09.01.2015, 16:47 Uhr

Computersoftware schlägt Pokerspieler

Forscher haben einen Algorithmus entwickelt, der es Menschen verunmöglichen soll, beim Pokern zu gewinnen. Und damit ein Problem gelöst, das Wissenschaftler seit Jahren beschäftigt.
Erinnern Sie sich an Deep Blue? Der Schachcomputer von IBM besiegte 1997 den amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow und sorgte damit für Entzücken bei Technikfans. Zwar gab es um das zweite Spiel einige Kontroversen, unter anderem verweigerte IBM Kasparow eine Revanche. Dennoch merkte die breite Masse damals erstmals, dass Maschinen irgendwann dem Menschen auch intellektuell überlegen sein könnten. Im Jahr 2011 gelang es Watson ? wieder ein IBM-System -  im Rahmen des Wissensquiz Jeopardy zwei bislang fast als unschlagbar geltende Spieler zu schlagen.
Heute wird dieser Mensch vs Maschine-Geschichte ein weiteres Kapitel hinzugefügt, das in der Nachbetrachtung ebenso signifikant werden könnte wie die aufgeführten Beispiele. Die Pokervariante Texas Hold'em hat in diesem Jahrtausend dank TV-Übertragungen massiv an Popularität gewonnen und das verruchte Image abgelegt, das dem Kartenspiel einst angehaftet hat. Mittlerweile wird unter Freunden gepokert, im Internet, sogar an Firmenanlässen. Auch auf Software-Entwickler übt das Spiel seit Jahren eine riesige Anziehungskraft aus. Ihre Motivation: ein Programm erstellen, das Menschen beim Pokern besiegt. Und das war bislang eine Knacknuss. Denn während beim Schach der Computer sämtliche Figuren sieht und damit aus Erfahrungswerten Vermutungen über die Zukunft ableiten kann, ist dies bei Hold'em nur begrenzt möglich. Der Mensch hält seine Karten in der Hand, die Maschine kann sich nicht auf vorprogrammierte Strategien berufen. Bislang gab es einige Versuche, dieses Problem der «imperfect information» zu lösen. Gelungen ist es nun kanadischen Wissenschaftler. Mit anderen Worten: Egal welche Strategie der Mensch anwendet, diejenige des Computers ist besser.

Mehr gepokert als die gesamte Menschheit

Die Forscher haben den Algorithmus «Cepheus» (Gestalt aus der griechischen Mythologie, Sternbild) entwickelt, der diese Bedingung erfüllen will. Zumindest in der Variante «Heads-up Limit Texas Hold'em», bei der 2 Spieler gegeneinander antreten und jeweils festgelegte Beträge setzen können. Jedenfalls in der Theorie. Denn beim Pokern entscheidet auch das Glück, so dass über eine kurze Distanz der Weltmeister gegen einen Anfänger verlieren kann - oder eben Cepheus gegen einen Menschen. Je länger aber ein Spiel dauert, desto wahrscheinlicher wird der Computer gewinnen.  Wie das Programm funktioniert, beschreiben die Forscher in der Fachzeitschrift Science. Demnach haben sie Cepheus unzählige Partien gegen sich selbst spielen lassen. 4000 Prozessoren berechneten jeweils sechs Milliarden Hände in der Sekunde, über einen Zeitraum von zwei Monaten. So entstand eine elf Terabyte grosse Datenbank. Zählt man sämtliche Hände, welche die Menschen in der rund 100-jährigen Geschichte von Poker gespielt hat, zusammen, kommt man nicht annähernd auf eine solche Zahl. Mit diesem Wissensvorsprung will Cepheus nun in jeder Situation in der Lage sein, die statistisch beste Entscheidung treffen. Wer sich trotzdem gegen die Maschine messen will, kann dies online auf der Webseite der Universität http://poker.srv.ualberta.ca/
Allerdings sei übereifrigen- und kritischen Probanden gesagt: die Maschine wird nicht jede Hand gewinnen, das ist statistisch gesehen unmöglich. Poker ist in erster Linie ein Glücksspiel. Aber da dem Spiel, anders wie beispielsweise «Kroko Doc», auch ein Geschicklichkeits-Faktor zugrunde liegt, wird über einen gewissen Zeitraum immer der bessere Spieler gewinnen. Bereits gibt es Profi-Pokerspieler welche die Superiorität der Maschine anzweifeln. Sollte einer von ihnen gegen Cepheus antreten, die Welt hätte rund 20 Jahre nach Deep Blue wieder einen epischen Kampf Mensch vs Maschine. Während Kasparow damals aber eine reelle Chance auf den Sieg hatte, dürfte das beim Pokerspieler heute nicht der Fall sein. Allerdings ist die Maschine noch weit davon entfernt, den Menschen beim Pokern hinter sich zu lassen. Denn die Variante «Heads-up Limit Texas Hold'em» ist nur eine von unzähligen Arten des Pokerspiels. Wenn Cepheus gegen mehr wie einen Spieler antreten muss, hat der Computer noch keine optimale Strategie. Und bei der Variante «No Limit», in welcher jederzeit das gesamte Vermögen (beziehungsweise das auf dem Tisch liegende Geld eines Spielers) gesetzt werden kann, ist es fraglich, ob es jemals einem System gelingen wird, einen Menschen zu schlagen. 



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