15.08.2007, 09:05 Uhr

Schluss mit dem Software-Dogma

Unternehmen profitieren heute einfacher denn je von den Vorteilen einer individuellen Softwarelösung, ohne auf Standardsoftware verzichten zu müssen. Mittels Service-orientierter Architekturen (SOA) können sie für jeden Geschäftsprozess einzeln entscheiden, wie sich dieser bestmöglich abbilden lässt - und das bei maximaler Integration.
Rainer Hackenberg ist Managing Partner bei The Virtual Solution.
Im Kampf um Marktanteile hat sich die IT zum entscheidenden Schauplatz entwickelt. Hier wird über Wettbewerbsvorteile und neue Kunden entschieden. Unternehmen setzen daher zunehmend auf Service-orientierte Architekturen (SOA). Deren besonderer Mehrwert liegt in der tiefen, fachlichen Integration verschiedenster Anwendungen bei maximaler Effizienz. Als besonders geeignet erweist sich eine SOA vor allem bei der Abbildung spezifischer Geschäftsprozesse durch Individualsoftware oder auch Open-Source-Komponenten, da sie ein optimales Zusammenspiel mit den eingesetzten Standardanwendungen ermöglicht.
In jedem Unternehmen gibt es standardisierte Geschäftsprozesse, die sich hervorragend mit einem entsprechenden Standardprodukt umsetzen lassen. Die eigentliche Wertschöpfung wird jedoch in aller Regel durch jene individuellen Prozesse erzielt, mit denen sich das Unternehmen vom Wettbewerb differenziert. Werden solche Prozesse in Standardanwendungen gepresst, riskiert das Unternehmen den Verlust seiner entscheidenden Alleinstellungsmerkmale. Nicht zu vergessen sind die Anpassungs- und Wartungskosten, die umso höher ausfallen, je spezifischer die Unternehmensprozesse sind.£
Service-orientierte Architekturen hingegen verlangen keine «Entweder-Oder-Entscheidung», kein durchgängiges und unternehmensweites Software-Dogma. Durch die Zerlegung der einzelnen Produkte in Service-Komponenten und deren technisch lose Kombination zu einem Geschäftsprozess muss eine Prozesskette nicht mehr zwingend mit nur einem Produkt abgebildet werden. Der Paradigmenwechsel «Services statt Produkte» ermöglicht es stattdessen, für jeden Arbeitsablauf einzeln zu entscheiden, mit welcher Lösung sich dieser optimal umsetzen lässt. Dabei bleibt die bestmögliche und wirtschaftlichste Unterstützung der Geschäftsprozesse immer im Fokus. Die Folge ist nicht nur ein Mehr an Flexibilität, sondern auch ein deutlicher Zuwachs an Autonomie. Unternehmen wollen heute keine monolithischen Strukturen eines einzelnen Anbieters mehr, von denen das Wohl und Wehe des ganzen Unternehmens abhängt.

