Smartphone-Abhängigkeit 07.07.2016, 18:52 Uhr

Männer sind süchtiger als Frauen

Männer greifen doppelt so schnell zu ihrem Smartphone als Frauen. Medienpsychologen in Würzburg und Nottingham haben mehrere Experimente durchgeführt. Die Ergebnisse geben zu denken.
Männer haben offensichtlich ein Problem damit, untätig herumzusitzen. Beim Warten auf dem Bahnsteig, im Tram, vor dem Ticket-Schalter oder im Café greifen sie bereits nach durchschnittlich 21 Sekunden zum Smartphone. Frauen widerstehen etwas länger der Versuchung; bei ihnen dauert der Griff zum Mobile 57 Sekunden. Den meisten von uns ist das gar nicht bewusst. Die Universitäten in Würzburg und Nottingham haben die Smartphone-Sucht in einem medienpsychologischen Experiment mit mehreren Dutzend Teilnehmern nachgewiesen. Die Mehrzahl, etwa 66 Prozent, war zwischen 20 und 29 Jahren alt. Den menschlichen Versuchskaninchen wurde vorgekaukelt, dass die Vorbereitung des Experiments, zu dem sie eingeladen wurden, noch einige Zeit in Anspruch nähme. Währenddessen wurden sie gebeten, in einem Warteraum mit versteckter Kamera Platz zu nehmen.
Nach fünf Minuten kam der Versuchsleiter in den Warteraum und bat jeden Teilnehmer, ihm die Körpergrösse - als Ablenkungsmanöver, die Info war für das Experiment gar nicht relevant -  und die Smartphone-PIN zu geben. Auf Nachfragen antwortete er: "Wir können ohne diese Informationen das Experiment nicht durchführen. Studien beweisen, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Körpergrösse und der PIN gibt. Sie müssen uns ihre PIN geben".

Der Psycho-Trick mit dem Warteraum

Nach zehn Minuten kam der Versuchsleiter zum zweiten Mal in den Warteraum und bat die Teilnehmer in den nächsten Raum. Die Vorbereitungen seien abgeschlossen, das Experiment könne jetzt beginnen. In Wahrheit war das Experiment aber schon vorbei. Und die Ergebnisse fielen überraschend aus. 93 Prozent der Teilnehmer verrieten dem Versuchsleiter ihre geheime Smartphone-PIN, die Mehrzahl sogar, ohne weitere Nachfragen zu stellen. 73 Prozent benutzten während der insgesamt 10-minütigen Wartezeit ihr Smartphone. Männer waren ungeduldiger als Frauen, griffen im Durchschnitt bereits nach 21 Sekunden zu ihrem digitalen Begleiter und beschäftigten sich fast fünf Minuten damit. Bei den Frauen dauerte es 57 Sekunden. Den Allermeisten ist diese Abhängigkeit aber gar nicht bewusst. Die Versuchsteilnehmer gaben an, zwei bis drei Minuten gewartet zu haben, bevor sie ihr Smartphone hervorgeholt hätten.

FOMO - die Angst, was zu verpassen

Medienpsychologen erklären die intensive Nutzung mit der Angst, etwas Wichtiges zu verpassen (FOMO - Fear of Missing Out). Beide Parameter - Nutzung und Angst - scheinen sich dabei gegenseitig hochzuschaukeln: Je mehr jemand Angst davor hat, wichtige Infos zu verpassen, desto häufiger greift er zum Smartphone. Umgekehrt lösen bei intensiver Nutzung bereits kleine Pausen eine Stresszustand aus, und Linderung verschafft das Phone.  Die digitale Nutzung geht dabei nicht, wie häufig vermutet, auf Kosten von zwischenmenschlichen Beziehungen. Wer häufig und intensiv sein Smartphone nutzt, pflegt in der Regel auch sehr intensive Beziehungen. Die intensiven Nutzer sind aber weniger offen für Neues, das Beziehungsnetz gleicht eher einem "closed Shop" als einem offenen Netzwerk.

Apple macht "süchtiger" als Android

Heute sehen viele Menschen ihr Smartphone - so ein Ergebnis des Experiments - als "integralen Bestandteil ihrer selbst". Die Verbundenheit mit dem Gerät ist bei Apple-Nutzern stärker ausgeprägt als bei Android-Nutzern. Die Wissenschaftler der Universitäten Würzburg und Nottingham warnen aber davor, daraus voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen, denn der Unterschied sei nicht allzu gross.  Am Warteraum-Experiment haben in Würzburg 59 Personen und in Nottingham 36 Personen teilgenommen. Zusätzlich haben die Medienpsychologen eine Online-Befragung durchgeführt, an der insgesamt 1215 Menschen teilgenommen haben. Zu den gestellten Fragen gehörten zum Beispiel: Mein Smartphone hilft mir, mit Stress besser umzugehen. Oder: Wenn mich jemand über mein Smartphone kontaktiert, unterbreche ich alles andere. Oder: Ich vertraue meinem Mobile und fühle mich mit ihm verbunden (I trust my smartphone. I feel attached to my mobile).



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