09.08.2013, 10:58 Uhr

Viel unnötige Polemik um Schul-Lizenzen für Microsoft-Produkte

Schulen sollen für Microsoft-Lizenzen mehr zahlen müssen, weil ein Vertrag gekündigt wurde. Diese Meldung machte gestern Schlagzeilen. Wahr aber ist: die wenigen, auf die es zutrifft, könnten sich mit einfachen Mitteln helfen. Fraglich ist, ob es nicht bessere Alternativen als kostenpflichtige Miet-Lizenzen gibt.
Die Verhaftung des Microsoft-Verkaufsleiters für öffentliche Bildungsinstitutionen hat eine Polemik um Schulabzocke ausgelöst. Dabei könnte der Fall genutzt werden um zu diskutieren, in welche Richtung es mit Lizenzmodellen gehen soll
Seit vier Monaten sitzt ein ehemaliger Microsoft-Schweiz-Manager in Untersuchungshaft. Er war Verkaufsleiter für öffentliche Bildungsinstitutionen, also verantwortlich, dass Lerninstitute mit Microsoft-Produkten versorgt werden. Microsoft verkauft diese Produkte nicht direkt sondern über sogenannte Large Account Reseller (LAR). Auf der anderen Seite stand Educa.ch, die im Auftrag der öffentlichen Schulen die Konditionen für Microsoft-Produkte ausgehandelt haben und dafür nebst dem Bildungsrabatt noch einen Volumenrabatt erhielten. Als scheinbar einziger Microsoft-LAR war die Firma DirAction in der Lage, zu den Konditionen von Educa.ch zu liefern. Zudem riet der Beschuldige Microsoft-Mitarbeiter den Informatikleitern der Schulen, nur bei DirAction zu beziehen. Sie seien  günstig und würden bereits das Vertrauen vieler anderer Schulen geniessen. Dass die IT-Verantwortlichen daraufhin nicht auch andere Widerverkäufer in Betracht zogen, ist logisch. Dass niemand hinterfragte, warum der Microsoft-Verkaufsleiter sich dafür interessiert, bei wem die Schulen die Produkte bezogen, eigentlich auch. Denn die Schulen freuten sich einfach, dass sie dadurch viel Geld sparen konnten und DirAction wurde so zum Marktführer. Eine Win-Win-Situation. Wie diese Woche die NZZ aufdeckte, konnte aber auch DirAction nur zu diesen Preisen verkaufen, weil Teile der Geschäftsleitung mit dem nun in Untersuchungshaft sitzenden ehemaligen Microsoft-Verkaufschef zusammenarbeiteten. Diese Vermutung bewog Microsoft dazu, am 1. Februar 2013 den Vertrag mit Educa zu kündigen. Denn schliesslich arbeiteten sie ja ausschliesslich mit einer Firma zusammen, bei denen Microsoft unlautere Geschäftspraktiken vermutete. «Microsoft hat zwar formal korrekt, aber ohne weitere Begründung und unter generellem Hinweis auf eine interne Untersuchung die Rahmenverträge für Softwarelizenzen einseitig aufgekündet», sagt dazu Karl Wimmer, stellvertretender Direktor bei Educa.

Nur wenige Schulen betroffen

Leidtragende davon sollen die Schulen sein, hat gestern die Handelszeitung berichtet. Denn diese können nun nicht mehr von den Sonderkonditionen profitieren, müssten 15-20 Prozent mehr für Lizenzen zahlen. Von Boulevard-Medien wurde diese Schlagzeile genüsslich aufgenommen. Computerworld-Recherchen ergaben, dass einige Schulen in der Tat mehr zahlen müssten. Das hat aber nicht zwingend mit dem fehlenden Rahmenvertrag zu tun sondern kann auch damit zusammenhängen, dass noch nicht klar ist, welche Geschäfte DirAction und der Microsoft-Mitarbeiter genau betrieben haben. So spekuliert die «NZZ», dass das Programm «Partners in Learning», das unter anderem Windows-Lizenzen fast gratis an Schulen in Afrika abgibt, missbraucht worden sei und die Lizenzen stattdessen an Schweizer Schulen verteilt wurden. Für Schulen die von diesen Lizenzen «profitierten», wären die neuen Preise natürlich höher. Bis die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchung abgeschlossen hat, kann darüber keine Aussage gemacht werden. Dass es für Schulen ansonsten nicht unbedingt teurer wird, zeigt das Beispiel der Stadt Zürich. Das OIZ kaufte zentral für die 120 städtischen Volksschulen die Lizenzen, weil man nicht auf einen neuen Educa-Rahmenvertrag warten konnte. Als Partner wählte man Software One, teurer als zuvor mit DirAction wurde es nicht. Lesen Sie auf dernächsten Seite: Anforderungen für Rabatte sind tief

