02.03.2006, 18:08 Uhr
Der IT-Architekt baut für das Geschäft
IT-Architekten stehen vor der Herausforderung, die Unternehmensstrategie reibungslos in einfach funktionierende IT-Systeme zu transformieren.
Klaus Niemann ist Geschäftsführer von Act Consulting.
Der IT-Architekt, dessen Berufsbild sich zunehmend zum «Enterprise Architect» wandelt, hat sich einerseits an der Unternehmens- und IT-Strategie, an den Prozessen und Produkten des Unternehmens zu orientieren, und muss sich andererseits der effizienten und sicheren Umsetzung der Geschäftsanforderungen in stabile IT-Systeme widmen. Genau daraus entsteht der Nutzen seiner Arbeit: Das Architekturmanagement stellt die Effektivität des IT-Einsatzes durch Ausrichtung auf die für das Geschäft wichtigen Systeme sicher, sorgt für Effizienz der IT durch Wiederverwendung und Konsolidierung, begrenzt Risiken und schafft Sicherheit durch Standardisierung und vorausschauende Planung.
Durch Ausrichtung der IT auf das Geschäft, durch Business-IT-Alignment, wird der Wertbeitrag der IT und ihre Effektivität verbessert. Die Agenda dazu beinhaltet unter anderem: Eine fachlich und gleichermassen technisch getriebene Bebauungsplanung, die Verzahnung des Architekturmanagements mit dem Anforderungs- und Auftragsmanagement auf der einen Seite, dem Projekt- und Servicemanagement auf der anderen, die Bewertung des «Business Value of Applications» sowie die Investitionssteuerung für Wartungs- und Optimierungsprozesse, das so genannte «Housekeeping».
Konsolidierung heterogener Strukturen im Anwendungs- und Technologieportfolio, Wiederverwendung von Lösungsmustern und Standardisierung sind Massnahmen zur Optimierung der IT-Effizienz. Governance verlangt nach Transparenz über IT-Assets und Prozesse. Dies dient dem Risikomanagement und erhöht die Sicherheit der Anwendungsentwicklung und -bereitstellung. Definierte, messbare und wiederholbare Architekturmanagementprozesse und -planungsverfahren gehören ebenso zum Risikomanagement wie eine Architekturmanagementorganisation mit Gremien, Rollen, Verantwortlichkeiten und Berichtswegen.
Im Bemühen, das Richtige effizient und sicher zu tun, erweitern sich die Anforderungen an die IT-Architektur zunehmend. Virtuosität im Umgang mit der Technologie, mit Frameworks und Standards in Projekten wird an der Basis vorausgesetzt. Die Erwartung richtet sich auf eine projektübergreifende Standardisierung, auf eine an der Unternehmensstrategie orientierten Bebauungsplanung, auf die Konsolidierung heterogener Strukturen und auf die Mitwirkung bei der professionellen Steuerung der IT. Der Weg geht von der IT-Architektur zur Unternehmensarchitektur, von der ein transparenter und messbarer Beitrag zur IT-Governance erwartet wird.
Wichtiges Housekeeping
Was bewirkt diese Veränderung der Erwartungshaltung gegenüber dem Architekturmanagement? Die Wiederverwendung von Patterns und die Vorstrukturierung von Anwendungen durch Frameworks reichen nicht mehr aus. Standardisierung muss weiter gehen. Ein «Book of Standards», in dem die zulässigen Infrastrukturkomponenten verbindlich definiert sind, sorgt für eine Bottom-Up-Standardisierung. Eine projektübergreifende Definition von Referenzarchitekturen und Einsatzszenarien kümmert sich um die Top-Down-Perspektive. Die über die Jahre gewachsene Heterogenität von Anwendungs- und Infrastrukturlandschaft verlangt nach Konsolidierung und Optimierung. Das Housekeeping ist unter dem Strich sogar wichtiger als die Portfolio-Planung der Neuprojekte: Laut Meta Group sind nur 20 Prozent der Kosten über den Lebenszyklus einer IT-Anwendung initiale Entwicklungskosten - die anderen 80 Prozent sind Integrations- und Betriebskosten. Der Fokus der Architektur erweitert sich vom Einzelprojekt hin zur unternehmensweiten Perspektive (siehe Grafik).
