30.11.2006, 08:56 Uhr
Können IT-Berater das Business optimieren?
Noch vor zwei Jahren stand die Laborausrüsterin Tecan in Sachen IT vor einer Kluft zwischen Business und IT. Inzwischen sind mit einer klaren IT-Strategie Brücken gebaut worden.
Otto Winkler: «Gemeinsam bestimmen heute Business- und IT-Vertreter die IT-Strategie und definieren nach klaren Spielregeln die Prioritäten der globalen IT.»
Als Thomas Bachmann im Februar 2004 die Geschäftsführung bei der Männedorfer Tecan übernahm, befand sich das Unternehmen in einer Phase der Konsolidierung. Logistische Probleme, Währungseffekte, Lieferverzögerungen und regulatorische Probleme hatten Umsatz- und Gewinn-einbussen zur Folge. Der neue Chef musste möglichst schnell die Geschäftsentwicklung und die Effizienz der Organisation verbessern. Rasch war sich die Geschäftsleitung denn auch klar darüber, dass ihre Ziele nur mit einer eindeutigen IT-Strategie einer effizienten internen Informatik zu erreichen sind. Denn trotz bereits vollzogener IT-Modernisierung klaffte noch immer eine Lücke zwischen IT und Business.
Die Laborausrüsterin Tecan entwickelt, produziert und vertreibt mit rund 1050 Mitarbeitern Geräte und Anlagen zur Automatisierung von Laborarbeiten. Das 1980 in der Schweiz gegründete Unternehmen besitzt heute Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsstätten in Europa und Nordamerika. Als Global Player unterhält Tecan ein Vertriebs- und Servicenetz in 52 Ländern.
Da sich nur schon die Produktion auf die Schweiz, Österreich und USA verteilt, die Kunden aber weltweit tätig sind, besteht in Sachen IT eine hohe Komplexität, die von den Applikationen bis hin zu den Abläufen im Unternehmen selbst reicht. Zwar war bereits im Jahr 2004 das Warenwirtschaftssystem modernisiert und eine Software zur Verwaltung der Kundenbeziehungen implementiert worden, doch die Kluft zwischen Business und IT bestand weiter.
«Fachbereiche und die rund 40 Mitarbeiter der IT-Abteilung arbeiteten weitgehend unabhängig voneinander, und die Geschäftsprozesse und IT-Abläufe waren unzureichend aufeinander abgestimmt», erläutert IT-Chef Otto Winkler die damalige Situation. Allgemein habe man bei Tecan die IT nicht als Produktivitätsfaktor wahrgenommen. Ihr Beitrag zum Geschäftserfolg sei angezweifelt worden und Klarheit über die verursachten Kosten und die erbrachten Leistungen habe nicht bestanden, führt Winkler weiter aus.
Die IT ihrerseits sei chancenlos gewesen, wenn sie etwa eine zufriedenstellende Priorisierung der Businessanforderungen vornehmen wollte. Denn «übergreifende IT-Governance-Prozesse fehlten und das Business war nicht eingebunden», umreisst Winkler die Probleme.
Tecan holte sich im Oktober 2005 die Berater von CSC (Computer Sciences Corporation) ins Haus. Ihr Auftrag hiess, eine IT-Strategie zu entwickeln, die sich an den strategischen Erfolgsfaktoren der Geschäftsbereiche orientiert, erklärt der IT-Chef den Rückgriff auf die Berater. Die Wahl fiel auf CSC, weil sie mit dem «Fusion» genannten Service über eine geeignete Methode verfügt, Abhängigkeiten zwischen Geschäftsprozessen und IT-Funktionen darzustellen und strategische Potenziale in der IT eindeutig zu identifizieren, erklärt Winkler.
Am Anfang des Projekts stand eine präzise Bestandsaufnahme. In den ersten drei Wochen führte das Projektteam mit allen Organisationseinheiten intensive Gespräche, um die Bedürfnisse festzuhalten. Dabei wurde deutlich, wo Schwierigkeiten in Bezug auf die IT-Systeme, die Koordination zwischen IT und Business aber auch ganz allgemeine Probleme zu lösen sind. Es folgten gemeinsam formulierte Unternehmensziele, in denen die Erwartungen der einzelnen Einheiten definiert wurden. Hinzu kam ein Konzept, das differenzierte, wie die IT die Fachabteilungen optimal unterstützen kann und was dafür von der Business-Seite zu leisten ist. Anvisiert wurde dabei eine effektive Umsetzung der Strategie.
Können IT-Berater das Business optimieren?
