird: also nicht direkt mit dem Mac, sondern mit einem bereits angeschlossenen Bildschirm, das den Spezifikationen gerecht wird.
Und schlussendlich spielt Max bis zu 10 Video-Streams in 8K und im ProRes-Format ab, während der Ultra bis zu 22 Video-Streams gleichzeitig wiedergibt. Schwindelerregend.
Kurzum: Der M2 Ultra ist nicht einfach nur schneller als der M2 Max, sondern legt die Grenzen der restlichen Hardware fest. Das hat allerdings seinen Preis: Im Konfigurator von Apple führt das Upgrade vom Max zum Ultra je nach der Anzahl der GPU-Kerne zu einem Aufschlag von 1440 Franken oder 2540 Franken. Das Upgrade auf den grösseren Ultra kostet also 500 Franken mehr als der komplette Mac Studio in seiner günstigsten Ausführung.
Vom Speicher und fehlenden Nachrüstungen
Für alle, die zum ersten Mal einem Mac mit M1 oder M2 gegenüberstehen, muss ein wenig ausgeholt werden, um die Architektur zu würdigen. Dann wird auch klar, warum sich der Mac Studio nachträglich nicht mehr aufrüsten lässt – was übrigens auch für alle anderen Macs gilt.
Bei den M-Chips spricht man nicht mehr von der CPU, also dem Hauptprozessor. Stattdessen handelt es sich um ein SoC, ein «System on Chip». Alles, was den Rechner definiert, befindet sich auf einem einzigen Baustein: die CPU, die Grafikeinheit, die SSD und alles andere. Hier wird nichts gesteckt – und deshalb ist auch nichts austauschbar.
Alle Bestandteile auf dem SoC teilen sich ausserdem einen superschnellen Speicherpool, das «Unified Memory», das von Apple mit «gemeinsamer Arbeitsspeicher» übersetzt wird. Dabei darf der Aufbau nicht mit dem kompromissbehafteten «Shared Memory» verwechselt werden, bei dem sich in den meisten Fällen eine bescheidene Grafikkarte den RAM mit der CPU teilt.
Denn was es beim M1 und M2 nicht mehr gibt, sind überholte Bus-Architekturen oder Controller. Stattdessen greift jeder Rechenkern direkt auf diesen Speicherpool zu. Die Daten stehen auch jedem anderen Baustein zur Verfügung, der sie benötigt: Das kann etwa die Grafikeinheit oder die Neural Engine sein. Dabei sind die Antwortzeiten extrem kurz, weil keine Daten von hüben nach drüben kopiert werden müssen.
Auch die SSD ist ein unabänderlicher Bestandteil des SoC. Sie schreibt rund 7 GB pro Sekunde und liest rund 5,8 GB pro Sekunde. Das sind 800 MB pro mehr beim Schreiben und 500 MB mehr bei Lesen, als noch der Vorgänger bieten konnte.
Nichts zu hören
Das SoC bietet durch seine verdichtete Bauweise noch andere Vorzüge: in einem MacBook Air nimmt das SoC kaum Platz ein, während der restliche Raum fast vollständig von der Batterie gefüllt wird – was sich wiederum in einer deutlich längeren Laufzeit niederschlägt. Im Mac Studio wird hingegen ein Grossteil des Volumens vom Lüfter eingenommen, der die warme Luft nach aussen schaufelt.
Durch diese grosszügige Dimensionierung ist der Mac Studio im normalen Betrieb unhörbar. Andere Tester bestätigen, dass er auch unter Volllast nur ein sanftes Rauschen von sich gibt. Allerdings habe ich es in diesem Test mit meinen Mitteln nicht geschafft, den Rechner so weit zu fordern, dass die Lüfter zu ihrer Höchstform auflaufen müssen.
Kaufberatung und Fazit
Ich kann mich nicht daran erinnern, wann Apple zum letzten Mal ein so stimmiges Produkte-Portfolio bei den Desktop-Rechnern angeboten hat. Denn mit den M-SoCs ist die Mittelklasse verschwunden – zumindest, wenn man sie am Rest der Industrie misst. Hier werden nur noch «schnelle» und «wahnsinnig-schnelle» Geräte angeboten.
Unter dem Mac Studio wartet der kleine Mac mini, der in den wenigsten Werbeagenturen noch eine Herausforderung findet. Am anderen Ende bietet Apple seit neustem den Mac Pro mit M2 Ultra an – und dessen grösstes Problem ist der Mac Studio: Denn jene Anwender, denen ein Mac Studio nicht reicht, dürften nur noch eine Nische sein, und eine winzige noch dazu. Der Mac Studio zieht hingegen alle Register und bietet für fast jeden Einsatzzweck die richtige Konfiguration.
Der Mac Pro mit seinen PCIe-Steckplätzen richtet sich an Profis, die spezielle Hardware anschliessen
Quelle: Apple Inc.
Bei der Wahl des besten Gerätes zählt primär die Unterscheidung zwischen dem M2 «Max» und dem M2 «Ultra», die sich empfindlich auf den Geldbeutel auswirkt. Doch nur die wenigsten werden ein Gerät mit 192 GB RAM benötigen – oder der Möglichkeit, bis zu 8 Bildschirme anzuschliessen.
Empfehlung
Wenn Sie eine potente Maschine benötigen, die nicht für Rechenexzesse aus Hollywood gedacht ist, sollten Sie in einem ersten Anlauf eine Konfiguration ins Auge fassen, die mit dem M2 «Max» mit 38‑Core-GPU, 32 GB RAM und 2 TB SSD bestückt ist. Sie kostet überschaubare 2979 Franken und bietet eine hervorragende Abstimmung in alle Richtungen. Mit diesem Gerät werden auch anspruchsvolle Arbeiten auf Jahre hinaus bewältigt. Ausserdem sollte bedacht werden, dass sich 32 GB «gemeinsamer Arbeitsspeicher» in der Praxis als deutlich effizienter erwiesen haben als klassischer RAM. Mit dieser Basis ist es ein Leichtes, die individuellen Abstimmungen vorzunehmen.
Fazit
Der Mac Studio wirkt wie das technische Epizentrum unter Apples Desktop-Rechnern. Er beginnt preislich dort, wo selbst die Mac-mini-Zielgruppe seinem Reiz erliegen könnte. Sind wir nicht alle für ein wenig mehr Luxus empfänglich? Das Ende der Fahnenstange befindet sich hingegen in Sphären, die nur noch von wenigen Anwendungen erreicht werden können. Kurzum: Solange Vernunft und Disziplin bei der Konfiguration obsiegen, können Sie hier nichts falsch machen.
Testergebnis
Anschlüsse, Leistung, Design, Skalierbarkeit, leise bis unhörbar
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Details: M2 «Ultra» mit 24-Core CPU, 76-Core GPU und 32-Core Neural Engine, 128 GB RAM, 4 TB SSD, 6×Thunderbolt 4 / USB 4, HDMI, SD-Card-Slot, Audio-Out, 10-Gbit-Ethernet, Wi-Fi 6 (AX), macOS 13 Ventura
Preis: Testkonfiguration: 7279 Franken; andere Konfigurationen ab 2099 Franken
Infos:apple.com/chde