Gehobener Datenschatz vom Matterhorn
Resonanzen der Felsen messen
«Vor allem die Seismik hat es uns in den letzten drei Jahren der Messkampagne erlaubt, das zu messen, was wir von Anfang an wollten: Steinschlag und Felsstürze. Wir konnten damit in den Signalen vom Berg Muster erkennen, die solche Ereignisse quantitativ erfassbar machen», sagt Beutel.
Mithilfe der seismischen Sensoren ist es ihnen gelungen, sehr viele Ereignisse – etwa die anfänglich unsichtbare Rissbildung in Felsen – zu registrieren, welche die bisherigen Sensoren nicht erfassen konnten. «Seismische Sensoren registrieren viel mehr und bieten Informationsdichten und Analysemöglichkeiten, die wir uns zuvor nicht vorstellen konnten», sagt der Elektroingenieur. Der Nachteil dieser Sensoren: Sie brauchen Kabel, mehr Strom, tiefere Bohrlöcher, welche erst gebohrt werden mussten. Und sie zeichnen auch Signale auf, die gar nicht vom Berg stammen, etwa die Schritte der Bergsteiger auf ihrem Weg zum Gipfel.
Störsignale von Bergsteigern
Dieses Hintergrundrauschen mussten die Forscher erst aus den Daten entfernen, mithilfe von maschinellem Lernen und klugen Algorithmen, welche von den aktuell am Projekt beteiligten ETH-Doktoranden direkt auf die drahtlosen Sensoren programmiert wurden. Zur Überprüfung fütterten sie die Algorithmen unter anderem auch mit den Belegungsdaten der Hörnlihütte, wo Matterhorn-Besteiger übernachten. Die Belegungsdaten dienen dabei als Anhaltspunkt, wann Menschen am Berg unterwegs sind und welche «Störsignale» von ihnen ausgehen.
Analysen der so gesäuberten Seismik-Daten zeigten Beutel ein interessantes Bild: «Die Resonanzschwingungen, die in Felsen auftreten, variieren über das Jahr hinweg stark.» Das hängt mit dem Tauen und Gefrieren am Berg zusammen. Viele Klüfte und Risse sind mit Eis und Sedimenten gefüllt. Dieses Gemisch ist im Winter steinhart gefroren. Im Sommer taut es auf, der Verbund in den Rissen verändert sich. Dadurch wird der freistehende Teil des Felsens grösser, der Felsen schwingt mit einer tieferen Frequenz. Umgekehrt im Winter: Hier schwingt er mit einer höheren Frequenz.
«Das funktioniert wie eine Gitarre – je nachdem, wo man den Hals ergreift, verändert man die Schwingungslängen der Saiten, was andere Töne erzeugt», erklärt Beutel.