Finnova und die Schweizer Banken im Wandel
Neue Kunden(segmente)
CW: Augenscheinlich ist die Einführung von KI nicht die grösste Herausforderung der Schweizer Banken. Wo drückt Ihren Kunden der Schuh am meisten?
Matter: Die meisten Anfragen kommen zu Automatisierung, Digitalisierung und Regulation. Die Regulation müssen wir umsetzen – oder die Technologie so weit bereitstellen, dass sie durch ein Drittsystem realisiert werden kann. Im Rahmen der Digitalisierung wollen hauptsächlich die Beratungsprozesse unterstützt werden. Omni-Channel ist hier das Stichwort. Bei der Automatisierung geht es meistens um Kostensenkung.
Lang: Die Fragestellungen variieren auch nach Bankentyp. Bei den Universalbanken steht die Digitalisierung im Vordergrund, einerseits um die Kosten zu reduzieren und andererseits die Customer Experience zu verbessern. Bei den Privatbanken sind die Themen Automatisierung und generell Kostensenkung mit BPO. Hier sind wir vermehrt mit InCore und Swisscom unterwegs.
CW: Nach Expertenmeinung geraten die kleinen Schweizer Privatbanken in Zukunft noch stärker wirtschaftlich unter Druck, wenn sie ihre Prozesse nicht standardisieren. Verzeichnen Sie einen regen Zulauf aus diesem Segment?
Matter: Das würden wir uns wünschen! [lacht]
Lang: «Reger Zulauf» wäre übertrieben. 2016 waren die Arner Bank und die Bank von Roll meines Wissens die einzigen beiden Institute, die sich zu einem Wechsel ihres Kernbankensystems entschieden haben – heute sind beide bei Finnova auf dem Incore-Turm. Wir sind im Dialog mit weiteren Banken, die ebenfalls einen Wechsel planen. Allerdings ist die Situation noch nicht die, dass jede zweite Privatbank anklopft, weil sie ein Kernbankensystem einführen und Prozesse auslagern will. Die Privatbanken sind für Finnova aber ein klares Wachstumssegment.
Matter: Solange eine Bank keinen extremen Leidensdruck verspürt, wird sie ihr Kernbankensystem nicht wechseln. Von den etablierten Systemen Apsys und Olympic heisst es schon länger, dass sie abgelöst werden sollten. Solange aber nicht gravierende Änderungen anstehen, lässt sich eine Bank noch lange damit weiter betreiben. Und wenn das Management keine klaren Vorstellungen für die Bank in zehn oder fünfzehn Jahren hat, dann werden tiefgreifende Erneuerungen auch nicht angegangen.
CW: Fehlt den Privatbanken tatsächlich die Vision für das Geschäft in fünfzehn Jahren?
Lang: Das variiert stark. Es können durchaus zwei Banken heute noch die gleichen Systeme betreiben, aber vollkommen unterschiedliche Strategien verfolgen. Eine Bank hält an ihrer Infrastruktur fest und ist froh um jede Anwendung, die sie nicht aus Kostengründen outsourcen muss. Die zweite Bank hat begonnen, eine Zukunftsvision zu entwickeln, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen und sieht kommende regulatorische und technologisch getriebene Anforderungen. Sie wird eher früher als später den Wechsel anstreben.
CW: Was sagen Sie zu der These: Digitalisierung im Banking ist Fassadenarbeit und keine echte Renovierung?
Matter: Die Kontoführung geschah früher auf Papier, dann auf Lochkarten und heute im Computer. Digitalisierung im Banking ist also nicht grundsätzlich neu. Heute stehen die Banken aber vor signifikanten Veränderungen, die eine tatsächliche digitale Transformation bedeuten. Stichworte sind Beratungsgespräche via Video, Kundeninteraktionen via Chat, die unbemannte Filiale, Big Data und künstliche Intelligenz. Vieles war in der Bankenwelt von vor zehn Jahren kein Thema oder sogar unvorstellbar.
Lang: Die Digitalisierung des Bankwesens ist für Finnova selbst auch eine Herausforderung. Wir arbeiten an einer Produktstrategie für 2030. Dann wird Finnova womöglich ein ganz anderes Unternehmen als heute sein.
Matter: Dafür ist allerdings weniger die Digitalisierung der Treiber als vielmehr die Idee, dass wir nicht alles selbst entwickeln und liefern müssen. Wir gehen mit dem eingeschlagenen Weg schon in diese Richtung: Von Partnern und anderen Anbietern werden bestimmte Teile der Wertschöpfungskette geliefert.
Lang: Ein anderer Aspekt sind die branchenfremden Anbieter, die auf den Banking-Markt streben. Auch kann Finnova neue Segmente in der Finanzindustrie wie beispielsweise Pensionskassen oder Versicherungen mit Software für Banking-Services bedienen. Dafür führen wir bereits erste Gespräche mit potenziellen Kunden, deren Prozesse zumindest teilweise von einem Kernbankensystem abgebildet werden könnten. Wir denken auch über Software-as-a-Service-Angebote mit entsprechenden Möglichkeiten nach und arbeiten an den ersten Produkten.