Niedrige Anforderungen

Das hat natürlich einerseits damit zu tun, dass die Stadt Zürich die grösste Schulgemeinde der Schweiz ist, ein Volumenrabatt ist somit einfach auszuhandeln. Doch einerseits ist der grosse Preisnachlass im von Microsoft gewährten Bildungsrabatt enthalten und andererseits scheinen auch die Anforderungen für den Volumenrabatt nicht allzu hoch zu sein. Darauf lassen jedenfalls die momentan laufende Verhandlung zwischen Educa und Microsoft schliessen. Educa fordert, dass Schulen bereits ab 100 FTE oder 100 Lernenden von einem Volumenrabatt profitieren könnten. Es ist davon auszugehen, dass diese Forderung bereits im letzten Vertrag bestand und Microsoft den Schulen die gleichen Konditionen anbietet. Nur wer also weniger Schüler oder Angestellte hat, sollte auf einen neuen Educa-Rahmenvertrag warten. Oder man schliesst sich mit anderen Schulen zusammen, Problem gelöst. Wer das nicht will, sollte problemlos auf den neuen Educa-Rahmenvertrag warten können. Denn die Mietlizenzen müssen an den meisten Schulen erst im November erneuert werden, wie Computerworld in Erfahrung brachte. Educa und Microsoft gehen davon aus, dass ihr neuer Rahmenvertrag bereits Ende August stehen wird. Fazit: viel Lärm um Nichts.  Es gibt aber eine grundsätzliche Frage, die in der ganzen Polemik um «Schulabzocke» nicht berücksichtigt wurde: sollen Schulen überhaupt auf Mietlizenzen setzen? Schüler brauchen doch nicht jedes Jahr ein neues Office. 

Kaufen oder Open Source

In der Stadt Bern, die bisher über DirAction einkauften, überlegt man sich darum, von Miet-Lizenzen wegzukommen, um nicht jedes Jahr neu verhandeln zu müssen. «Es ist nicht unbedingt nötig, dass man während einer Gerätegeneration grössere Softwareupdates macht», sagt Jörg Moor, Bereichsleiter Infrastruktur Schulamt Bern. «Darum denken wir darüber nach, auf das Kaufmodell umzusteigen.» Auch über Office 365 werde nachgedacht, die rechtliche Situation müsse aber zuerst genau angeschaut werden. Betroffen von der Entscheidung sind 47 Schulanlagen mit 1200 Lehrpersonen und rund 8000 Kinder. Eine andere Alternative zu Mietlizenzen schlägt die Swiss Open Systems User Group /ch/open vor: weg von proprietärer Software, hin zu Open Source. «Dass Microsoft an Schulen eigentlich überflüssig ist, zeigt der Kanton Genf», schreibt Matthias Stürmer von /ch/open. «Dort migriert das Bildungsdepartement zurzeit mehrere Tausend Schularbeitsplätze von Windows auf Ubuntu mit LibreOffice statt Microsoft Office.» Auch ein Linux-basierter Lernstick sei eine Möglichkeit, sagt Stürmer. Damit könnten Schulen auf unkomplizierte und günstige Weise Open Source Software einsetzen und auf Microsoft verzichten. Dieser werde bereits an Dutzenden von Schulen in der Schweiz und im Ausland eingesetzt. Diese Debatte ist in der Tat spannend, den Linux-Lernstick propagiert auch Educa.ch auf ihrer Webseite. Viel spannender jedenfalls, als die bisher geführte Debatte.



Das könnte Sie auch interessieren