Computerworld vor 30 Jahren
03.05.2019, 09:49 Uhr
Digitalisierung des Schweizer Konsums
Die Migros hatte schon früh mit elektronischen Kassen experimentiert. Im Jahr 1989 folgten Pilote fürs elektronische Bezahlen. Unterdessen digitalisierten Swissair, Kodak und Apple, berichtete Computerworld.
Migros und Coop setzten ab 1989 Barcodes und Computer in ihren Fillialen ein
(Quelle: Computerworld/Bettina Truninger)
Der Grossist Migros ist einer der weltweiten Pioniere des elektronischen Detailhandels. Schon Anfang der 1970er hatte die Genossenschaft zunächst in einer nachgebauten Filiale, anschliessend in einem Supermarkt in Greifensee einen Strichcode erfolgreich getestet. Die Barcodes und Scanner-Kassen waren gemeinsam mit dem Industriekonzern Zellweger Uster entwickelt worden. Bei der Einführung überholte die Schweizer allerdings eine Entwicklung des Computerkonzerns IBM: Der Weltmarktführer hatte den UPC (Universal Product Code) lanciert, der am 26. Juni 1974 erstmals verwendet wurde. Im Supermarkt der Marsh-Kette in Troy (Ohio) wurde eine Packung Kaugummi gescannt und für 67 US-Cent verkauft.
Die UPC-Variante für den kontinentaleuropäischen Markt folgte zwei Jahre später: EAN (European Article Number). Sie wurde auch in der Schweiz ausgerollt und ersetzte die Preisetiketten. Die Migros führte die Strichcodes in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre flächendeckend ein – und rüstete die Kassen mit Barcode-Scannern aus. Die Gründe waren kürzere Wartezeiten für die Kunden und weniger Tippfehler. Computerworld blickte im März 1989 hinter die Kulissen einer umgerüsteten Migros-Filiale.
Barcodes bei Migros und Coop
Die MMM-Filiale in Zürich Altstetten wurde komplett mit NCR-Technologie ausgerüstet, sprich EAN-Scannern, Kassensystemen und Waagen. Das komplette Sortiment von rund 85'000 Artikeln war in mehreren Kassenterminals gespeichert, aber nicht in allen. An einigen Satellitensystemen mussten die Produktbezeichnungen und Preise zuerst abgefragt werden, bevor der Kassiervorgang gestartet werden konnte. Das System hielt zusätzlich fest, wie hoch die Abverkäufe waren und welche Kassiererin (!) an welchem Terminal arbeitete. Von Kassierern berichtete Computerworld übrigens nichts. Allenfalls waren im Backoffice auch männliche Angestellte tätig, die den Filialrechner bedienten. Er war verbunden mit dem Zentralcomputer der Genossenschaft Migros Zürich, von dem aus sämtliche Artikeldaten übermittelt wurden. Auf dem Filialrechner arbeitete eine Oracle-5-Datenbank, die Artikeldaten an die Satelliten sowie Terminals verteilte und die Abverkäufe nachführte.
Futuristischer war ein Pilot von Coop Schweiz: Computerworld berichtete über ein Terminal mit einer «Bildplatte» (wir würden sie heute wohl schlicht CD-ROM nennen). An dem Computer konnten Konsumenten zum Beispiel recherchieren, welcher Wein zu einem Menü passt, welche Zutaten dafür erforderlich sind oder wie eine Verpackungsart korrekt entsorgt wird. Anschliessend liess sich der Einkaufszettel ausdrucken oder der Entsorgungsort anzeigen.