Apple-Konferenz 02.06.2014, 09:58 Uhr

Was alles (nicht) kommen wird

Apples WWDC 14 öffnet heute gegen Abend unserer Zeit ihre Tore. Weit aus dem Fenster gelehnt, orakeln wir darüber, was kommen wird – und welche Träume verlässlich platzen werden.
Am Montag der Mann der Stunde: Tim Cook (Bild: Apple)
Die «World Wide Developer Conference» (kurz: WWDC) ist seit vielen Jahren Apples Hausmesse, die sich eigentlich an Entwickler richtet. Das enorme Interesse an den Apple-Produkten hat jedoch dazu geführt, dass auch jene Leute der WWDC entgegenfiebern, die ihren BASIC-Kurs nach dem «Hello World!»-Tutorial abgebrochen haben. Wir können deshalb gar nicht anders, als diesen Artikel mit einigen fast schon surrealen Fakten zur WWDC einzuleiten. Die Messe findet heuer vom 2. bis 6. Juni in San Francisco statt. Dabei werden rund 5000 Teilnehmer von über 1000 Apple-Ingenieure betreut – entweder in persönlichen Gesprächen oder in den zahlreichen Workshops, die sich in erster Linie um die Programmierung von iOS und OS X drehen. Sollte man die WWDC also besuchen? Vermutlich schon … aber bereits diese Frage zaubert jedem interessierten Entwickler ein säuerliches Lächeln auf die Lippen. «Ja, ich komme auch!» Die Tickets müssen nämlich online gekauft werden, und zwar nach dem Motto «Wer zuerst kommt, mahlt zuerst». Das war früher kein Problem, aber die Zeiten ändern sich. Wir blicken zurück: Bis alle Tickets der WWDC verkauft waren, dauerte es …    2008: 2 Monate    2009: 1 Monat    2010: 8 Tage    2011: 10 Stunden    2012: 2 Stunden    2013: 2 Minuten2014 schob Apple dieser Manie einen Riegel vor. Alle, die wollten, durften sich anmelden – und zwar in einem geradezu riesigen Zeitfenster von zwei Tagen. Anschliessend wurden die verfügbaren Eintritte unter den Interessenten verlost. Will heissen: Die glücklichen Gewinner erhielten das Recht, sich ein Ticket zu kaufen, und zwar zum üblichen Preis von 1599 US-Dollar.Das klingt mehr als fair. Natürlich sind die Eintrittskarten persönlich. Apple verbietet es ausdrücklich, diese weiterzuverkaufen oder zu versteigern. Kurz, gegen eine Eintrittskarte zur WWDC wirken sogar Willy Wonkas «Goldene Tickets» wie billige Rubellose vom Kiosk. Aber die kann man immerhin kaufen, sogar fürs iPhone. Nächste Seite: Die Keynote im Livestream Die Keynote im Livestream Doch die Tickets sind nur für lernwillige Entwickler ein Problem. Für die grosse Masse der Apple-Fans dreht sich alles um die Keynote – also die Eröffnungsrede, in der meist «neue, sensationelle Produkte» vorgestellt werden. Die Keynote geht heute Montag, dem 2. Juni, um 10 Uhr Ortszeit über die Bühne; das entspricht 19 Uhr unserer Zeit. Dabei gibt es durchaus Grund zur Vorfreude. Apple verspricht nicht nur «exciting announcements», also spannende Ankündigungen, sondern überträgt die Keynote auch live im Netz, und zwar unter dieser Adresse. Für die Betrachtung wird jedoch ein Mac mit Safari oder ein iOS-Gerät vorausgesetzt. Die Stubenhocker machen es sich hingegen vor dem Fernseher gemütlich und ziehen sich die Keynote über Apple TV rein. Die Aktie Im Folgenden sehen wir uns an, was sich die Welt von der Keynote verspricht – und was wir schlichtweg vergessen können. Doch sicher ist nur eines: Die Apple-Aktie wird gleichentags in den Keller rasseln. Denn am Montag wird das Apple-Papier nach Börsenschluss im Verhältnis 7 zu 1 gesplittet. Der Wert einer Aktie dürfte sich anschliessend in der Nähe von 90 US-Dollar bewegen, nachdem das Papier in den letzten Wochen stetig nach oben geklettert ist und momentan deutlich mehr als 600 US-Dollar wert ist. Die Einladung Natürlich ist jeder Vorbericht zur WWDC ein schlechter Witz, solange die Grafik auf der Einladung nicht gründlich analysiert worden ist. Denn oft genug liessen sich in der Vergangenheit Rückschlüsse auf neue Produkte ziehen, auch wenn uns gerade kein Beispiel geläufig ist. Heuer ist die Sache einfach: Die farbigen Kästchen repräsentieren ganz offensichtlich Pixel. Das könnte auf einen iMac mit 4K-Auflösung hindeuten. Allerdings werden die Pixel nach unten immer kleiner, was ein kleineres iPhone vermuten lässt – oder auf ein grösseres, wenn man die Grafik auf den Kopf stellt. Das klingt doch schon fast wie eine Vorahnung, aber wir belassen es an dieser Stelle bei einem Zitat von Sigmund Freud: «Manchmal ist eine Zigarre einfach nur eine Zigarre.» Nächste Seite: Was wir garantiert zu sehen bekommen Natürlich lässt sich immer spekulieren, welche Neuigkeiten Apple aus dem Hut zaubern wird. Allerdings handelt es sich bei der WWDC um eine Entwickler- und nicht um eine Endkunden-Messe. Deshalb sind die folgenden Produkte so sicher wie das «Make it so!» von Captain Picard: iOS 8 Am Montag werden wir wissen, was iOS 8 kann und wie es aussieht. Ausserdem steht auch bereits das Datum der Freigabe fest: nämlich just an jenem Tag, an dem das iPhone 6 auf den Markt kommt, also Ende September oder Anfang Oktober. Doch was bringt’s? Hier sind unsere Wetteinsätze: Abgestimmtes Design. Längst nicht alle Benutzer waren mit dem radikalen Designbruch von iOS 7 zufrieden. Zwar wurden einige missglückte Änderungen zurückgenommen (etwa die fehlende Tastenumrandung), doch es gibt noch einige Baustellen. Mit iOS 8 könnte Apple weiter an den Kanten schleifen und Design-Entscheidungen korrigieren, ohne dabei die Hosen herunterzulassen: iOS 8 wäre dann einfach die logische Weiterentwicklung von iOS 7. Healthbook. Die neue App «Healthbook» spukt schon eine Weile durch die Gerüchteküche. Sie soll auf dem iPhone den Zustand des Besitzers protokollieren. Dabei reden wir nicht einfach vom Gewicht auf der Waage oder dem Puls beim Sport, sondern auch von der Ernährung, den Schlafgewohnheiten, dem Cholesterinspiegel und mehr. Das würde allerdings nach einem Fitness-Armband oder etwas ähnlichem schreien – und das macht die App zu einem Wackelkandidaten. (Mehr dazu später.) Und so stellt sich Apple-Fan Jayaprasad Mohanan die neue App vor: AirDrop zwischen Macs und iOS. Mit der Funktion «AirDrop» ist es ein Kinderspiel, Daten ad hoc zwischen Macs herumzuschieben, zum Beispiel draussen im Park. Dieselbe Einrichtung funktioniert auch zwischen iOS-Geräten – aber leider nicht zwischen den beiden Plattformen. Dieser reibungslose Datenaustausch zwischen Macs und iOS-Geräten ist überfällig. Zentrale Dateiablage. Allerdings gestaltet sich der Datenaustausch zwischen den Plattformen nur dann reibungslos, wenn das iOS-Gerät eine zentrale Datenablage kennt – und auf die warten wir seit 2007 vergebens. Auch diese Fessel des Systems könnte mit iOS 8 ein wenig gelockert werden. Ausbau der Touch-ID. Der Fingerscanner des iPhone 5s wird über kurz oder lang in jedem iOS-Gerät zum Einsatz kommen. Doch die Einrichtung ist delikat und wurde deshalb von Apple bislang nur für die Entsperrung des Geräts und dem Einkauf im eigenen Store verwendet. Damit konnten erste Erfahrungen gesammelt werden. Mit iOS 8 könnte Apple die Touch-ID von der Leine lassen und den Fingerscanner zum Beispiel verwenden, um die Kennwörter bei Websites automatisch auszufüllen. Eine Öffnung gegenüber den App-Herstellern scheint jedoch zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Shazam-Integration. Der Nachrichtendienst Bloomberg will erfahren haben, dass Apple mit Shazam zusammenarbeitet, damit in Zukunft die Musik im Raum schneller identifiziert werden kann – vielleicht sogar über einen Siri-Befehl. Shazam gibt es schon lange als unabhängige App. OS X 10.10 Auch an OS X wird natürlich weiter gefeilt. Die Vorstellung von OS X 10.10 gilt als beschlossene Sache. Das neue System wird sich vermutlich noch enger an iOS schmiegen, ohne jedoch dessen Bedienelemente zu übernehmen. Einen Zwitter wie Windows, der Tablets und PCs gleichermassen bedienen will, werden wir also nicht zu sehen bekommen. Nächste Seite: Neue