27.08.2012, 11:00 Uhr
Ein gefährliches Urteil
Apples Sieg gegen seinen Rivalen Samsung hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Das Urteil könnte die IT-Branche empfindlich treffen. Ein Kommentar von Marcel Hauri.
Die Jury hat gesprochen. Nach 3 Wochen juristischem Schlagabtausch vor einem Gericht in Kalifornien verdonnerte sie Samsung zur Zahlung von über 1 Milliarde US$. Ein Sieg für Apple auf der ganzen Linie. Das Urteil überrascht eigentlich nicht. Nur schon durch den Umstand, dass das Gericht nicht auf neutralem Boden tagte, liess Samsung im Vorfeld die schlechteren Karten in der Hand haben. Eine amerikanische Laien-Jury, die einen Steinwurf von Cupertino entfernt über komplexe Fragen und das momentan erfolgreichste amerikanische IT-Unternehmen urteilen muss, wird kaum den südkoreanischen Hersteller bevorzugen. Natürlich hat Apple mit seinem iOS eine einfach zugängliche Mensch-Maschine-Interaktion geschaffen und gleichzeitig eine grossartige Geldmaschine hervorgebracht. Aber auch Steve Jobs hat grösstenteils nur bestehende und bekannte Technologien und Prozesse neu und intelligent zusammengefügt. Samsung hat sich jedoch teilweise dreist und schamlos bei Designs und Funktionen von Apple bedient. Apples CEO Tim Cook sagte deshalb auch, dass es in diesem Prozess mehr um «Werte wie Originalität und Innovation» ging. Er mag damit recht haben. Aber, und das ist der springende Punkt, Apple hat mit seinem Innovationsgeist Standards geschaffen. Und hat nun das Pech, dass seine Standards in der Bedienung von Smartphones und Tablets quasi Common-Sense für die Anwender geworden sind. Es gibt genügend Beispiele der Software-Entwicklung in der Vergangenheit - zum Beispiel die Menustruktur in Microsofts Office-Suite - die von den Benutzern angenommen und von der Konkurrenz mannigfaltig kopiert wurden, ohne dass es zu Gerichtsfällen gekommen ist. Kommt hinzu, dass das amerikanische Patentrecht praktisch alles patentieren lässt wie beispielsweise auch die Navigationsstruktur einer Webseite. Patente sollten eigentlich teure und intensive Forschungsarbeit vor Missbrauch schützen. Wenn jedoch triviale Angelegenheiten, wie die Gestensteuerung auf Touch-Screen-Bildschirmen, oder Scrollen von Listen als besondern schützenswert angesehen werden, dann läuft etwas aus dem Ruder. Das Urteil ist schlecht für die IT-Branche und zuletzt für den Anwender - Erstgenannte hätte eine nur noch eine bedingte Entwicklungssicherheit und die Verbraucher müssten sich immer wieder mit unterschiedlichen Bedienkonzepten auseinandersetzen. Die Frage ist, ob Apple nach diesem ersten juristischen Etappensieg Appetit auf weitere Auseinandersetzungen bekommen hat. Mit dem Ziel, Android beziehungsweie Google in die Schranken zu weisen. Ob es tatsächlich so weit kommt, wird das von Samsung angestrebete Berufungsverfahren zeigen.