21.11.2012, 09:04 Uhr
Wem gehören Social Media Accounts?
Die Frage, wem Social Media Accounts gehören, sorgt im Ausland derzeit für Schlagzeilen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer ziehen dort zur Klärung der Frage auch schon mal vor Gericht. Wie ist die Rechtslage in der Schweiz?
Oliver Staffelbach ist als Rechtsanwalt auf die Schwerpunkte Lizenz-, Internet- und Software-Recht spezialisiert. Christine Tramontano ist vorwiegend in denBereichen Gesellschafts-, Handels- und Vertragsrecht tätig. Beide arbeiten für die Zürcher Kanzlei Wenger & Vieli.
Laut einer kürzlich publizierten Studie nutzen zwei Drittel aller Staats- und Regierungschefs den Kurznachrichtendienst Twitter. Barack Obama ist einer der bekanntesten Tweeter, selbst Wahlkämpfe werden heutzutage unter Einbezug der sozialen Plattformen ausgetragen. Soziale Medien sind zu einer wichtigen Kommunikationsplattform geworden. Auch viele Schweizer Unternehmen haben das gemerkt. Die sozialen Plattformen sind für Unternehmen attraktiv, weil sie dort mit relativ geringem Aufwand ein sehr grosses Publikum erreichen. Die Friends, Follower und wie sie je nach sozialem Netzwerk jeweils heissen, werden über Neuigkeiten auf dem Laufenden gehalten, und die Unternehmen können mit geringem Aufwand in eigener Sache für sich werben. Der Rechtsstreit, der zurzeit vor den Gerichten in den USA ausgetragen wird, spielt sich zwischen der US-Firma PhoneDog Media und ihrem ehemaligen Mitarbeiter Noah Kravitz ab. Letzterer wurde auf 340'000 US-Dollar verklagt, weil er nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses insgesamt etwa 17000 Twitter-Follower «mitgenommen» hat. Noah Kravitz war laut PhoneDog Media für deren Twitter-Account verantwortlich. Als er das Unternehmen verliess, änderte er den Namen des Twitter-Accounts und führte diesen selbst weiter. Die ehemalige Arbeitgeberin macht geltend, dass sie beträchtliche Investitionen in die Führung des Accounts getätigt habe und die Follower als ihre Kunden anzusehen seien. Ein Entscheid der US-amerikanischen Gerichte steht noch aus und wird mit Spannung erwartet.
Fehlende gesetzliche Regelung
Die derzeitigen schweizerischen Gesetzesbestimmungen wollen nicht richtig zur oben genannten Problematik passen, und auch die Rechtsprechung der schweizerischen Gerichte enthält kaum Anhaltspunkte, die weiterhelfen. Nach schweizerischem Arbeitsrecht ist der Arbeitgeber am Arbeitsergebnis, das vom Arbeitnehmer hervorgebracht wird, berechtigt. Deswegen ist es zunächst einmal wichtig, die Frage zu beantworten, wozu der vom Mitarbeiter geführte Account dient. Wie verhält es sich beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer den fraglichen Account im Auftrag des Arbeitgebers führt und nur geschäftlich nutzt? Ist der Arbeitnehmer in diesem Fall verpflichtet, den Account herauszugeben? Auf der nächsten Seite: Was dem Arbeitgeber zusteht.
Was dem Arbeitgeber zusteht
Verpflichtet der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer, einen Account in sozialen Medien zu führen und dort regelmässig Beiträge zu schreiben, so wird dies als Teil des Aufgabenbereichs des jeweiligen Arbeitnehmers zu betrachten sein. Dies ist mittlerweile in einigen Betrieben gang und gäbe. Was der Arbeitnehmer in Ausübung seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit hervorbringt, gilt als Arbeitsergebnis und hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber herauszugeben. Denn wie bereits erwähnt, sieht das Gesetz vor, dass das Recht am Arbeitsergebnis dem Arbeitgeber zusteht – nicht dem Arbeitnehmer. Von den Arbeitsergebnissen erfasst sind gemäss Rechtsprechung der Schweizer Gerichte übrigens auch Kundenlisten. Kann man die sozialen Netzwerkkontakte als Kundenliste und damit als Arbeitsergebnis betrachten? Damit argumentiert zumindest PhoneDog Media im amerikanischen Prozess. Eine Kundenliste im herkömmlichen Sinn stellen Twitter-Follower oder Facebook-Friends nicht dar. Es bestehen aber durchaus triftige Gründe, auch soziale Medienkontakte als Arbeitsergebnis zu betrachten. Diese Kontakte entstehen nämlich aufgrund der Arbeitstätigkeit. Sie sind sozusagen ein Resultat dieser Tätigkeit. Wären die Berichte, die der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber verfasst, nicht interessant oder wären die Benutzer der sozialen Medien am Unternehmen selbst nicht interessiert, wären sie in der Regel auch nicht mit dem Unternehmen über soziale Medien verbunden. Zwar erhält der Arbeitgeber von einer Vielzahl seiner Kontakte keine direkten Einnahmen, wie dies normalerweise bei Kunden der Fall ist. Die Anzahl Kontakte, die ein Social Media Account aufweist, hat aber einen Einfluss auf die Bekanntheit und Beliebtheit des Unternehmens und dient als wertvolle Werbung. Insofern besteht ein naher sachlicher Bezug zu den herkömmlichen Kundenlisten, die wie erwähnt unstrittig als dem Arbeitgeber gehörendes Arbeitsresultat zu qualifizieren sind. Muss also beispielsweise ein Journalist, der bei einer Zeitung als Arbeitnehmer angestellt ist, auch regelmässig Neuigkeiten über soziale Medien berichten, so ist die Liste seiner Twitter-Follower oder Facebook-Friends als sein Arbeitsergebnis zu qualifizieren. Demgemäss ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber den entsprechenden Social Media Account herauszugeben. Auf der nächsten Seite: Wem gehören neue Follower und Friends?