Hardware braucht das Land! Neue Software ist toll, aber die kommt ja sowieso. Wesentlich interessanter ist die Frage, welche neue Hardware auf den Plan tritt. Allerdings werden die neuen Macs – wenn es denn welche geben soll – nicht mit einem Knall vorgestellt, sondern viel eher mit Aktualisierungen auf der Produkteseite und im Apple Store. Neue Macs Mac mini. Unglaublich, aber wahr: Der «aktuelle» Mac mini wurde heute 583 Tage alt. Apple wird sich ganz bestimmt nicht von dieser populären Bauform verabschieden, dafür stecken zu viele Möglichkeiten drin. Deshalb ist dieser Mac am dransten, was eine Aktualisierung betrifft. Allerdings dürften die Änderungen vor allem den Prozessor betreffen, sowie eine SSD-Option. Eher unwahrscheinlich ist die Ausgabe von 4K-Videos … leider. Chance auf neue Modelle: sehr hoch.iMac. Aktuelles Alter per heute: 248 Tage, und das kann alles heissen. Die kürzeste Ablösung eines iMacs erfolgte nach 231 Tagen, die längste nach 577 Tagen. Vermisst wird ein Gerät mit 4K-Auflösung für Fotografen und Videoprofis, die nicht auf die enorme Leistung des Mac Pro angewiesen sind. Chance auf neue Modelle: minimal. Retina MacBook Air. Für viele Mac-Fans ist das MacBook Air der beste Computer, den Apple je gebaut hat. Einziger Wermutstropfen: Das Display des 13-Zoll-Geräts zeigt eine bescheidene Auflösung von 1440 x 900 Pixel, während es das 13 Zoll MacBook Pro auf stolze 2560 x 1600 Pixel bringt. Das Problem: Mehr Pixel verlangen nach einer stärkeren Grafikkarte und diese nach mehr Strom. Das wiederum geht zu Lasten der Batterielaufzeit – und die ist Apple heilig. Wer heute mit einem voll geladenen MacBook Air am Morgen das Haus verlässt, kann den ganzen Tag damit arbeiten, nebenbei sein iPhone laden und kehrt am Abend mit einer komfortablen Restladung zurück. Diese enorme Ausdauer wird Apple nicht für ein Retina-Display opfern – es sei denn, die Akku-Leistung kann ebenfalls gesteigert werden. Ausserdem feiert das aktuelle Modell heute erst seinen 31. Geburtstag; und wir meinen «Tag»! Chance auf neue Modelle: sehr nahe bei Null. Retina MacBook Pro. Alter der aktuellen 13- und 15-Zoll-Modelle: 219 Tage. Damit liegt ein Update in greifbarer Nähe. Üblicherweise würde Apple seine Flaggschiffe bei einem «richtigen» Upgrade mit den neusten Intel-Prozessoren bestücken, in diesem Fall mit den angekündigten «Broadwell»-CPUs. Diese wurden jedoch wegen diversen Problemen immer weiter verschoben und erscheinen wahrscheinlich erst 2015. Gut möglich, dass ein kleines Update die Wartezeit überbrückt. Spektakuläre Neuerungen sind jedoch nicht zu erwarten. Chance auf neue Modelle: intakt, aber eher unwahrscheinlich. Nächste Seite: Apple TV Apple TV Die Beliebtheit der kleinen Settop-Box steigt und steigt. Kein Wunder: Sie bildet für wenig Geld die perfekte Schnittstellte zwischen Fernseher, iOS-Geräten und Internet. Steve Jobs bezeichnete die kleine Kiste einst als «Hobby», doch daraus ist längst ein wichtiges Kernelement im Apple-Kosmos geworden. Den Beweis findet man auch im Apple Store: Dort ist der Blackbox unterdessen eine eigene Kategorie gewidmet. Dessen ungeachtet ist die aktuelle Generation geschlagene 813 Tage alt! Wir mutmassen, dass ein neues Apple TV in den Startlöchern steht – und zwar eines, das im Wohnzimmer ein Erdbeben auslösen könnte. Denn Apple zeigt seit der Rückkehr von Steve Jobs immer dasselbe Verhaltensmuster: Neue Geräte und Technologien werden eingeführt, Kunden begeistert und die Konkurrenz vor den Kopf gestossen. Doch häufig sind die neuen Geräte erst das Vorbeben. Zum eigentlichen Knall kommt es, wenn gut bestehenden Technologien nahtlos verknüpft werden, als wäre es die leichteste Sache der Welt. So geschehen mit der Kettenreaktion iPod–iTunes–Music Store–iPhone–App Store–iPad: Stets baute der nächste logische Schritt auf dem Fundament der Vorgänger auf. Und bis heute hat keiner der Mitbewerber dieselbe