Weniger Redundanz, höhere Flexibilität

Mit der schrittweisen Umstellung auf eine SOA ändern sich langfristig auch die Paradigmen, nach denen Software eingekauft wird. Soweit möglich, wird nicht mehr in eine umfassende Produkt-Suite investiert, sondern nur noch in jene Services, die tatsächlich benötigt werden.
Eine herkömmliche Softwarearchitektur ist durch zahlreiche Redundanzen geprägt: Funktionen wie etwa Output-Management, Berichtswesen und Berechtigungskonzept existieren in einer Vielzahl der verwendeten Softwareprodukte nebeneinander. Solche Redundanzen belasten das System und verursachen höhere Kosten, da sie nicht nur doppelt und dreifach bezahlt, sondern auch doppelt und dreifach gewartet werden müssen. Die Zerlegung der einzelnen Produkte in Services hingegen bedeutet eine radikale Straffung der Anwendungslandschaft und eine markante Reduzierung der Redundanzen.
Auch in ökonomischer Hinsicht bringt die SOA-Umstellung neue Perspektiven: Die Service-Orientierung ermöglicht es, präzise zu kalkulieren, ob sich die Anschaffung einer Software im Hinblick auf die tatsächliche Anwendung wirklich rechnet (klarer Business Case). Denn nicht selten erweist sich der Kauf eines Gesamtpaketes oder eines Moduls als nicht mehr wirtschaftlich, sobald genau definiert ist, welche der umfangreichen Funktionalitäten im Einzelnen tatsächlich eingesetzt werden.
Individuelle Lösungen hingegen werden genau auf die tatsächlichen Erfordernisse eines Unternehmens hin entwickelt und sind frei von überflüssigen Funktionen, die zwar nicht genutzt, aber mitbezahlt werden müssen. Überdies bietet Individualsoftware den Vorteil, dass hier ausschliesslich die einmaligen Entwicklungskosten zu tragen sind. Ein Argument, das an Gewicht gewinnt: Sind doch Lizenz-, Schulungs- und Wartungsgebühren zu einem erheblichen Kostenfaktor geworden. Nicht zu vergessen die Aufwendungen für Release-Wechsel und Nachlizenzierungen. Massgeschneiderte Anwendungen lassen sich zudem genau in jene Lücken einpassen, die zwischen den Services der Standardprodukte entstehen. Und während die klassischen Softwareprodukte noch SOA-fähig gemacht werden, sind moderne Individuallösungen bereits auf die benötigten Standardschnittstellen zugeschnitten.
Der flexible Einsatz von Softwarelösungen nach Bedarf - egal ob Standard-, Individuallösungen oder eine Mischform aus beiden - macht Service-orientierte Architekturen für Unternehmen langfristig nahezu unverzichtbar. Zumal sich durch die SOA-Umstellung auch die Reaktionsgeschwindigkeit eines Unternehmens deutlich erhöht. Statt die gesamte Implementierung jeweils aufs Neue anzupassen, genügt es, einzelne Komponenten auszutauschen oder zu ersetzen. So lässt sich ein schnellerer «Time-to-Market» von Geschäftsprozessen oder Leistungsmerkmalen erzielen. Gerade in Zeiten sich immer schneller wandelnder Märkte kann sich die kurzfristige Anpassung an neue Anforderungen als wettbewerbskritisch für ein Unternehmen erweisen. Für die hier geforderte Flexibilität erweist sich heute aber vielfach noch immer die Unternehmens-IT als limitierender Faktor.

Unternehmen stehen noch am Anfang

Bei einer SOA ist die eigentliche Wertschöpfung entscheidend: die Geschäftsprozesse und ihre durchgängige Verwendbarkeit rücken in den Vordergrund, die Eigenheiten und der Aufbau der darunter liegenden Technologie in den Hintergrund. Letztere ist nur Mittel zum Zweck, um IT und Geschäft aufeinander abzustimmen und den Mitarbeitern die benötigten Informationen zum richtigen Zeitpunkt in der passenden Struktur zu liefern. Service-orientierte Architekturen sind weit mehr als eine reine IT-Plattform und lassen in ihrer Gesamtheit die rein technische Dimension weit hinter sich. Das Ziel, das am Ende des Prozesses steht, ist ein Paradigmenwechsel bei der Zusammensetzung der Geschäftsprozesse hin zum Abteilungs- und sogar Unternehmens-übergreifenden Denken.
Je tiefer dieses Verständnis einer SOA als übergreifendes Management- und Unternehmenskonzept greift, desto eher zeigen sich Geschäftsführung und IT-Leitung dazu bereit, in die SOA-MIgration zu investieren, wie eine Cap Gemini Studie von 2006 zeigt. Diese macht auch deutlich, dass Schweizer Unternehmen punkto SOA grössere Zurückhaltung üben als deutsche und österreichische Firmen. Dabei lässt sich der flexible Einsatz von Softwarelösungen frei nach dem unternehmenseigenen Bedarf - egal ob dies nun Standard-, Individuallösungen oder eine Mischform aus beiden sind - am effizientesten durch eine Service-orientierte Architektur realisieren. Was SOA langfristig nahezu unverzichtbar macht.
Weitere Informationen

Was SOA bedeutet und kann

o Services statt Produkte: Bei einer SOA werden einzelne Produkte in Service-Komponenten zerlegt und flexibel zu einem Geschäftsprozess kombiniert
o Die Folge: Eine Prozesskette muss nicht mehr notwendigerweise mit einem Produkt abgebildet werden. Redundanzen werden beseitigt, die Anwendungslandschaft gestrafft
o SOA ermöglicht die tiefe, fachliche Integration verschiedenster Anwendungen - egal ob Standardsoftware, Individuallösung oder Open Source.
o SOA bedeutet daher nicht nur einen deutlichen Zugewinn an Flexibilität und Autonomie gegenüber den Softwareherstellern, sondern vor allem auch die bestmögliche und die wirtschaftlichste Unterstützung der Geschäftsprozesse
Rainer Hackenberg



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