08.10.2013, 15:52 Uhr
Der Windows-Schweiz-Chef im Computerworld-Interview
Manuel Michaud ist seit fünf Jahren bei Microsoft Schweiz und zuständig für den Windows Geschäftsbereich. Mit Computerworld spricht er über Windows 8, Windows 8.1 und das Surface.
Computerword.ch: Seit knapp einem Jahr ist Windows 8 auf dem Markt. Der weltweite Marktanteil liegt bei 5-7 Prozent, zufrieden bisher?
Manuel Michaud: Wir haben uns keine konkreten Ziele bezüglich Marktanteile gesetzt. Aber wir haben schon am ersten Tag festgestellt, dass die Reaktion der Nutzer positiv ist. Wenn man den Leuten zeigt, was Windows 8 im Vergleich mit dem Vorgänger kann, sind sie immer positiv überrascht.
Reaktion und Aktion sind aber zwei Dinge, noch reisst man sich nicht um Windows 8. Warum soll das mit Windows 8.1 anders werden?
Als wir Windows 8 lancierten, hatten wir noch nicht so viele Apps im Store, allzu viele Touch-Geräte wie Tablets oder Hybrid-Modelle gab es auch nicht. Zudem waren wir in der Preisgestaltung bislang eher an der oberen Grenze. In der Zwischenzeit gibt es über 100 000 Apps im Windows Store. Die Auswahl an Touch-Geräten im Bereich 300-600 Franken ist ebenfalls deutlich gestiegen. Neu mit Windows 8.1 werden auch Windows Tablets im 7-8 Zoll Format eingeführt, ein Segment in dem sich in Zukunft vieles abspielen wird.
Warum gab es denn zum Start von Windows 8 zu wenig Geräte?
Scheinbar war es aufwendiger als geplant, die Touch-Geräte zu entwickeln. Das Warten hat sich jedoch gelohnt. Speziell die Hybrid-Modelle sind im Business-Umfeld sehr gefragt. Diese lassen sich sehr einfach von Tablet in Notebook umwandeln und können somit in unterschiedliche Szenarien eingesetzt werden.
Einer der Vorteile für Unternehmen, Windows 8.1 einzusetzen, ist wohl die Verwaltung, oder?
Genau. Die Windows 8 Geräte lassen sich einfach verwalten und in bestehenden Kunden-Umgebungen integrieren. Zum Beispiel können Apps auf der neuen Oberfläche ähnlich wie Desktop Anwendungen ausgerollt werden. Oder der Admin kann über Richtlinien festlegen, wie der Startbildschirm aussehen soll oder ob der Benutzer Spiele vom Windows Store runterladen kann.
Und sonst?
Neben der besseren Integration, bringen wir mit Windows 8.1 neue Möglichkeiten im Bereich Mobile Computing und Sicherheit. Spannend finde beispielsweise die Entwicklung in Richtung kabellose Notebooks. Dank Fortschritten in Hardware und Prozessoren sind heute 10 bis 12 Stunden Batterielaufzeit möglich. Ein Gerät kann über Nacht aufgeladen werden und danach den ganzen Tag ohne Stromkabel benutzt werden. Auch das Projizieren des Bildschirms auf einen Beamer oder Fernseher ist drahtlos möglich, dank in Windows 8.1 integrierte Miracast Wireless Display Technologie. Zudem wurde NFC und Wi-Fi Direct integriert, so kann zum Beispiel ein Laptop in der Nähe eines NFC-fähigen Drucker direkt ausdrucken. Oder mit der «Assigned Access» Funktion, können Geräte so konfiguriert werden, dass nur eine Anwendung läuft. Wenn beispielsweise eine Bank im Eingangsbereich einen Infoschirm aufstellen will, auf dem nichts verändert werden kann.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: warum Keyboard-Nutzer zufriedener sein sollten
Mit Windows 8 setzt Microsoft auch stärker auf Touch als bisher. Dabei war aber immer ein Kritikpunkt, dass Windows-8-Touch-Geräte zwar gut funktionieren, sich Benutzer mit Keyboards aber schwer getan haben.
Es stimmt, die neue Oberfläche wurde für Touch optimiert. Doch da auch uns klar ist, dass momentan rund 80 Prozent aller PCs keine Touch-Fähigkeit haben, lässt sich Windows 8 auch sehr einfach mit Maus oder Tastatur bedienen. Als Beispiel um zwischen offenen Apps zu blättern, kann der Benutzer entweder den linken Bildschirmrahmen mit dem Finger streifen, mit der Maus die obere linke Ecke klicken oder die Tastenkombination «Alt + Tab» verwenden. Am Ende entscheidet der Benutzer wie er mit seinem Gerät interagieren möchte.
Auf welche Neuigkeiten kann sich der User mit Windows 8.1 sonst noch freuen?
Im Bereich Personalisierung können zum Beispiel grössere Kacheln angelegt werden, die mehr Informationen darstellen oder kleinere Kacheln, um die Dichte der dargestellten Apps auf der Start-Oberfläche zu erhöhen. Nicht zuletzt ist der aus meiner Sicht zu stark debattierten Startbutton wieder zurück. Es ist auch jetzt möglich, direkt im Desktop-Mode zu starten. Weiter haben wir grafische Anpassungen vorgenommen, um den Übergang zwischen dem Desktop und der neuen Oberfläche optisch zu verbessern.
Ebenfalls neu ist die Suchfunktion. Sie zeigt nicht nur Desktop- sondern auch Suchresultate von Bing an. Haben Sie keine Angst, dass dies wieder Probleme mit den Kartellwchtern mit sich bringen wird?
