Computersimulationen
26.07.2022, 10:47 Uhr
Physik von Schneebrett-Lawinen ähnelt Erdbeben
Forschern der ETH Lausanne und des Lawinenforschungsinstituts SLF ist mit neuartigen Computersimulationen ein Durchbruch beim Verständnis der Entstehung von Schneebrett-Lawinen gelungen. Demnach ähnelt deren Physik jener von Erdbeben.
Vereinfacht gesagt fanden die Lawinenforscher heraus, dass schon ab einer Anrissgrösse von wenigen Metern die Lawine allein durch das Gewicht des Schneebrettes entsteht.
«Wenn die Ausbreitungsdistanz eine bestimmte Länge von rund 3 bis 5 Metern überschreitet, wird die Zugkraft des Schneebretts zum einzigen Antrieb des Vorgangs», schrieben die École polytechnique fédérale de Lausanne EPFL und das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in einer Mitteilung. Die erwähnte Zugkraft entsteht dabei durch die Masse des Schneebretts und die Schwerkraft.
Der Vorgang führt zu einem Bruch der unter dem Schneebrett liegenden Schwachschicht durch Scherung. Der Vorgang ähnelt dem Bruch, der bei seltenen Erdbeben grosser Magnitude zu beobachten ist, dem sogenannten Supershear-Ausbreitungsmodus.
Revolution in Nischenbereich
Die Ergebnisse wurden gerade erst von der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht. Die Entdeckung möge als «kleine Revolution in einem Nischenbereich» erscheinen, schrieben die Lawinenforscher. Sie offenbare jedoch den Beitrag, «den die gewaltigen, heute verfügbaren Rechenkapazitäten zur besseren Beobachtung komplexer physikalischer Phänomene leisten können.»
Eine Schneebrettlawine kann entstehen, wenn eine dichte Schneeschicht auf einer stark ungebundenen Schwachschicht liegt. Entsteht eine Lawine, etwa durch einen Skifahrer, bricht die Schwachschicht ein und das Schneebrett verliert seinen Halt.
Bisher gingen die Lawinenforscher davon aus, dass die Biegung des Schneebretts eine der treibenden Kräfte für die Ausbreitung des Bruchs ist. Dieser Erkenntnisstand beruhte auf Experimenten und numerischen Simulationen mit Schneebrettlängen von weniger als zwei Metern.