Künstliche Intelligenz
25.01.2024, 09:32 Uhr
GenAI: eine Technologie wird zum Hype
Zu Generativer Künstliche Intelligenz gehören grosse Sprachmodelle wie ChatGPT, Bard und andere, die in 2023 zu den meistdiskutierten Technologien gezählt werden.
Trotz aller Begeisterung für GenAI braucht es eine klare Strategie und eine kritische Grundhaltung.
(Quelle: Adobe Stock/Gunay Rahimova)
Grosse Sprachmodelle (Large Language Models - LLMs), wie das von OpenAI entwickelte ChatGPT, Google’s Bard und andere basieren auf einer wissenschaftlichen Entwicklung, die als Transformator-Modell bekannt ist und von Google-Forschern im Jahr 2017 entwickelt wurde. Sie sind mittlerweile in aller Munde und haben vor allem mit der Lancierung des ersten Prototyps von ChatGPT im November 2022 eine Art «Hype» für KI-Tools ausgelöst.
ChatGPT ist selbst ein Chatbot, der es Nutzern ermöglicht, sich mit einem computerbasierten Agenten zu unterhalten, der übersetzen, Texte verfassen oder bei Bedarf auch Programmiercode auf einem Niveau erstellen kann, das die menschlichen Fähigkeiten nachahmt. GPT-4 ist das neueste und leistungsfähigste Sprachmodell, das mittlerweile bei mehreren akademischen und beruflichen Abschlussprüfungen, wie dem US-Rechtsanwaltsexamen oder der MBA-Prüfung der renommierten Wharton Business School an der University of Pennsylvania, Leistungen auf menschlichem Niveau gezeigt hat.
Angesichts der Fähigkeiten dieser Technologie mehren sich jedoch auch die Befürchtungen, dass LLMs unsere Arbeitswelt in vielen Bereichen in Zukunft nachhaltig beeinflussen werden. So könnten nach einer Schätzung von Goldman Sachs dadurch 300 Millionen Vollzeitbeschäftigte in grossen Volkswirtschaften der Automatisierung zum Opfer fallen.
Qualität der Prompts ist entscheidend
Doch nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Alltagsleben haben LLMs inzwischen eine wachsende Verbreitung, wobei es vor allem die einfache Mensch-Maschine-Schnittstelle ist, die zum Erfolg beiträgt: wenn Sie beispielsweise ChatGPT eine konkrete Aufforderung geben, kann es Antworten generieren, eine Konversation fortsetzen oder die gegebene Aufforderung erweitern. Ein zentraler Erfolgsfaktor hierfür ist die Qualität der Eingabeaufforderung, auch «Prompt» genannt, die von den Anwendern verwendet werden, um die Konversation mit dem Modell zu starten und zielgerichtet zu führen. So können gut definierte Prompts dazu beitragen, dass die Konversation auf dem richtigen Weg bleibt und die Themen abdeckt, die den Benutzer interessieren. Umgekehrt können schlecht definierte Prompts dazu führen, dass die Konversation zusammenhanglos oder wenig fokussiert ist.
Neben der Verarbeitung natürlicher Sprache verfügt ChatGPT über eine Reihe weiterer Funktionen und Möglichkeiten, wie:
- Customization: ChatGPT kann an die Bedürfnisse und Präferenzen seiner Benutzer angepasst werden, was sowohl die Anpassung des Tons und des Stils der Antworten betrifft als auch die Art der Informationen und Themen, die im Mittelpunkt stehen.
- Personalisierung: ChatGPT kann Algorithmen des maschinellen Lernens verwenden, um seine Antworten auf Basis früherer Interaktionen und Präferenzen des Benutzers zu personalisieren.
- Mehrsprachigkeit: ChatGPT ist in der Lage, Eingaben in mehreren Sprachen zu verstehen und zu kommunizieren, was es einem internationalen Nutzerkreis erschliesst und zugleich zu einer niedrigen Eintrittsschwelle für alle Arten von Anwendern führt.
- Skalierbarkeit: ChatGPT ist in der Lage, grosse Mengen an Daten auszuwerten und kann darüber hinaus dazu verwendet werden, um Unterhaltungen mit mehreren Nutzern gleichzeitig zu führen, weshalb es sich auch für Einsätze in der Online-Kommunikation, z.B. mit Kunden, eignet.