Wir denken nicht, dass dies ein Problem wird. Der Marktanteil von Bing wächst zwar gerade in den USA sehr stark, ist aber immer noch kleiner als der von Mitbewerbern.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie geht die XP-Migration voran?
Im kommenden April läuft der XP-Support aus. Vor allem bei Business-Kunden ist das Betriebssystem aber noch sehr verbreitet. Wechseln die eher auf Windows 7 oder Windows 8?
Ich beobachte, dass wir 2 Arten von Kunden haben: wer bereits von XP auf 7 migrierte plant nicht, im nächsten halben Jahr komplett auf Windows 8 zu migrieren. Aber diese Kunden schauen sich auch schon Windows-8-spezifische Szenarien wie mobile Mitarbeiter, BYOD oder Tablet in den Unternehmen an. Wir beobachten auch oft, dass Windows-8-Pilotprojekte stattfinden in Unternehmen, die bereits Windows 7 im Einsatz haben.
Und die andere Art von Kunden?
Von den Unternehmen, die nach wie vor XP im Einsatz haben, überlegt sich ein Grossteil, den Schritt Windows 8.1 zu machen. Das ist auch nachvollziehbar. Windows 8 war noch ein neues Betriebssystem, die Leute wollten zuerst sehen, wie gut es im Markt ankommt. Aber mit den neuen 8.1 Funktionen ist die Bereitschaft, von Windows XP auf Windows 8 zu migrieren, deutlich gestiegen.
Wer das tut, sollte wohl auch seine Geräte-Infrastruktur anpassen, oder?
Geräte die mehr als 4 oder 5 Jahre alt sind, müssen möglicherweise ersetzt werden. Aber das wird ohnehin meistens bei einer Systemerneuerung gemacht.
Können Sie Unternehmen, die von XP auf Windows 8 migrieren wollen, einen Tipp geben? Die Tendenz geht ja momentan nach wie vor in Richtung Windows 7.
Gerne. Wer von XP weggeht, muss sich als erstes die App-Landschaft anschauen. Dabei ist es egal, ob das Zielbetriebssystem Windows 7 oder 8 sein soll. Meine Empfehlung ist darum, mit einem Partner zu arbeiten, der diese Migration schon mehrfach umgesetzt hat.
Man wird das Gefühl nicht los, dass Sie mit Windows 8.1 viel stärker auf Kundenwünsche reagieren wie früher. Täuscht der Eindruck?
Sie haben recht, wir haben Kundenfeedback und ?wünsche von Anfang an mitberücksichtigt ? das hat nicht nur mit unserer Philosophie zu tun, sondern ist auch die Folge der zunehmenden Marktdynamik. Damit das funktioniert, haben wir zwei Strategie-Änderungen vorgenommen: einerseits haben wir unsere Release-Zyklen von 3 Jahre auf 1 Jahr gekürzt. Zudem veröffentlichen wir innerhalb des Entwicklungsprozesses schneller mal eine Preview-Version, damit wir Kundenfeedbacks für die Feinjustierung integrieren können.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: die Probleme mit dem Surface
Nebst Windows 8.1 ist das grösste bald erscheinende Microsoft-Produkt das Surface 2. Wie gut kam der Vorgänger in der Schweiz an?
Das ist wie mit Windows 8: wer es gesehen hat, ist begeistert. Die Kundenzufriedenheit ist extrem hoch.
Die Kundenzahl kann es aber nicht gewesen sein. 900 Millionen Dollar musste Microsoft auf das Surface abschreiben.
Der Eintritt in den Tablet-Markt ist für uns ein Neuanfang. Dieser ist immer schwierig, da sowohl wir als auch die Kunden Lernprozesse durchmachen. Der Lernprozess auf Seiten der Kunden ist, dass Tablets neu nicht reine Unterhaltungsgeräte sind, sondern Produktives Arbeiten und Unterhaltung auf einer Plattform vereinen. Wir hören sowohl von CIOs als auch von Privatkunden immer wieder, dass sie sehr zufrieden sind mit dieser Kombination. Die CIOs schätzen insbesondere, dass sie die Tablets sehr einfach in die bestehende Infrastruktur einbinden können. Die Privatkunden sind begeistert, weil Surface verschiedene Anschlüsse bietet, der Speicher erweitert werden kann und Office drauf ist. Diese Kombination hat bisher kein Tablet geboten. Fazit: Wir sind zufrieden und stolz, dass wir innert kürzester Zeit ein neues Produkt aufgestellt haben?
?das aber zu teuer verkauft wurde, wie die Preisanpassungen zeigen?
Wenn man mit einem neuen Produkt in den Markt eintritt, ist die Preiskomponente sehr wichtig, weil die Kunden den Wechsel auf das Unbekannte immer auch mit einem Risiko gleichsetzen. Die Nachfrage ist mit den neuen Preisen in die Höhe geschnellt ? die Preisanpassungen waren sinnvoll, um Fuss zu fassen.
Wurde diese Situation unterschätzt?
Nein, diese Art von Flexibilität braucht es in unserem hochkomplexen und dynamischen Markt. Wir haben mit Surface ein völlig neues Produkt geschaffen, das gut ankommt. Das ist, was am Ende des Tages zählt. Zudem blicken wir nach vorne: Surface 2 steht in den Startlöchern und die ersten Reviews und Feedbacks stimmen uns äusserst optimistisch.