Die Ausrichtung der IT auf das Geschäft ist Pflichtprogramm. In der Kür wird der CIO zunehmend verantwortlich für die Prozessoptimierung im Gesamtunternehmen. Ein professionelles IT-Management erwartet Transparenz. Informierte Entscheidungen verlangen nach Navigationshilfe durch die komplexen Abhängigkeiten vom Geschäftsprozess über das Anwendungssystem bis hin zur Plattform. Die Unternehmensarchitektur ist das Informationssystem einer funktionsfähigen IT-Governance. Nicht zuletzt muss sich die IT neuen gesetzlichen Auflagen stellen: Compliance ist gefragt und muss dokumentiert werden. Architektur wirkt inzwischen nicht mehr allein auf der Umsetzungsebene, sondern ist ein strategisches Instrument des IT-Managements (siehe Grafik).
Vier Schritte
Die Bedeutung der Architektur wächst hinsichtlich Wirkung und Fokus. Architektur entwickeln, Architektur standardisieren, Architektur planen und Architektur steuern - das sind die Entwicklungsschritte. In der Architekturentwicklung wird die Architektur überwiegend Technologie-getrieben in Projekten aufgebaut. Der Nutzen liegt hier primär in den Bereichen Effizienz und Sicherheit: Wiederverwendung, Initialbeschleunigung, Verringerung von Rüstzeiten durch Nutzung von Konventionen, Patterns, Frameworks und Industriestandards.
Bei der Architekturstandardisierung geht es um die anforderungsgetriebene Konzeption von «Warenkörben» für die Infrastruktur und Referenzarchitekturen mit Einsatzszenarien für die Anwendungsentwicklung. Dies erfordert eine projektübergreifende Perspektive. Der unmittelbare Nutzen der Architektur liegt auch hier noch in den Bereichen Effizienz und Sicherheit. Doch mit den Standards wird eine Voraussetzung für die vom Geschäft ausgehende Bebauungsplanung geschaffen, deren Ziel das Business-IT-Alignment ist.
Die Architekturplanung setzt eine Schwachstellenanalyse der Anwendungs- und IT-Landschaft voraus. Zunächst muss die Landschaft kartographiert und analysiert werden: Unter anderem sind die Heterogenität, die Komplexität, Lücken, die Wertschöpfung sowie die Kosten zu untersuchen, um Planungsgrundlagen zu gewinnen. Die Bebauungsplanung ist getrieben vom Wunsch nach Optimierung der Anwendungs- und Infrastrukturlandschaft hinsichtlich technischer Qualität und Ausrichtung am Geschäft.
Die am Geschäft orientierte und strategiegetriebene Steuerung der Weiterentwicklung einer Unternehmensarchitektur setzt umfassende Transparenz und Operationalisierung voraus. Messbarkeit durch Key Performance Indicators, Compliance-Checks, Einbettung in die IT-Managementprozesse und wertorientierte Optimierung des IT-Portfolios sind Bausteine eines strategischen Architekturmanagements mit unternehmensweitem Fokus.
Transparent und messbar
Dieses strategische Architekturmanagement blickt nicht mehr auf einzelne Projektarchitekturen sondern auf eine Unternehmensarchitektur, die Transparenz über die Zusammenhänge zwischen Zielen, Strategien, Rahmenbedingungen Geschäftsprozessen, Anwendungssystemen und Plattformen schafft. Diese Unternehmensarchitektur muss
Transparenz schaffen und das Management-Informationssystem für den CIO werden,
analytisch nutzbar sein, neue Informationen aus vorhandenen ableitbar machen, auf neue Fragen reagieren können, flexibel und agil sein,
Aussichten auf die Zukunft eröffnen, darf nicht nur statisches Bild des Ist-Zustands sein, sondern muss auch Grundlage für Szenarien und Planungen des Soll-Zustands sein,
umsetzbar und operativ wirksam sein, die Transformation von Strategie in operative Wirklichkeit nachhaltig unterstützen,
messbar und verbindlich sein, eine wirksame Grundlage für Steuerung und Kontrolle strategischer IT-Massnahmen bilden.
Wenn eine Unternehmensarchitektur nach diesen Prinzipien geformt und weiterentwickelt wird, dann ist sie ein wirksames Instrument in den Händen des IT-Managements und unterstützt Governance und Strategie. Das Architekturmanagement bildet so eine Einheit mit dem Portfolio- und Programmmanagement. Dann erscheint auch die Disziplin des «Enterprise Architecture Managements» mit grösserer Bedeutung auf der Agenda der Unternehmen.
Klaus Niemann