Business Engineering
30.06.2005, 10:26 Uhr
Transformation leicht gemacht
Globalisierung, Wettbewerbsdruck, IT-Modernisierung - die Tücken des Informationszeitalters stecken in jedem Winkel einer Organisation. Der harte Konkurrenzkampf führt dazu, dass unterschiedliche Unternehmensprozesse möglichst rasch an veränderte Begebenheiten angepasst werden müssen. Business Engineering spürt die Ungereimt-heiten zwischen operativem Geschäft und Unternehmens-prozessen auf.
Die Anpassung an die veränderten Geschäftssituationen ist eine permanente Herausforderung», bringt Professor Winter von der Universität St. Gallen die typische Problematik der Internet-Ära auf den Punkt. Globale Geschäftseinflüsse mit internationalen Partnernetzen, bestens informierte Kundschaft und nicht zuletzt ein erbittert geführter Konkurrenzkampf um die Gunst des Abnehmers führten dazu, dass unterschiedlichste Unternehmensprozesse möglichst rasch auf die veränderte Marktsituation adaptiert werden mussten. Häufig sorgten zudem teils schwer vorhersehbare Ereignisse wie Konsolidierungen, Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen, aber auch IT-Innovationen, für neue und teils ineffiziente Geschäftsabläufe. Um für die raschen Veränderungen des Informationszeitalters gewappnet zu sein, gelte es für kleine Firmen und grosse Konzerne gleichermassen, alle Geschäfts- und Produktionsprozesse sowie die unternehmensübergreifenden Abläufe Punkt für Punkt zu analysieren und je nach Bedarf neu an die Gegebenheiten anzupassen.
Das Grossreinemachen nach Business-Engineering-Manier setzt nach den Worten des Hochschullehrers jedoch vor allem -eines voraus: die analytische und systematische Vorgehensweise nach streng vorgegebener Methodik: Nur die durchgängige Transparenz, Disziplin und Nachvollziehbarkeit einzelner Schritte gewährleisten auch das reibungslose Zusammenspiel zwischen operativem Geschäft und permanenter Prozessoptimierung - das Business Engineering.
Mensch und Maschine
Ein Anfang der neunziger Jahre aus der Ingenieurswelt entwickeltes und im Laufe der Zeit immer weiter verfeinertes Geschäftsplanungsprinzip, das Business-Engineers zu Beginn eines Projekts zunächst eher grob in zwei gleich relevante Transformations-segmente zerlegen: Während sich eine so genannte harte Komponente auf rein fachliche Inhalte wie analytische Methoden und Modelle inklusive der Systementwicklung stützt, umfassen psychologische, kulturelle und politische Einflüsse auf das Unternehmen die weichen Bauteile, Fachjargon Change Management. Winter geht ins Detail: «Dazu zählen Human Factors wie Motivation von Mitarbeitern, Führungsqualitäten, Kommunikationskanäle und Machtverhältnisse». Allzu oft werde das Change Management nach den Worten des Professors allerdings zugunsten hastig implementierter IT-Lösungen unter den Tisch gekehrt und führe so zu Unstimmigkeiten und Konflikten in den Zuständigkeiten einzelner Mitarbeiter: «Business Engineering ist eine interdisziplinäre Vorgehensweise», die erst dann den gewünschten Erfolg zeige, wenn sie schrittweise in ein «unternehmerisches Gesamtkonstrukt» münde.
Motor, Getriebe und Chassis
Der fachliche Entwurf eines Business-Engineering-Engagements ist sehr detailliert und wird von den Experten der Unternehmensplanung streng per Handbuch in die drei Teilaspekte Strategie, Prozesse und Systeme zerlegt. Auf Strategieebene definieren Projektverantwortliche in einem ersten Schritt die Rolle der Organisation hinsichtlich Aspekten der Wertschöpfung. Jeder einzelne Geschäftsprozess lässt sich dabei anhand kritischer Erfolgsfaktoren wie Kunden- und Produktionsprozesse, Kernkompetenzen, Vertriebskanäle, Mitbewerber, Partner und Branding auseinander nehmen, so die Erfahrung von Thomas Gutzwiller, CEO der internationalen Unternehmensberatung The Information Management Group (IMG). Anhand dieser Methode ist es Business Engineers schliesslich möglich, eine grobe Strukturierung von Business-Prozessen vorzunehmen und so die optimale Positionierung des Unternehmens im Markt, hinsichtlich individueller Stärken und Schwächen, zu definieren.
Business Engineering: Transformation leicht gemacht
In einem Folgeschritt spezifizieren die Unternehmensplaner auf der Prozessebene erste Massnahmen und Verantwortlichkeiten für jeden einzelnen Geschäftsvorgang. Basierend auf diesem konzeptionellen Gutachten entsteht eine «perfekte» Organisation auf dem Papier, deren Prozesse wie Leistungen, Support und Personal sich überprüfen und gegebenenfalls neu konzipieren lassen. Nun sind Business Engineers in der Lage, technische Teilprozesse und personelle Aktivitäten mit Applikationen und Technologien zu verbinden. Eine Prozesslandkarte, die Prozessverantwortungen und sämtliche Interaktionen zwischen Prozessen und Prozesskunden dokumentiert, fungiert während des gesamten Projekts als planerischer Taktgeber.
Schrittmacher bei Hexal
Ein Schrittmacher, der auch den deutschen Pharmakonzern Hexal aus Holzkirchen während eines gesamten Business-Engineering-Projekts kontinuierlich begleitete. Der mit 6000 Mitarbeitern weltweit aktive Präparatehersteller sah sich während eines überdimensional starken Wachstums im Jahre 2003 mit einer überlasteten IT konfrontiert: «Die Applikationen waren nicht dafür ausgelegt, unsere Bedarfs- und Programmplanung, die Produktion sowie die Bereiche Vertrieb, Einkauf und Logistik über die gesamte Wertschöpfungskette zufrieden stellend zu unterstützen», begründet Klaus Czwalinna, Projektleiter beim bayerischen Generika-Anbieter, eine zusammen mit IMG umgesetzte Prozessoptimierung auf Basis des Business-Engineering-Ansatzes. Vor allem die Erweiterung des Produktsortiments und die damit einhergehende Erschliessung neuer Märkte und Produktionsstandorte hatten im Laufe der Zeit für hohe Lagerbestände und lange Planungsphasen für die Produktion gesorgt. Zudem fehlte es der Geschäftsleitung an der Übersicht über den Vertriebs- und den Fertigungsbereich sowie an transparenten Entscheidungsgrundlagen für das Finanzwesen und Controlling.
Czwalinnas vorläufiges Projektfazit:«Mit genauer Kenntnis unserer Abläufe konnten wir frühzeitig alle Problembereiche identifizieren». Ermöglicht wurde dies dem Manager zufolge mit Hilfe eines Blueprints, das alle Geschäftsprozesse haargenau dokumentierte und schliesslich zu einer so genannten Business Collaboration Infrastructure führte. Das Ziel: Die effiziente Integration der internen Lösungen und eine verbesserte Kommunikation mit bestehenden und neuen Kunden und Lieferanten: «Durch die Anpassungen werden nicht nur die Geschäftsprozesse abgedeckt, gleichzeitig lässt sich dadurch der Betrieb der integrierten Gesamtlandschaft mit nur zehn IT-Mitarbeitern bewerkstelligen», so das Resümee von Klaus Czwalinna.
Alexander Deindl