02.10.2008, 14:18 Uhr
Lernen von Indien
Die Zürcher ETH verschafft ihren Informatikstudenten Praxis hautnah. In einem gemeinsamen Projekt mit dem IT-Beratungs- und Technologie-Unternehmen Accenture erleben sie den Alltag im Outsourcing-Center Bangalore.
Die Arbeitswelt der ICT-Industrie (Information and Communications Technology) hat sich in den letzten fünf Jahren stark verändert. Hauptursache dieser Veränderung ist einerseits die zunehmende Konzentration vieler Unternehmen auf ihr Kerngeschäft und andererseits die damit verbundene Auslagerung von ICT-Prozessen an Outsourcing-Dienstleister.
Ausgelagert wird sowohl innerhalb der Schweiz als auch ins Ausland, insbesondere in osteuropäische Länder und auch nach Indien. In der Schweiz startet heute kaum noch ein grosses Informatikprojekt, das nicht zumindest in Teilen auf dieses nationale und internationale Outsourcing-Potenzial angewiesen ist. Doch in der Schweizer ICT-Industrie besteht eine sich immer stärker öffnende Personallücke: Während die Studienabschlüsse bei den Geisteswissenschaften in den letzten zehn Jahren um 80 Prozent und jene in den Wirtschaftsfächern um 70 Prozent zugenommen haben, stieg die Zahl der Hochschulabsolventen technischer Richtung mit 40 Prozent nur um etwa die Hälfte - viel zu wenig, um die offenen Stellen zu besetzen.
Ausgelagert wird sowohl innerhalb der Schweiz als auch ins Ausland, insbesondere in osteuropäische Länder und auch nach Indien. In der Schweiz startet heute kaum noch ein grosses Informatikprojekt, das nicht zumindest in Teilen auf dieses nationale und internationale Outsourcing-Potenzial angewiesen ist. Doch in der Schweizer ICT-Industrie besteht eine sich immer stärker öffnende Personallücke: Während die Studienabschlüsse bei den Geisteswissenschaften in den letzten zehn Jahren um 80 Prozent und jene in den Wirtschaftsfächern um 70 Prozent zugenommen haben, stieg die Zahl der Hochschulabsolventen technischer Richtung mit 40 Prozent nur um etwa die Hälfte - viel zu wenig, um die offenen Stellen zu besetzen.
Praxiswissen ist gefragt
Die ETH gilt als eine der führenden technischen Hochschulen in Europa. Ein ETH-Abschluss ist ein dicker Pluspunkt im Dossier eines Stellenbewerbers, denn Informatiker mit ETH-Abschluss sind in aller Regel
Software-Ingenieure mit ausgezeichneter technischer Ausbildung. Doch an der ETH werden nur in beschränktem Umfang betriebswirtschaftliche Fächer angeboten und die Umsetzung konkreter geschäftlicher Probleme kann sowieso kaum in Vorlesungen erlernt werden. Die moderne Arbeitswelt verlangt aber genau solche, über den technischen Bereich hinausgehende Kenntnisse und Erfahrungen. Von Informatikern wird heute Verständnis für die geschäftlichen Unternehmensziele und die betriebswirtschaftliche Effizienz der IT-Abteilungen eingefordert. Auf der anderen Seite ist das reine Programmierwissen in einer globalisierten Welt keine «knappe Ware» mehr.
Software-Ingenieure mit ausgezeichneter technischer Ausbildung. Doch an der ETH werden nur in beschränktem Umfang betriebswirtschaftliche Fächer angeboten und die Umsetzung konkreter geschäftlicher Probleme kann sowieso kaum in Vorlesungen erlernt werden. Die moderne Arbeitswelt verlangt aber genau solche, über den technischen Bereich hinausgehende Kenntnisse und Erfahrungen. Von Informatikern wird heute Verständnis für die geschäftlichen Unternehmensziele und die betriebswirtschaftliche Effizienz der IT-Abteilungen eingefordert. Auf der anderen Seite ist das reine Programmierwissen in einer globalisierten Welt keine «knappe Ware» mehr.
