Rechenzentrum
13.02.2008, 09:13 Uhr
Auslagern statt Ausbauen
Das Rechenzentrum der Dübendorfer Telekom-Providerin Netstream drohte aus allen Nähten zu platzen. Auch sollte die Ausfallsicherheit verbessert werden. Statt den eigenen Standort auszubauen, wurde ein Outsourcing beschlossen.
Alexis Caceda, CEO von Netstream: «Wir hatten klare Vorgaben, vor allem punkto Sicherheit und Verfügbarkeit, die vom Outsourcing-Provider zwingend erfüllt werden mussten.»
Marco Plüss ist freier Journalist in Ehrendingen.
Der steigende Energiebedarf moderner Rechenzentren entwickelt sich zur Achillesferse der gesamten IT-Branche. Anstatt wie derzeit knapp zehn Prozent könnten die Stromkosten bereits in wenigen Jahren bis zu 50 Prozent des gesamten IT-Budgets verschlingen. Dies rechnet Marktforscherin Gartner vor. Verschärft wird die Situation durch die stetig knapper werdenden Ressourcen in den Ballungszentren. Bereits sind mangelnde Stromversorgung und leistungsschwache Kühlsysteme die grössten Probleme, mit denen die Betreiber von Rechenzentren zu kämpfen haben. Schon 2009 könne die Hälfte aller weltweit betriebenen Rechenzentren mit der derzeit implementierten Technik die von den hochintegrierten Systemen geforderte Versorgung mit Strom und Kühlleistung nicht mehr stemmen, erklärt Michael Bell, Research Vice President bei Gartner. Ein ähnlich düsteres Bild zeichnet eine von Gartner unter den Teilnehmern der Veranstaltung «Operations and Management Summit 2007» durchgeführte Umfrage. Dieser zufolge planen 93 Prozent der mehr als 100 Umfrageteilnehmer einen Ausbau ihres Rechenzent-rums, respektive dessen Verlegung an einen anderen Standort. Gründe: Gestiegener Strombedarf und mangelhafte Kühlung.
Step by Step zur Lösung
Erster Schritt: Die Wahl des Standortes. Der grundlegende Schlüssel, um die Kosten für Strom und Energie in den Griff zu bekommen, ist die Wahl des richtigen Standortes. Gartner-Analyst Bell: «Down Town New York wäre eine krasse Fehlentscheidung. Die wichtigsten Entscheidungskriterien sind: Hochverfügbarkeit von Strom zu niedrigen Kosten und gemässigtes Klima, damit eine Aussenluftklimatisierung eingesetzt werden kann.»
Zweiter Schritt: Die Wahl der Gebäudeform. Höhe und Volumen des Rechenzentrums spielen bei der Kühlung eine grosse Rolle. Normale Büroräume etwa sind eine denkbar schlechte Wahl für ein stromfressendes Rechenzentrum. Laut Bell sind Lagerhausartige, ebenerdige Gebäude mit hohen Stockwerken ideal geeignet. Sie erlauben es, die Räume für optimale Kühlung aufteilen zu können. So könnten etwa Hotspots vermieden werden. Überdies rät Bell zur Kombination unterschiedlicher Klimatisierungstechniken (Luft, Wasser) in den verschiedenen Bereichen des Rechenzentrums, etwa in Zonen mit hochintegrierten Servern.
Der auf Geschäftskunden spezialisierte Schweizer KMU-Provider Netstream hat Bells Ratschläge befolgt. Zwar hat er kein eigenes, neues Rechenzentrum errichtet, sondern den Rechenzentrumsbetrieb ausgelagert. Doch er achtete bei der Wahl des Outsourcing-Partners auch auf die passenden Standortkriterien. Alexis Caceda, CEO von Netstream: «Unser Bedarf an Rechenleistung wuchs in den vergangenen Jahren kontinuierlich, am Firmenstandort in Dübendorf waren die Ausbaukapazitäten nahezu erschöpft. Zudem wollten wir aus Sicherheitsgründen räumlich getrennte Backup-Systeme realisieren. Deshalb entschlossen wir uns zum Outsourcing. Dabei war der Standort ein wichtiges Kriterium, insbesondere im Hinblick auf eine langfristig gesicherte Stromversorgung, auch bei steigendem Bedarf.»
Klare Anforderungen
Und auch die weiteren Anforderung an den künftigen Provider waren klar definiert. Neben der Stromversorgung legte Caceda höchsten Wert auf die Punkte physische Sicherheit, Standort nahe Zürich, Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit, Flexibilität und Zuverlässigkeit sowie Zertifizierung nach anspruchsvollen Kriterien. «Wir betreuen zahlreiche sehr anspruchsvolle Kunden. Daher sind wir speziell punkto Ausfallsicherheit, aber auch punkto Zertifizierung kompromisslos in unseren Erwartungen», hält er fest.
