Der «Larry»-Virus erreicht die Schweiz
Die «Larry»-Epidemie
Im Herbst hatte die Virenepidemie dann die Schweiz erreicht. Via Diskette. Ein Basler Chemiekonzern wurde mit einem Virus aus dem Spielprogramm «Larry» infiziert. Ein Sicherheitsbeauftragter des Konzerns bestand allerdings darauf, dass seine Firma nicht namentlich erwähnt wurde: «Es macht sich schlecht, wenn wir Antibiotika verkaufen und dann selbst infiziert sind.» Wobei jedoch die Ansteckung in der Informatikabteilung des Konzerns kein gewöhnlicher Schnupfen war: Eines Tages fielen zwei voneinander völlig unabhängige Netzwerke in der Chemiezentrale gleichzeitig aus. Eine Vielzahl von PCs konnte nicht mehr mit der Maus bedient werden, im anderen Netz streikten die Drucker verschiedenster Hersteller und arbeiteten nur noch im Briefmodus. «Für uns war das eine riesige Plackerei, bis wir endlich ein Backup auftreiben konnten, das nicht kontaminiert war», sagte der Sicherheitsbeauftragte der Computerworld.
Das Unternehmen erliess eine interne Weisung, nach der keine Spielprogramme oder frei verfügbare Software mehr an den Bürocomputern verwendet werden durften. Allerdings wuchs von diesem Zeitpunkt an die Unsicherheit in den EDV-Abteilungen mit jeder neuen Virenmeldung. So schloss auch der Sicherheitsbeamte des Basler Konzerns nicht aus, dass «schlafende Agenten» über internationale Netze ins Computersystem geschleust werden könnten. «Perfid an der ganzen Sache ist, dass praktisch keine Vorbeugung möglich ist. Entweder man hat den Virus oder man muss täglich damit rechnen, dass er eingeschleppt wird.» Denn während es sich bei «Larry» nur um Anwendungen für Amiga, Atari und DOS handelte, war auch auf Grossrechnern Vorsicht geboten: «Es existieren sogar Standardprogramme, die im Original bereits infiziert sind», sagte Daniel Mühlethaler von Adsoft in Basel. Beim Chemiekonzern geriet ein Grafikprogramm eines bekannten Herstellers ins Visier der Virenjäger: «Verdachtsmomente liegen vor, Resultate noch nicht», sagte der Sicherheitsbeauftragte. Es sollte sich als Fehlalarm erweisen.
Im September noch virenfrei war die Schweizerische Bankgesellschaft: «Noch haben wir keine Virusprobleme, aber wir beschäftigen uns intensiv mit dieser Problematik», sagte Vizedirektor Erich Klopfenstein der Computerworld. Die Zeitung wusste aufgrund von Hinweisen, dass auch in der Grossbank das «Larry»-Fieber grassierte. So stellte sich einzig die Frage, wann die Virenepidemie bei der Bankgesellschaft ausbrach. Über einen Virenbefall in dem Haus wurde aber nichts bekannt.
Aufkleber und Aids
Für Peter Röcker, Berater im Mega-Shop Bern, war die Virenfrage einfach zu lösen. Der beste Schutz sei immer noch ein simpler Kleber: «Mit ist sicherer.» Damit deutete er an, dass Disketten, die mit Schreibschutz versehen sind, nicht von Viren befallen werden können. Wenn aber der Virus bereits ins System gelangt ist, wusste auch Röcker nur noch eine Radikalkur: «Harddisk neu formatieren.»
Für Hannes Keller, Software-Autor und schweizerischer Computerguru, bedeutete der Virenbefall einerseits, dass fortan weniger Raubkopien gefertigt werden. Andererseits aber gab er zu bedenken, dass die Impfprogramme sinnlos seien, weil sie die Virenschreiber nur zu weiter ausgetüftelten Programmen verleiten. Er fügte an: «Es gibt Viren, die gegen Impfungen immun sind.» So verglich der Software-Spezialist die Computerviren mit der in den 1980er-Jahren in Europa angekommenen Immunschwächekrankheit Aids. «Die Trefferwahrscheinlichkeit ist in beiden Fällen zwar gering, wer aber einmal infiziert ist, geht daran zugrunde.» Die Schweizer Unternehmen setzten alles daran, die Viren zu bekämpfen. Sie bildeten im Schnellzugstempo Virenjäger aus, die für die nötige Abwehr sorgen sollten.