Innovatives Projekt: Arbeiten in Indien
Das ETH-Institut für Informationssysteme hat deshalb in Zusammenarbeit mit der global tätigen Firma Accenture ein innovatives Praxisprojekt ins Leben gerufen: Fortgeschrittenen Informatikstudenten bieten die Projektpartner einen mehrmonatigen Arbeitsaufenthalt im indischen Hightech-Zentrum Bangalore an. Dieses Jahr wurde das Projekt erstmals durchgeführt. Die Bedingungen waren ungewöhnlich: Die fünf Studenten erhielten während ihres Indien-Aufenthalts keinen Lohn, jedoch übernahm ihr Arbeitgeber, das Outsourcing-Unternehmen Accenture, die Kosten des Interkontinentalfluges sowie die Unterkunft in werkseigenen Wohnungen und die Verpflegung. Geboten war den Studenten dafür die einmalige Chance, die fremde Kultur in einem gerade für Informatiker besonders spannenden Land hautnah mitzuerleben. Indien hat sich innert weniger Jahre zu einem Eldorado des Offshoring-Geschäfts in der globalen Informationsindustrie - dem zukünftigen Arbeitsfeld der jungen Akademiker - entwickelt.
Praxiserfahrung hautnah
Dass dieses neue Angebot seine Wirkung auf die Studenten nicht verfehlte, wurde schon im ersten Schritt klar: Die Zahl der Bewerbungen überschritt die verfügbaren Praktikumsstellen um das Vierfache. Die jungen Gastarbeiter aus der Schweiz wurden von den Arbeitskolleginnen und -kollegen - neben der Mehrzahl von Indern auch einige Europäer und Amerikaner - sehr freundlich aufgenommen. Die Schweizer hatten zwar anfangs einige Mühe, sich an das in ihrem Gastland mit starkem Akzent gesprochene Englisch zu gewöhnen, doch die Verständigung war bald problemlos möglich. Nicht ganz so einfach war die Anpassung an die indische Verpflegung.
Fremde Arbeitswelten erleben
Gearbeitet wurde in den Grossraumbüros des riesigen Komplexes, in dem insgesamt mehrere Tausend Mitarbeiter beschäftigt sind. Die fünf Studenten waren an diversen Projekten für grosse Unternehmen im Konsumer- und Bankenumfeld beteiligt. Im Gegensatz zum topmodernen Hightech-Arbeitsumfeld standen die in Bangalore alltäglichen Stromunterbrechungen: Die Beleuchtung erlosch und die Klimaanlage verstummte für Minuten oder manchmal Stunden, nur die mit Notstrom versorgten Bildschirme leuchteten weiter. Die Belegschaft reagiert auf solche Ausfälle mit unaufgeregter Gelassenheit, die Arbeit wird kaum unterbrochen. Völlig ungewohnt war für alle Praktikanten aus der Schweiz - nach der akademischen Freiheit an der ETH - die strenge Geheimhaltung nach aussen. Die latente Gefahr von Industriespionage und deren Abwehr gehören in Bangalore zum Alltag aller ICT-Mitarbeiter.
Persönliche Erfahrung als Gewinn
Auf die Frage nach dem persönlichen Gewinn aus dem Praktikumsaufenthalt erklärte der ETH-Student Matthias Geel: «Man musste sich nicht nur auf eine völlig neue Arbeitsumgebung einstellen, sondern auch noch auf eine andere Kultur, die neben dem alltäglichen Leben auch die Arbeitsweise an sich beeinflusst.» Vor Antritt des Praktikums waren den Teilnehmern ausser der Projektbezeichnung keine weiteren Details bekannt, weder über das Team noch das Arbeitsumfeld, auch das Land war fremd. «Dieser Sprung ins kalte Wasser», resümiert der angehende Informatiker, «war aus meiner Sicht sowohl die grösste Herausforderung als auch der grösste Gewinn, den ich aus meinem Praxisaufenthalt gezogen habe.»
Zum Autor: Guido Scherer ist Partner Financial Services und Systems Integration & Technology beim IT-Beratungs- und Outsourcing-Unternehmen Accenture in Zürich