Das Lernen und Lehren verändert sich
Angesichts der beachtlichen Möglichkeiten Generativer KI fragen sich auch viele Bildungseinrichtungen, wie sich die KI-Sprachmodelle auf das Lernen und Lehren auswirken und, wie sie sich angesichts eines wachsenden Einflusses dieser Technologie zukünftig ausrichten sollen. In einem Bericht der OECD aus dem 2. Quartal 2023 heisst es dazu, es sei jetzt noch dringender, zu überprüfen, was und vor allem wie gelehrt wird. Dies soll sich jedoch an daran ausrichten, was Schüler und Studierende im Zeitalter von Generativer Künstlicher Intelligenz können müssen. Gemäss der OECD sind dies:
- Digitale Kompetenz und KI-Beherrschung: Lernende sollen ein umfassendes Verständnis für digitale Werkzeuge im Allgemeinen und für künstliche Intelligenz im Besonderen entwickeln, um diese effektiv nutzen zu können, weil davon auszugehen ist, dass sie in Zukunft immer enger mit KI-Systemen zusammenarbeiten werden.
- Beherrschung des Lernens: Hier steht im Mittelpunkt, wie gelernt wird und wie Lernen verstanden wird.
- Beherrschung des Wissens und Selbstregulierung: Die bedeutet, dass Lernende in der Lage sein sollen, ihre Fähigkeiten, Emotionen und ihr persönliches Umfeld richtig einzuschätzen.
Allerdings liess bereits die PISA-Studie von 2018 erkennen, dass Lernende heute zunehmend dadurch gefordert sind, wie man verzerrte Informationen erkennt und, wie Fakten und Meinungen richtig unterschieden werden. Technologie und KI sind und haben keine Zauberkräfte, doch können sie das Lernen und Lehren verstärken oder beschleunigen. Dennoch gehören Bedenken über den Missbrauch von LLMs und eine damit verbundene Verletzung der Integrität zu den am meisten diskutierten Themen in Bildungseinrichtungen.
Umgang mit KI-Anwendungen hinterfragen
Schliesslich besteht kein Zweifel, dass LLMs die Fähigkeit haben, Plagiate und Schummeln bei Aufgaben und Prüfungen zu ermöglichen, da Lernende nun in der Lage sind, Texte zu erstellen, die scheinbar Original zu sein scheinen, tatsächlich aber aus Online-Quellen kopiert sind. Trotz bereits existierender Tools zur Plagiatserkennung wurden rasch weitere Tools zur Erkennung von durch KI-generierte Texte entwickelt, die jedoch oft noch grosse Schwächen zeigen. Auch für Lehrkräfte gibt es mittlerweile Hilfestellung dazu, wie diese mit den Lernenden Normen für die Kennzeichnung von Texten vereinbaren oder wie sie Aufgaben stellen können, die nicht allein von LLMs erledigt werden können. Allerdings empfehlen heutige Bildungsexperten, dass es im Hinblick auf den möglichen Einsatz von grossen Sprachmodellen wie ChatGPT eine klare Strategie innerhalb der Bildungseinrichtung sowie einen klaren pädagogischen Ansatz mit Schwerpunkt auf kritischem Denken und Massnahmen zur Faktenüberprüfung braucht, damit diese Technologie in vorhandene Lernumgebungen und Lehrpläne erfolgreich integriert werden kann.
Darüber hinaus sollten Lernende auch mit den kritischen Aspekten und Risiken von KI-Anwendungen vertraut gemacht werden. Dazu gehört die Einsicht, dass LLMs bestehende Vorurteile und Ungerechtigkeiten verstärken können, wenn sie beispielsweise mit Daten trainiert werden, die für bestimmte Gruppen von Personen voreingenommen, verzerrt bzw. unfair sind. Die Ergebnisse der Anwendung eines solchen Models könnten dann leicht zur Diskriminierung einzelner Gruppen bzw. Minderheiten führen, was wiederum Lehr- und Lernprozesse negativ beeinflusst. Vor diesem Hintergrund sollte – bei aller Begeisterung für die Technologie der Generativen KI – sichergestellt werden, dass die Integration von LLMs unabhängig von der jeweiligen Anwendungsdomäne die Anforderungen an Datenschutz, Sicherheit, Regulierung und ethisches Handeln erfüllt. Dies wird jedoch kaum ohne begleitende (menschliche) Überwachung und eine kritische, hinterfragende Grundhaltung realisiert werden können.
Der Autor und Impressum
Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch lehrt an der Ostschweizer Hochschule in St. Gallen sowie an der ExpertSuisse in den Ausbildungen zum Dipl. Steuerexperten und Dipl. Wirtschaftsprüfer. Daneben ist er Speaker und Autor sowie Gastprofessor am MCI Management Center Innsbruck. www.ost.ch
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