Die Gespräche ergaben ein ernüchterndes Bild. So nutzte beispielsweise der Verkauf erst dann wirklich die IT, wenn ein Auftrag in die Produktion ging. Statt eines IT-gestützten Workflows, fanden wöchentlich Telefonkonferenzen statt. Dabei wurden dann auch die Prioritäten in der Produktion definiert. Es zeigte sich aber auch, dass Anwender fehlten, die das SAP-System gut beherrschen - sogenannte Power User. Tecan war diesbezüglich stark auf externe Mitarbeiter angewiesen, wodurch intern das Verständnis fehlte und IT-Lösungen nur in einer bestimmten Form und nicht anders realisiert werden konnten.
Im Anschluss an diese Bestandsaufnahme entwickelte CSC dann gemeinsam mit Tecan eine IT-Strategie mit generellen Richtlinien und Prinzipien, führt Winkler weiter aus. So wird Tecan künftig nur auf erprobte Techniken setzen, im Wesentlichen also auf bereits implementierte Standardapplikationen. Eine weitere nun festgelegte Grundregel besagt, dass für jedes Vorhaben zunächst eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt werden muss, die Auswirkungen auf die jetzt fest etablierte Prioritätenrangliste der IT-Projekte hat. Ab sofort ist zudem der Nutzen eines Projekts für das Business entscheidend für die Festlegung dieser Prioritäten. Und die Verantwortung für die Priorisierung liegt jetzt in einem IT-Governance-Board, das mit Business- und IT-Vertretern gemeinsam besetzt ist, also nicht mehr wie bisher einsam von der IT allein getragen wird. «So ist nun dieser Priorisierungsprozess endlich transparent für das Business, und notwendige Änderungen werden in diesem Gremium entschieden», resümiert der IT-Chef erleichtert. Und stellt klar, dass auf der Basis klar formulierter Ziele insbesondere auch in der Arbeitsatmosphäre zwischen IT und Business ein Stimmungsumschwung erreicht worden ist.
«Die frühere Kluft ist endlich überbrückt», sagt Winkler, «jetzt arbeiten IT-Mitarbeiter mit den Spezialisten der Fachabteilungen gemeinsam an Projekten, die der Unterstützung des Business dienen». So werden beispielsweise ab nächstem Jahr die Leads in das CRM-System (Customer Relationship Management) aufgenommen, was helfen wird, Klassifizierungen für konkrete Massnahmen der Betreuung potenzieller Kunden einzuleiten, erklärt Winkler die bereits absehbaren nächsten Konsequenzen aus der Strategiearbeit. Ausserdem werden per Anfang 2007 bereits ab Erstellen eines Angebotes die Daten vom CRM in das ERP-Produktionssystem (Enterprise Resource Planning) übertragen. Das hat zwar Schnittstellen zwischen dem SAP- und CRM-System erforderlich gemacht, doch sind so ab diesem Zeitpunkt alle Informationen vom Angebot bis zur Auslieferung zentral in einem System gebündelt und stehen sehr einfach von der Kunden- und Marktbearbeitung bis zum Reporting und den Analysen zur Verfügung.
Laut Winkler konnten darüber hinaus auch die Fertigkeiten der Anwender im Umgang mit komplexen Applikationen systematisch verbessert werden: «Es gibt nun Power-User auf der Business-Seite, die jederzeit konsultiert werden können und ihr Wissen weitergeben».
Um diese Resultate erzielen zu können, hat Tecan zur Ausbildung ihrer Mitarbeiter einerseits ein Schulungsprogramm ins Leben gerufen, in dem IT-Spezialisten die Power-User weltweit ausbilden. Und andererseits wurde eine E-Learning-Plattform für das Selbststudium und als Nachschlagwerk eingeführt, womit der zeitliche Aufwand flexibler gestaltet und der Trainingsaufwand erheblich reduziert werden konnte.
Winklers Fazit: «Nach nur sechs Monaten konnte CSC das Projekt Ende März 2006 mit der Verabschiedung der IT-Roadmap und einer Implementierten IT-Governance - als ersten Schritt für die Umsetzung und Verankerung der IT-Strategie - abschliessen. Das regelmässig zusammentretende IT-Governance-Board wird künftig die Verantwortung für die IT-Strategie und die Priorisierung der Projekte tragen.» Durch die deutliche Unterstützung von CEO Thomas Bachmann und mit der Methode «Fusion» verfüge Tecan nun erstmals über einen IT-Governance-Prozess, betont der IT-Chef.
Volker Richert