Zulieferkette an Hard- und Software. Prognose: Das nächste Apple TV kommt, sobald es für die Kunden einen echten Mehrwert bietet. Sollte es 4K-Inhalte unterstützen, dann würde Apple gleichzeitig verkünden, dass mit den wichtigsten Filmstudios umfassende Verträge für den Vertrieb von 4K-Inhalten abgeschlossen wurden. Allerdings sind 4K-Fernseher noch Mangelware, sodass ihnen Apple nur wenig Bedeutung zumessen wird. Viel wahrscheinlicher sind ein App Store, ein richtiger Game-Controller sowie die Sprachsteuerung über Siri. Und läuft Crysis? Eher nicht … vermutlich. Mehr zu Apple als Konsolen-Grossmacht lesen Sie hier. Chance auf ein neues Modell: sehr wahrscheinlich! Nächste Seite: Der Apple-Fernseher, die iWatch und «das nächste grosse Ding» Absage an den Apple-Fernseher Nein, Apple wird keine Fernseher vorstellen. Warum auch? Die TV-Branche verliert Geld ohne Ende. Die Gewinne sind am Boden. Samsung dominiert den Markt. Und die Kunden wollen immer das, was es nicht gibt. Die einen liebäugeln mit einem 80-Zoll-Fernseher. Andere wollen viel kleinere Geräte, ganz billige oder solche in Altrosa und mit Kirschgeschmack. Das ist nicht das Schlachtfeld von Apple, weil es hier nichts zu holen gibt, ausser blaue Flecken.Stattdessen wird Apple weiterhin auf Apple TV setzen und damit potenziell jeden Fernseher auf diesem Planeten aufwerten. Allerdings gilt es als offenes Geheimnis, dass Apple versucht, die Mediengiganten (und vor allem deren Inhalte) für sich zu gewinnen. Sollte eine umfassende Zusammenarbeit entstehen, könnte Apple tatsächlich das Fernsehen mit einer eigenen Box und Benutzeroberfläche revolutionieren. Chance auf einen Apple-Fernseher: null! iWatch Der bis zur Erschöpfung kolportierten iWatch erteilen wir ebenfalls eine Abfuhr. Denn Smartphones sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Allein der Gedanke daran verursacht fast schon physische Schmerzen! Warum sollte sich eine Armbanduhr als würdiger Ersatz etablieren können? Das Display ist zu klein für alles: für eine anständige Bedienung, aussagekräftige Grafiken, Lautsprecher … was auch immer. Pebble und Samsung waren die ersten mit solchen Zwittern, klopften sich für diese Innovation auf die Schulter und sehen nun zu, wie die Lagerbestände vergammeln. LG und Sony springen auf den Zug auf, aber das ist keine besondere Leistung; er bewegt sich ja nur im Schritttempo. Chance auf eine iWatch: nicht null, aber wahnsinnig nah dran! Das nächste grosse Ding Doch wo will Apple die nächste grosse Revolution einläuten? Das vielversprechendste Gerücht ist gleichzeitig das jüngste: die Automatisierung unserer vier Wände. Hier ist das Potenzial endlos, doch der Acker wird bis jetzt nur in Ansätzen bestellt. So feiert Philips mit den intelligenten Hue-Lampen beachtliche Erfolge. Apple beschallt über AirPlay auch die grössten Häuser. Und iBeacon lokalisiert via Bluetooth ein Smartphone fast auf den Punkt genau. All diese Technologien sind heute real, aber noch nicht zu einem sinnvollen Ganzen verknüpft. Würde Apple ein systemübergreifendes Protokoll und die dazu passenden Geräte anbieten, dann wäre das tatsächlich eine Revolution.Deshalb tippen wir anstelle der iWatch auf ein intelligentes Armband, das ein iPhone auf ideale Weise ergänzt: indem es seinen Besitzer identifiziert, lokalisiert und autorisiert – eine ganze Menge «iert», also. Ein Armband, das den Standort zu Hause meldet, die Haustüre öffnet, den Mac entsperrt und das Licht punktuell glimmen lässt, wenn man Nachts mit halb geschlossenen Augen zur Toilette schlurft. Für die Sicherheit könnte ein Touch-ID-Sensor sorgen, der das Armband nur nach dem Scan des Fingers entfesselt. Die Möglichkeiten wären endlos – und Apple hätte das Zeug für die Umsetzung. So oder so: Heute abend sind wir alle klüger – zusammen mit jenen, die es ja «schon immer gewusst haben».



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