19.09.2011, 11:47 Uhr

ETH-Forscher stellen Turbo-Transistoren her

Wissenschaftlern aus Frankreich und von der ETH Zürich ist es erstmals gelungen, Hochgeschwindigkeits-Transistoren (HEMT) herzustellen, die aus Galliumnitrid (GaN) bestehen, welches auf einem Silizium-Wafer gewachsen ist.
Forschern aus Frankreich und der ETH Zürich ist es erstmals gelungen, Hochgeschwindigkeits-Transistoren (HEMTs) herzustellen, die aus Galliumnitrid (GaN) bestehen, welches auf einem Silizium(110)-Wafer gewachsen ist. (Bild: ETH Zürich)
Der Vorteil: Die ETH-Transistoren sind kompatibel mit gängigen Metalloxid-Halbleiter-Chips (CMOS), die auf Silizium mit derselben Kristallorientierung basieren.

CMOS-Chips werden nur auf Silizium mit der so genannten (100)- oder (110)-Ausrichtung seiner Kristalle fabriziert. GaN dagegen konnte bis anhin nur auf (111)-Silizium verwendet werden. Damit wird der Bau von Elektronikkomponenten möglich, welche die Rechenleistung des CMOS-Chips und das Energiemanagement von GaN vereinen. Dies ermöglicht eine weitere Miniaturisierung in der Leistungselektronik.

Transistoren werden für die Verstärkung von elektrischem Strom und Radiofrequenz-Signalen sowie für Hochspannungsschaltungen verwendet und bestanden bisher mehrheitlich aus Silizium. Seit kurzem beginnen Elektroingenieure, die Vorteile von Galliumnitrid für den Bau von Leistungselektronik auszunutzen, um schnellere, hitzeresistente und vor allem energieeffiziente Transistoren zu entwickeln.

Siliziumträger verbilligt Nitrid-Technologie

Die Galliumnitrid-Technologie galt bis anhin jedoch als zu teuer, um die Siliziumtechnologie zu verdrängen. Den Forschern um den ETH-Professor Colombo Bolognesi ist es aber gelungen, Galliumnitrid auf einem Siliziumwafer wachsen zu lassen, was diese Technologie viel wirtschaftlicher macht. Als Trägermaterial diente ihnen reines Silizium, das eine spezielle Kristall-Orientierung aufweist. Dies wird als Silizium(110) bezeichnet. Dieses Substrat kostet knapp 50 Cent pro Quadratzentimeter.

Saphir oder Silizium-Carbid (SiC) als bisheriges Trägermaterial kostet hingegen rund fünf Dollar beziehungsweise bei SiC sogar 20 Dollar pro Quadratzentimeter. Mit Silizium können zudem grosse Wafer-Scheiben von 30 Zentimetern Durchmesser hergestellt werden, was mit Saphir und SiC nicht möglich ist. Weil aber GaN und Silizium verschiedene Materialeigenschaften besitzen, ist es schwierig, die beiden Materialien auf einem Wafer zu vereinen.

So kann es sein, dass sich bei Erwärmung auf dem Wafer Risse bilden, da sich die Materialien unterschiedlich stark ausdehnen. Die französischen Forscherkollegen von Bolognesi haben jedoch Mittel und Wege gefunden, um GaN auf Silizium(110) wachsen zu lassen und diese Schwierigkeiten somit zu umgehen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie GaN-Transistoren beim Energie sparen helfen «Noch basieren die meisten Transistoren auf Silizium», sagt Bolognesi. Dieser Halbleiter diene nicht nur als Substrat, sondern auch zum Bau von Transistoren und Chips. «Ziemlich alles in der Elektronik besteht aus Silizium. Es ist ein grossartiges Material», bestätigt der ETH-Professor, «es ist ein Geschenk Gottes an die Ingenieure.»

Silizium hat aber auch Nachteile. Bei hohen Temperaturen ab 200 Grad Celsius steigen siliziumbasierte Geräte aus. Galliumnitrid dagegen erträgt Temperaturen bis zu 1000°C. Dies macht dieses Material interessant, beispielsweise für den Bau von Sensoren in Automotoren. Zudem widersteht GaN bis zu 15 Mal höheren elektrischen Feldern als Silizium; die Elektronen bewegen sich darin schneller als in Silizium, was schnellere Schaltungen ermöglicht. «Das ist insbesondere für die Telekommunikation wichtig, da die Informationen rascher und effizienter verarbeitet werden», sagt Bolognesi.

Nitrid-Bauweise bremst Energieverschwendung

Leistungselektronik aus GaN braucht dank seiner Hitzeresistenz kaum Kühlung. Wären zum Beispiel Basisstationen von Mobilfunkanlagen mit GaN-Transistoren ausgerüstet, könnten die Anbieter auf stromfressende Kühlanlagen verzichten. Zudem benötigen herkömmliche Basistationen das Zehnfache an Leistung als Energieinput, um eine Leistung von einem Kilowatt abzugeben.

«So wird viel Energie vergeudet, was am Ende die Umwelt und den Konsumenten teuer zu stehen kommt», sagt Bolognesi. Würde man die Silizium-Elektronik mit GaN-Si-Elektronik ersetzen, könnte viel Energie gespart werden. Für den ETH-Professor ist Galliumnitrid deshalb wie geschaffen für den Einsatz in vielen Bereichen der Elektronik, insbesondere in der Leistungselektronik. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Industriepartner gesucht

Weiter könnte GaN helfen, bei der Beleuchtung Strom zu sparen. Ein Fünftel des weltweiten Energieverbrauchs wird zurzeit für die Beleuchtung aufgewendet. Eine 5-Watt-LED-Lampe auf GaN-Basis erzeugt jedoch dieselbe Lichtmenge wie eine herkömmliche 60 Watt-Glühbirne. Dadurch sei eine riesige Energieeinsparung möglich, betont Bolognesi.

Dasselbe gelte auch für die Spannungsumwandlung, die in Geräten stattfinde. Schliesst man einen PC an eine 230 V-Steckdose an, sorgt ein Wandler im Geräteinnern für die richtige Gerätespannung. Solche Wandler können mit GaN-Technologie energieeffizienter werden. «Der weltweite Energieverbrauch könnte noch um ein Viertel gesenkt werden, wenn die Energie am Ort des Verbrauchs intelligent eingesetzt würde», rechnet Bolognesi vor.

Überdies hat sich gezeigt, dass GaN-Si-Transistoren blitzschnell sind und Frequenzen von bis zu 205 Gigahertz zulassen. Mehr als genug, um Handys, Computer und die Leistungselektronik schneller, sparsamer und kleiner zu machen.

Umstieg kostet Geld

«Technisch gesehen ist alles da, um dieser Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Was noch fehlt ist ein Industriepartner, der die Galliumnitrid-Silizium-Elektronik auf den Markt bringen will», sagt der ETH-Professor. Weshalb Telekommunikationsunternehmen oder die Chiphersteller nicht längst auf die GaN-Technologie umgestiegen sind, ist für Bolognesi klar: «Der Umstieg kostet Geld.»

Im Idealfall könnten Siliziumbauteile bei Bedarf durch GaN-Leistungselektronik ersetzt werden. Bolognesi hofft daher, dass die Politik den Wechsel unterstützt: mit Hilfe eines griffigen CO2-Gesetzes beispielsweise, welches die Firmen zwingt, ihre Energiekosten zu senken. Gerade Telekommunikations-Unternehmen wären dann ermutigt, in zukünftige energiesparende Technologien zu investieren, um den CO2-Ausstoss zu senken.



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