Mit diesem Anforderungskatalog gerüstet, evaluierte Netstream diverse Rechenzentrenanbieter in der Region Zürich. Die Wahl fiel auf das Glattbrugger Hochsi-cherheitsrechenzentrum von Interxion (Schweiz). Dessen Konzeption und Skalierbarkeit erlaube es, steigenden Ressourcenbedarf mittel- und langfristig sicherzustellen. Zudem habe der Provider überzeugend dargelegt, dass er rasch und flexibel auch auf unerwartete Problemstellungen reagieren könne, erklärt Caceda.
Und Interxion konnte noch weitere überzeugende Argumente ins Feld führen. So kann der Rechenzentrumsbetreiber Messdaten seiner technischen Systeme liefern, welche der Provider in sein Überwachungssystem einbinden kann. Dadurch wird die Sicherheit nachhaltig gesteigert. Zudem erfüllt das Dübendorfer Rechenzentrum die Outsourcing-Richtlinien der eidgenössischen Bankenkommission (siehe auch Fokus, CW 5/2008) und ist nach dem Suntone-Gütesiegel zertifiziert. Letzteres ist Teil einer branchenweiten Initiative von Sun Microsystems und wird an Unternehmen verliehen, die Bestleistungen in den Bereichen Infrastruktur, Betrieb, Hardware, Software, Storage und Sicherheit bieten. Bis heute haben sich mehr als 1500 Unternehmen für das Programm beworben, rund 160 wurden ausgezeichnet. Interxion hat - als bislang einziges Unternehmen - die Zertifizierung für alle europäischen Standorte erhalten.
Nachdem der Entscheid für Interxion gefallen war, begann der Umzug ins neue Rechenzentrum. Die Umsetzung sei, erklärt Caceda, dank der Erfahrung des Rechenzentrumsbetreibers reibungslos verlaufen. Und auch die hohen Sicherheitsbedürfnisse von Netstream wurden erfüllt.
So nimmt Netstream im Interxion-Rechenzentrum für das Hosting/Housing einen eigenen Käfig in Anspruch, welcher durch Trennwände von den Bereichen anderer Kunden abgegrenzt wird. Auch die Stromversorgung wird für jeden Kunden des Rechenzentrums individuell zur Verfügung gestellt. Einzig gewisse technische Infrastrukturen wie etwa Klimaanlage und Feuerlöschsystem werden mit anderen Kunden gemeinsam genutzt.
Checkliste
Das müssen Housing-Angebote leisten
Housing-Angebote sind genau unter die Lupe zu nehmen. Oft werden Äpfel mit Birnen verglichen oder die Motivation der Anbieter ist sehr unterschiedlich. Der Preis sollte nicht das einzige Entscheidungskriterium sein, vielmehr ist auf versteckte Risiken zu achten:
- Welche Flexibilität bietet die Lösung bezüglich Hardware, Betriebssysteme und Kommunikationsprovider?
- Haben eigene Mitarbeiter permanent Zutritt?
- Wie ist die Versorgungssicherheit bezüglich Energie und Klima (auch für zukünftige Anforderungen) sichergestellt?
- Welche Redundanzen bestehen bei den Kommunikationsanbietern?
- Zutrittsschutz und Gebäudeüberwachung?
- Sind die Rechenzentrumsflächen skalierbar?
- Wie ist es um die Bodenstatik bestellt?
- Besteht ein Angebot von Notfallarbeitsplätzen?
Zu den Unternehmen
Netstream und Interxion
Die 1998 gegründete Netstream betätigt sich als Telekom-Providerin im Geschäftskundenumfeld. Mehr als 25000 Privat- und KMU-Betriebe nutzen Dienste von Netstream in den Bereichen Internet, Festnetz, Mobilnetz, Hosting, Security, Streaming und Wholesale. Netstream beschäftigt 40 Mitarbeiter. Das Aktienkapital befindet sich zu 100 Prozent im Besitz der Verwaltungsräte Alexis Caceda, Reto Kasser und Dominik Breitenmoser. Die «Bilanz» kürte Netstream 2007 zum innovativsten Schweizer ISP.
Interxion ist Europas grösster Betreiber von Carrier-neutralen Datenzentren und Managed Services. Mit 22 Rechenzentren in Europa unterstützt Interxion mehr als 1000 Kunden, darunter Telekommunikationsgesell-schaften, Mobilfunkbetreiber, Internet Service Provider und natio-nale sowie multinationale Firmenkunden. Hinter dem Unternehmen steht eine internationale Investorengruppe mit Baker Capital, Residex, Bear Stearns, BNP Paribas.
Marco Plüss