02.11.2012, 08:50 Uhr
Microsofts Surface angetestet
Jenseits der Grenzen ist neben Windows 8 auch Microsofts Surface fast überall zu haben. Computerworld hat in Las Vegas ein Tablet erstanden und angetestet.
Bis zuletzt war Microsofts eigenes Tablet Surface die grosse Unbekannte. Nur die Firmenoberen durften es zeigen, kein Tester, Analyst oder Medienvertreter hatte es vor dem Verkaufsstart in der Hand. Seit Freitag kann es nun jedermann kaufen – jedermann, bis auf Konsumenten augenscheinlich weniger attraktiver Märkte. Dazu zählt für die Microsoft-Strategen offenbar auch die Apple-dominierte Schweiz. Nicht einmal der üblicherweise zuverlässige Online-Versender digiteclistet die Microsoft-Hardware. Interessenten werden zum Einkaufstourismus gezwungen. Im Ausland ist das Surface vergleichsweise einfach zu haben. Lieferprobleme hat Microsoft nicht, die Nachfrage ist allerdings auch nicht überwältigend – zumindest im fernen Las Vegas. Vorbesteller hatten den Vorteil, sich bei Verkaufsstart nicht in die Schlange von rund 20 Interessierten einreihen zu müssen – bekommen hat aber jeder ein Tablet.
Solide Hardware
Microsoft hatte keinen Grund, Surfaceso lange geheim zu halten. Die Hardware ist solide und wertig, das Gehäuse aus einer Magnesiumlegierung ist stabil. Das gilt auch für den ausklappbaren Ständer und die Mechanik. Bei der berührungsempfindlichen Glasoberfläche des Bildschirms macht Microsoft ebenso wie Apple Abstriche zugunsten des Preises: Das Display spiegelt – eine reflexionsfreie Oberfläche hätte Mehrkosten verursacht. Schade. Der 16:9-Bildschirm mit 10,6 Zoll (26,9 Zentimeter) Diagonale zeigt auf 1366 x 768 Pixel leuchtende Farben und gute Kontraste – solange der Tester nicht in der Sonne etwa E-Mails abrufen will. Teils sieht er dann nur schwarz.
Ein Glanzlicht sind dagegen die Schnittstellen: Die mitgelieferten Netzteil und Folientastatur (Touch Keyboard) schliessen sich per Magnet quasi automatisch an. Weiter sind ein USB-2.0-Port, ein MicroSD-Einschub und eine 3,5-Millimeter-Klinke für Audio vorhanden – alles Standard-Interfaces. Proprietär ist der Videoanschluss; nur per optionalen Adapter lassen sich VGA- und HDMI-Kabel verbinden. Aber immerhin ist überhaupt ein Video-Ausgang vorhanden. Apple, Asus, Lenovo und Samsung verzichten bei ihren Topmodellen auf dieses Ausstattungsdetail, Acer bietet Micro-HDMI. Auf dem Stand der Technik ist Surface bei den Drahtlosverbindungen: Der WLAN-Adapter unterstützt den schnellen 802.11n-Standard, Bluetooth 4.0 ist ebenfalls vorhanden. Mobilfunk und NFC sind dagegen nicht dabei, hier bieten zum Beispiel Amazon und Samsung mehr. Nächste Seite: Surface im Benchmark Für Microsofts ARM-Plattform Windows RT steht aktuell noch kein herstellerunabhängiges Leistungsdiagnose-Tool bereit. Eine Aussage über die Performance liefert der Peacekeeper-Benchmark des Spezialisten Futuremark. Der Test misst die Leistung des Webbrowsers, ist also unabhängig vom Betriebssystem. Auf Surface steht aktuell erst der Internet Explorer zur Verfügung, Firefox soll in Kürze folgen. Der Test belegt eine eher unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit des Browsers in den sieben Testdisziplinen. Ein Grund ist, dass nur drei der sieben Prüfungen absolviert wurden. Internet Explorer 10.0 unterstützt nicht alle Funktionen von HTML5.
Dagegen funktioniert das Klicken und Wischen auf der Tablet- sowie Desktop-Oberfläche des Surface verzögerungsfrei und problemlos. Dafür ist offenbar einiges an Leistung notwendig. So werkelt als Hauptprozessor ein nVidia T30 (Quad-Core) mit 1,3 bis 1,4 GHz. Ihm zur Seite stehen vergleichsweise viel (2 GByte) Arbeitsspeicher. Das iPad und das Galaxy Tab besitzen nur einen 1,0-GHz-Chip und 1,0 GByte RAM. Die Akkulaufzeit bei «normaler Verwendung» gibt Microsoft konservativ mit acht Stunden an. Kann sich Surface zwischendurch abschalten, wenn auch der Tester mal eine Pause braucht, genügt eine Akkuladung für einen Zehn-Stunden-Tag. Die Standby-Werksangabe von 7 bis 15 Tagen erscheint allerdings optimistisch. Computerworld reicht das Ergebnis nach, wenn Surface mal mehr als sieben Tage unbenutzt bleibt. Nächste Seite: Surface-Software und Fazit
Nachholbedarf bei Software und Apps
Die Grundausstattung mit Software und Apps gleicht einem spartanisch eingerichteten Windows-System. Windows RT bringt gerade die nötigsten Funktionen mit, will aber aus dem App-Store gerne angereichert werden. Dafür muss der Tester seine Microsoft-Kontodaten hinterlegen – nicht aber seine Kreditkartennummer. Der Store füllte sich in den vergangenen Tagen zusehends. Die Zahl von anfangs 50 Programmen sind mittlerweile auf über 150 gewachsen. Allerdings fehlen noch echte Glanzlichter – zum Beispiel aus dem Hause Adobe.
Ein Highlight bietet Microsoft selbst mit dem vorinstallierten Office 2013. Excel, OneNote, PowerPoint und Word sind gratis dabei – in Englisch schon final, in Deutsch noch als Release Preview. Die Produktivitätsanwendungen besitzen einen kaum merklich verringerten Funktionsumfang vergleichen mit den Desktop-Varianten. Allerdings ist laut Lizenzbedingungen die Nutzung von Word & Co. für kommerzielle Zwecke nicht erlaubt.
Fazit: solides Tablet mit Luft nach oben
Surface mit Windows RT ist Stand heute nicht mehr als ein Zusatzgerät zu einem «richtigen» Computer. Wer nun an iPad und Android-Tablets denkt, verkennt das Potential. Beide Plattformen sind zwei Jahre auf dem Markt, die Hardware fortentwickelt, der App-Store gefüllt. Surface und Windows RT können durch zwei Oberflächen sowie eine gute Ausstattung auf der Hardware- und der Software-Seite mehr als die Tablets der ersten Generation. Microsoft muss sich den Vorwurf anhören, dass Surface erst jetzt auf den Markt kommt. Wünschenswert wäre, dass sich das Windows-RT-Ökosystem ebenso schnell entwickelt wie iOS und Android. Surface bietet dafür eine solide Plattform.