Kommentar
17.11.2010, 10:43 Uhr
E-Zürich - Gut gebrüllt Löwe?
Zürich soll das Silicon Valley Europas werden. Bis 2014 will sich die Limmatstadt als Top-ICT-Standort etablieren. Die Website der Initiative stammt aus dem Ausland – das passt nicht allen.
Als erster konkreter Schritt auf dem ambitionierten Weg zum europäischen Sillicon Valley wurde vor Kurzem das Webportal eZuerich.ch aufgeschaltet. Die Site hat die Berliner Firma Zebralog gestaltet. Darin wittert so mancher Eidgenosse einen handfesten Skandal. Zahlreiche User beschwerten sich im Forum von eZuerich.ch über diese Auftragsvergabe. Auch Schweizer Webdienstleister sind wenig erfreut darüber, dass ihnen ein Mitbewerber den lukrativen Auftrag vor der Nase weggeschnappt hat. Wegen dem Outsourcing ins benachbarte Ausland aber das gesamte Projekt in Frage zu stellen, grenzt an Realitätsverweigerung. Die IT-Branche ist einer der Globalisierungstreiber. Dass auch in Schweizer Läden die Preise für Hardware immer günstiger werden, ist nicht zuletzt Hungerlöhnen in Fernost geschuldet. Zahlreiche ausländische IT-Fachkräfte, die mit ihrem Know-how Schweizer Unternehmen bereichern, sind ein anderes Resultat von Globalisierung und grenzüberschreitendem Wirtschaften. Fakt ist, dass nationalstaatliche Grenzen in diesen Fällen für die überwiegende Mehrheit keine Rolle spielen. Dass nun wegen dem Auftrag an Zebralog die regionale Moralkeule geschwungen wird, in dem man Plädoyers für den heimischen Standort hält, mutet vor diesem Hintergrund seltsam an. Zumal auf eZuerich.ch die Bevölkerung direkt eingebunden ist. Das Stimmvolk darf via Webplattform mitbestimmen, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln Zürich zum europäischen Top-ICT-Standort avancieren soll. Schlussendlich braucht es aber mehr als blosse Willenskraft, um dieses Ziel zu erreichen. Zahlreiche Nachahmer haben in der Vergangenheit schon versucht, dem kalifornischen High-Tech-Zentrum den Rang abzulaufen. In letzter Konsequenz war keines der Projekte erfolgreich. Exemplarisch sei das so genannte «Silicon Alps» aus dem benachbarten Österreich erwähnt. Das südliche Bundesland Kärnten sollte Ende der 1990er-Jahre zu einem Musterstandort für Hochtechnologie werden. Was daraus geworden bist, beantwortet sich von selbst: Oder ist heutzutage jemandem «Silicon Alps» ein Begriff? Ob eZuerich ein ähnliches Schicksal ereilt oder ob das Projekt letztlich erfolgreich ist, wird von verschiedenen Faktoren abhängen: Dazu gehören etwa gut ausgebildete Menschen und Rahmenbedingungen, die Innovationen und kreative Freiräume ermöglichen. Welcher Nationalität die handelnden Personen angehören, kann und darf hierbei aber keine Rolle spielen.
Harald Schodl