Neue Follower und Friends
Der Arbeitgeber kann jedoch nicht verhindern, dass während dem ehemaligen Arbeitsverhältnis erlangte Follower dem Arbeitnehmer auf einen neuen eigenen Social Media Account folgen. Für ein solches Verbot besteht keine rechtliche Grundlage. Abgesehen davon wären derartige Aktivitäten des Arbeitnehmers auch von einem allenfalls bestehenden Konkurrenzverbot in der Regel nicht erfasst. Dieses greift nämlich dann nicht, wenn Personen dem Arbeitnehmer aufgrund von dessen besonderen, persönlichen Eigenschaften folgen, was bei Aktivitäten über einen neuen Social Media Account in der Regel der Fall sein wird. Das schweizerische Arbeitsrecht kennt in einem eingeschränkten Sinn auch das Verbot der Kundenabwerbung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Allerdings kann ein solches Verbot, wie es heute aus dem Gesetz hervorgeht, nicht auf Kontakte aus Social Media Accounts angewendet werden. Das Verbot verlangt nämlich unter anderem, dass es sich bei den Kundendaten um geheime Geschäftsdaten handelt, was bei Twitter-Follower und Facebook-Friends nicht der Fall ist. Mit dem Argument des Verbots der Kundenabwerbung würde der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer deshalb nicht durchdringen.
Was der Mitarbeiter mitnehmen darf
Wie verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer einen Xing-Account betreibt, auf dem er als Privatperson auftritt? Selbst wenn in einem solchen Fall ein gewisser Bezug zum Arbeitgeber besteht, hat dieser meist keine rechtliche Möglichkeit, den Account vom Arbeitnehmer heraus zu verlangen. Denn die in diesem Rahmen vom Arbeitnehmer geschaffenen Kontakte werden in der Regel selbst dann nicht als Arbeitsresultat im Sinne des schweizerischen Arbeitsrechts zu verstehen sein, wenn der Arbeitnehmer einen Teil seiner Kontakte auf Xing während der Arbeitszeit erlangt hat. In derartigen Fällen kann sich der Arbeitnehmer jedoch schadenersatzpflichtig machen. Bei anderen sozialen Netzwerken wie beispielsweise Facebook, Twitter oder LinkedIn gelten die gleichen Grundsätze. Auch hier ist zu prüfen, wie stark der Bezug zur arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers ist. Wird ein Facebook-Account, der im Namen des Arbeitnehmers registriert worden ist, beispielsweise nur für private Mitteilungen verwendet, wird ein Herausgabebegehren des Arbeitgebers chancenlos sein. Auf der nächsten Seite: Unklare Fälle und Handhabung in der Praxis.
Unklare Fälle
Im Alltag ist die Situation teilweise nicht so klar, wie sie in den vorstehenden Konstellationen geschildert worden ist. Bei Aktivitäten in sozialen Medien lässt sich bekanntlich längst nicht immer eindeutig feststellen, ob jemand als Arbeitnehmer oder als Privatperson handelt. Um in solchen Fällen zu bestimmen, wer am Account berechtigt ist, können folgende Fragen hilfreich sein: Hatte der Arbeitnehmer bereits einen bestehenden Account oder wurde dieser erst nach Antritt der Stelle errichtet? Wird der Account hauptsächlich zu Geschäftszwecken geführt oder eher privat genutzt? Wie viel Zeit steht dem Arbeitnehmer während der Arbeit zur Verfügung, um den Account zu nutzen? Auf welchen Namen lautet der Account? Ist beispielsweise der Name des Arbeitgebers darin enthalten? Wer bezahlt dafür? Auch die Klärung solcher Fragen führt nicht immer zu einer eindeutigen Rechtslage.
Handhabung in der Praxis
Um zu verhindern, dass es wie im Fall von PhoneDog Media vs. Noah Kravitz zu einer Rechtsstreitigkeit kommt, ist es empfehlenswert, dass der Arbeitgeber die Frage der Berechtigung an Social Media Accounts vertraglich regelt. Dies kann beispielsweise in Arbeitsverträgen oder Social-Media-Richtlinien erfolgen und geschieht am besten bereits bei der Anstellung des jeweiligen Arbeitnehmers. Damit Social-Media-Richtlinien für die Arbeitnehmer Gültigkeit erlangen, müssen sie diesen zur Kenntnis gebracht werden und ausdrücklich akzeptiert werden, indem sie beispielsweise im Arbeitsvertrag als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses genannt werden. Eine eindeutige Regelung sorgt für klare Verhältnisse und verhindert spätere Rechtsstreitigkeiten.