Frameworks erleichtern den KI-Einstieg

Im Gespräch mit Dr. Christop Angerer von Nvidia

Christoph Angerer: Manager AI Developer Technoligies Europe bei Nvidia
Quelle: Nvidia
Eigentlich steht Deutschland in Bezug auf Künstliche Intelligenz nicht gar so schlecht da, meint Christoph Angerer, Manager AI Developer Technologies Europe bei Nvidia. Doch einige Hürden gebe es doch.
Computerworld: Wo liegen hierzulande die grössten Hemmnisse für den Einsatz von KI?
Christoph Angerer: In vielen Bereichen mangelt es noch immer am nötigen Know-how und an den Ressourcen für die Umsetzung von KI-Projekten. Viele Infrastrukturprojekte werden nach wie vor von IT-Abteilungen de­finiert und ausgeführt. Dort ist jedoch die Fachkenntnis für die Implementierung der geeigneten KI-Umgebung oft nicht ausreichend. Ausserdem sind häufig die Daten für KI-Projekte oder maschinelles Lernen aus den verschiedenen Abteilungen nicht greifbar oder lassen sich aus technischen Gründen nicht zusammenführen. Deshalb bedarf es einer gut durchdachten Datenstrategie, um die Qualität der Daten zu gewährleisten und um sicherzustellen, dass ausreichende Informationsbestände zur Verfügung stehen.
Computerworld: Oft mangelt es auch an KI-Spezialisten.
Angerer: Ja, häufig fehlt es Unternehmen an Datenwissenschaftlern, die für die Implementierung der KI-Plattformen nötig sind. Der Mangel an KI-Fachkräften ist in Deutschland ein akutes Thema, das von vielen Seiten angegangen werden muss. Die Universitäten bieten jetzt zwar deutlich mehr Kurse für Data Science an, aber eine Weiterbildung für spezielle Branchen ist noch schwierig. Hier setzt das von Nvidia gegründete Deep Learning Institute an. Es bietet Firmen online oder vor Ort rund 50 Kurse zu Themen an wie KI im Gesundheitswesen, autonomes Fahren, Finanzwesen, Robotics und Intelligent Video Analytics.
Computerworld: Wie steht es um die Akzeptanz von KI in deutschen Unternehmen. Erkennen sie den Nutzen der Technologie?
Angerer: Laut einer IDC-Studie von 2017 war Deutschland im Bereich IoT führend, hinkte aber beim Einsatz von KI hinterher. Stark vertreten in der Entwicklung von KI-Produkten waren eher Start-ups, die flexibler und schneller die neuen Strömungen in der KI-Methodik umsetzen konnten. 2018 und 2019 haben aber viele grosse deutsche Unternehmen in die KI-Entwicklung investiert und Kooperationen mit der Forschung und Start-up-Hubs gestartet. Einen grossen Schub hat die Initiative appliedAI von UnternehmerTUM gebracht. Sie stellt jungen Unternehmen eine Infrastruktur mit KI-Plattformen zur Verfügung, mit der sie ihre Projekte vorantreiben und Kontakte in die Industrie aufbauen können. Doch auch grössere Firmen haben mittlerweile das Potenzial der Initiative erkannt und sind ihr beigetreten. Im Automobilbereich ist dadurch im baden-württembergischen Cyber Valley eine der grössten Forschungskooperationen Europas aus Wissenschaft und Wirtschaft entstanden.
Computerworld: Wird Deutschland in der KI-Forschung von Ländern wie China, Indien, USA oder Korea abgehängt?
Angerer: Deutschland hat im Bereich der KI-Forschung eine lange Tradition. Nicht umsonst beherbergt es mit dem DFKI das grösste KI-Forschungszentrum Europas. Auch viele Universitäten haben in der KI-Forschung umfangreiches Wissen und Talent angesammelt. Der Unterschied zum Silicon Valley liegt eher an der konservativeren Ausrichtung bei der Unterstützung von neuen Initiativen und Start-ups. Solche jungen Unternehmen müssen in Deutschland mehr Unterstützung finden und leichter mit grösseren Firmen kooperieren können.
Computerworld: Deutschland ist ein Land des Mittelstands. Wie können solche Unternehmen KI-Anwendungen entwickeln?
Angerer: Eine Hürde für viele mittelständige Unternehmen ist die Planung und Erstellung einer hauseigenen KI-Infrastruktur. Abhilfe können vorgefertigte KI-Lösungen und Plattformen schaffen, die sich für Einsteiger eignen, aber auch im Rechenzentrumsbereich eingesetzt werden können. Solche Systeme enthalten in der Regel die Hardware und das komplette Software-Paket für den Einsatz von KI. Dies reduziert den Aufwand für das Aufsetzen der Software-Umgebung von Tagen oder Wochen auf wenige Stunden. Für Unternehmen, die erst einmal mit KI experimentieren wollen, bietet sich auch die Cloud an. Grosse Unternehmen auf diesem Gebiet bieten inzwischen KI- und ML-Instanzen für die Datenanalyse an. So können Firmen testen, ob die Implementierung von KI für sie sinnvoll ist. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, durch die Miete von weiteren Instanzen die Testszenarien flexibel zu skalieren und gegebenenfalls später in die eigene IT-Infrastruktur zu verlagern.



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