Krisen
30.06.2023, 11:03 Uhr
Resilienz in einer vernetzten Welt
Die Häufung von Krisen fordert die Widerstandsfähigkeit von Institutionen und Menschen heraus. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie diese damit umgehen, ohne dass wir rund um die Uhr von Krisen beherrscht werden.
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ging es mit der Schweiz steil bergauf. Es floss viel Geld in unser Land und vieles wurde aufgebaut, erweitert, modernisiert. Auch Strommangel war jahrzehntelang kein Thema und Energiekrise ein Fremdwort. Nun ist die Wirtschaft neben möglichen Stromausfällen mit zusätzlichen Herausforderungen wie unterbrochenen Lieferketten oder langen Lieferfristen konfrontiert. Hinzu kommt die totale Vernetzung im Rahmen der Digitalisierung. Was das für die ICT-Branche und die Schweiz bedeutet, wurde am Swiss Telecommunications Summit 2023 diskutiert.
Ist die Schweiz digital wirklich top?
Pierre Alain Schnegg (SVP-Grossrat Kanton Bern) nutzt in seiner aktuellen Funktion als Berner Gesundheits- und Sozialdirektor viele Vorteile der Digitalisierung. Ohne sie wäre es z.B. nicht möglich gewesen, die Coronakrise zu bewältigen. Was fehlt, ist die Nutzung von Echtzeitdaten mit digitaler Betreuung, um Patienten besser, schneller und preiswerter behandeln zu können. Hier gilt es, digitale Patientendossiers nach langen Diskussionen einzuführen. Die Infrastruktur besteht, denn 97 Prozent der Bevölkerung haben ein Smartphone und 96 Prozent einen Internetzugang. Problem sei die Trägheit der schweizerischen Demokratie, die nicht zum Tempo der Digitalisierung passe und schnelle Anpassungen verhindere, so Schnegg.
Ins selbe Horn bliess Peter Grünenfelder (Avenir Suisse, ab August Auto Schweiz), der grosse Defizite in der Aussenwirtschaftspolitik, der Energieversorgungssicherheit und der Digitalisierung ausmachte, welche die Resilienz des Schweizer Wirtschaftssystems schwächen. Hier sieht Grünenfelder Reformbedarf, um adäquat auf die Krisen reagieren und die Resilienz wieder zu stärken. Bei der Digitalisierung liegt der Staat deutlich zurück und bremst sie weiter. Zudem verschieben sich die Machtverhältnisse von den USA hin zum Wachstumsmarkt Asien. Besonders wegen China verändert sich die Weltlage massiv. Wie aber geht man mit Partnern um, die nicht die eigenen Werte vertreten?
Resilienz aus Sicht der Wirtschaft
Im Gespräch mit Moderator Reto Brennwald beleuchtete Christoph Aeschlimann (Swisscom) die Chancen und Herausforderungen einer vernetzten Welt. Nicht erst seit der Pandemie und der drohenden Strommangellage ist allen klar, dass ein funktionierendes Telekommunikationsnetz und die vielfältigen Services das Rückgrat einer erfolgreichen Schweiz bilden. Zwar treten jährlich rund 5000 kurze Stromausfälle auf und die Netze seien darauf vorbereitet. Problematisch wirken sich tagelange Ausfälle aus. Steigende Ansprüche an resiliente Netze und Services erzeugen zusätzlichen Druck.
In dauerhaft volatilen Zeiten ist Agilität ein klarer Wettbewerbsvorteil, findet Christian Keller (Amazon Web Services). Im Zentrum des Interesses steht dabei laut einer McKinsey-Studie die Cloud. AWS will in den nächsten Jahren knapp 6 Milliarden Franken in ein eigenes Rechenzentrum im Grossraum Zürich investieren. Dies wird voll redundant ausgelegt – nicht nur betreffend der Datensicherheit, sondern auch betreffend Stromversorgung oder möglicher Umweltkatastrophen wie Wassereinbrüche. Die Datenspeicherung in der Cloud sei nicht nur sicherer, sondern auch etwa 55 bis 75 Prozent energieeffizienter als eine lokale Datenspeicherung in eigenen Datencentern, sagte Keller.
Digitale Infrastrukturen sind tragende Pfeiler der modernen Gesellschaft. Entsprechend vielfältig sind die Bedrohungsbilder und hoch die Anforderungen an ihre Widerstandsfähigkeit, sagt Catrin Hinkel (Microsoft Schweiz). Nach ihrer Meinung ergebe es kaum Sinn, nach Krisen zum Ausgangspunkt zurückzukehren, weil die Situation vor der Krise eine andere sei als danach. Zunehmend im Zentrum der IT-Branche stehe die Cybersicherheit. So wurde die Ukraine etwa zwei Wochen vor Ausbruch der kriegerischen Angriffe zunächst via Web angegriffen. Dank Verlagerung und Sicherung der Daten in der Cloud konnte sie ihre Handlungsfähigkeit aber behalten.
5G
5G Campusnetz live@bern
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Telekommunikations-Infrastruktur. Die Unabhängigkeit der Netzbetreiber erhöht die Versorgungssicherheit und trägt zur Resilienz der Schweiz bei. Eine wichtige Rolle spielt dabei 5G, der die Leistungsfähigkeit der Mobilfunkversorgung weiter erhöht. Die Schweizer Bevölkerung nutzt bereits über 4,6 Millionen 5G-fähige Geräte wie Smartphones, Tablets oder Hotspots.
In der Begleitausstellung zum Event wurde erstmals ein «Privates 5G Netzwerk» von Nokia live präsentiert. Solche lokalen 5G-Netze können beispielsweise zur Versorgung einer Produktionsanlage oder einer Baustelle installiert und betrieben werden. Sie funktionieren unabhängig von den bestehenden Mobilfunknetzen und bieten den Unternehmen mehr Flexibilität bei hoher Sicherheit. Die dazu nötigen Frequenzen werden vom BAKOM ab Herbst in Aussicht gestellt, sagte ein Insider.