Bundesanwaltschaft
01.10.2019, 12:05 Uhr
Im Seco-IT-Bestechungsskandal werden vier Personen angeklagt
Die Bundesanwaltschaft hat in der Bestechungsaffäre um die Vergabe von IT-Aufträgen im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Anklage gegen vier Personen erhoben. Ein früherer Seco-Ressortleiter soll unrechtmässig über 1,7 Millionen Franken kassiert haben.
Die Anklage wurde beim Bundesstrafgericht gegen den ehemaligen beschaffungsverantwortlichen Ressortleiter des Seco sowie drei Unternehmer eingereicht, wie die Bundesanwaltschaft (BA) am Dienstag mitteilte.
Der im Zuge der Affäre entlassene frühere Seco-Ressortleiter wird von der BA hauptsächlich wegen Sich bestechen lassens sowie ungetreuer Amtsführung angeklagt. Zwei Unternehmern wird insbesondere ungetreue Geschäftsbesorgung sowie Bestechen vorgeworfen. Dem dritten Unternehmer wird Bestechen zur Last gelegt.
Im Fokus der Anklage stehen gemäss der BA mehrere hundert freihändige Vergaben von IT-Aufträgen des Seco an externe IT-Firmen unter Missachtung des geltenden Beschaffungsrechts.
Dem früheren Ressortleiter des Seco wird unter anderem vorgeworfen, sich über einen Zeitraum von rund zehn Jahren von 2004 bis 2014 von Vertretern verschiedener IT-Firmen bestechen lassen zu haben, indem er im Zusammenhang mit der Vergabe der Aufträge nicht gebührende Vorteile im Umfang von über 1,7 Millionen Franken gefordert und entgegengenommen habe.
Dies sei unter anderem in Form von Einladungen, Sponsoring von Anlässen, Bargeld oder Geschenken geschehen, schreibt die BA. Im Gegenzug habe er die IT-Aufträge mehrheitlich freihändig an die von ihm bevorzugten Firmen vergeben. Dabei habe er den Wettbewerb ausgehebelt und die Interessen des Seco geschädigt.
Genaue Schadensumme unbekannt.
Das Rechnungsvolumen der widerrechtlichen Vergaben beziffert die BA auf insgesamt rund 99 Millionen Franken. Die marktgerechten Preise der zu überhöhten Preisen beschafften Güter und Dienstleistungen und damit die tatsächliche Schadensumme lassen sich gemäss der BA rückwirkend nicht bestimmen.
Die drei angeklagten Unternehmer sollen dem ehemaligen Seco-Ressortleiter wiederholt nicht gebührende Vorteile versprochen und auch gewährt haben.
Zwei von ihnen seien zudem der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung angeklagt, weil sie gemäss Ermittlungsergebnissen als Geschäftsführer Firmengelder mittels Bezahlung fiktiver Rechnungen auf Offshore-Konten geschleust hätten. Die so erhaltenen Gelder hätten sie nach Erkenntnissen aus der Strafuntersuchung für sich selbst, insbesondere aber auch für die Bezahlung von Zuwendungen an den ehemaligen Seco-Ressortleiter verwendet.
Betroffen von der Korruptionsaffäre war der Informatikdienst der Ausgleichsstelle der Arbeitslosenversicherung (ALV). Dort hatte die Affäre auch Folgen: Die Direktion für Arbeit beim Seco organisierte die ihr angegliederte ALV-Ausgleichsstelle neu. So wurde etwa das Beschaffungswesen zentralisiert, so dass Ressorts selbst keine Beschaffungen mehr tätigen können.
Weitere Beschuldigte per Strafbefehl belangt
Ans Licht gekommen waren die Unregelmässigkeiten 2014 durch einen Artikel in den Zeitungen «Tages-Anzeiger» und «Bund». Das Strafverfahren war im selben Jahr gestützt auf eine Strafanzeige des Seco gegen den ehemaligen Ressortleiter und gegen Unbekannt eröffnet worden. Ein Jahr später wurde es mit einem parallel geführten kantonalen Strafverfahren vereinigt und auf insgesamt zehn Beschuldigte ausgedehnt worden.
Davon wurden drei Unternehmer und ein Treuhänder bereits per Strafbefehl rechtskräftig verurteilt. Die IT-Unternehmer hatten wegen Bestechung bedingte Geldstrafen zwischen 100 und 180 Tagessätzen zu je 40 bis 190 Franken erhalten. Zudem mussten sie Bussen von 1000 bis 1500 Franken zahlen.
Der Treuhänder war wegen Urkundenfälschung, mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung und Geldwäscherei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden und musste ausserdem die Verfahrenskosten in der Höhe von rund 18'000 Franken tragen. In Bezug auf einen weiteren Unternehmer und dessen Berater sei das Verfahren eingestellt worden.
Aus den Ermittlungen der BA resultierte bis heute ein Aktenberg von rund 400 Bundesordnern. Mehrere Hunderttausend sichergestellte Dokumente hätten zudem durch Ermittler des Bundesamtes für Polizei (fedpol) ausgewertet werden müssen. Weiter seien nebst den zehn Beschuldigten 30 Auskunftspersonen und Zeugen in der Schweiz befragt worden.
Die Strafanträge der BA sollen anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht bekannt gegeben werden. Ein Termin für die Gerichtsverhandlung wurde zunächst nicht genannt. Die BA weist darauf hin, dass bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils die Unschuldsvermutung gelte.