09.04.2009, 10:31 Uhr

Aufbruch in die Cloud

Pionier Salesforce wohnt schon seit zehn Jahren in der Cloud. Amazon (EC2) und Google (AppEngine) haben sich gemütlich darin eingerichtet. Auch grosse Elefanten wie IBM, HP und Microsoft lieben es auf einmal wolkig. Wie sicher und zukunfts­fähig sind die neuen Cloud-Computing-Angebote?
Cloud-Computing-Provider werben mit nahezu unbegrenzter Skalierbarkeit, magischer Flexibilität und extrem hoher Kosteneffizienz. Der Kunde konzentriert sich aufs Geschäft und bezahlt streng nach Verbrauch (pay as you go), um die Probleme kümmert sich der Provider - paradiesische Zustände.
Etwas sachlicher gehen die Forscher der US-amerikanischen Universität Berkeley an das neue Beschaffungsmodell heran. Wann und für wen lohnt sich Cloud Computing überhaupt? Die Wissenschaftler haben vor allem drei Zielgruppen ausgemacht, die von CC-Angeboten profitieren (vgl. «Above the Clouds: A Berkeley View of Cloud Computing»):
1 Unternehmen, in denen die Nachfrage nach einer IT-Dienstleistung starken Schwankungen unterworfen ist. Denn dadurch werden eigene Ressourcen abwechselnd über- oder unterlastet. Cloud-Computing-Anbieter dagegen passen sich dem aktuellen Bedarf an und rechnen stundenweise ab - nur was gebraucht wird, muss bezahlt werden.
2 Unternehmen, die in Märkten agieren, wo die zukünftige Nachfrage nur schwer kalkulierbar ist, zum Beispiel Start-ups.
3 Firmen, die nur von Zeit zu Zeit sehr rechen- und ressourcenintensive Aufgaben zu erledigen haben. Ein vereinfachtes Rechenbeispiel: Der eigene Server würde zur Bewältigung einer komplexen Business-Intelligence-Analyse 1000 Stunden benötigen. 1000 EC2-Server (Amazon Elastic Compute Cloud) schaffen das bedeutend schneller in nur einer Stunde.

Kosten-Nutzen-Analyse

Cloud Computing hilft, je nach Bedarf und vor allem schnell Kapazitäten herauf oder herunter zu fahren. Sind die angebotenen Dienstleistungen aber auch kostengünstiger, das heisst gewinnbringender als der Eigenbetrieb? Eine Gegenüberstellung von Gewinn und Kosten verdeutlicht die Zusammenhänge.
Welche Beschaffungsvariante erwirtschaftet mehr Gewinn? Mit dieser Gleichung (Grafik links) lässt sich das ausrechnen. Ist die Auslastung der eigenen Ressourcen gleich 1 (100-prozentige Auslastung), entsprechen sich beide Seiten der Gleichung. Typischerweise, so die Berkeley-Wissenschaftler, erreicht die Auslastung eines unternehmensinternen Rechenzentrums aber nur Werte zwischen 0,6 und 0,8. Dadurch erhöhen sich die Kosten im Eigenbetrieb und schmälern den Unternehmensgewinn pro User-Stunde. Selbst wenn die Kosten in der Cloud (KostenCloud) höher sind als im Eigenbetrieb (Kosten Eigenbetrieb), kann sich die Einführung von Cloud-Computing-Dienstleistungen durchaus noch lohnen.
Wahrscheinlich deshalb behauptet sich der US-amerikanische CC-Pionier Salesforce seit zehn Jahren erfolgreich auf dem internationalen Markt und hat vor einigen Monaten mit Force.com ein Platform-as-a-Service-Angebot eingeführt. Damit entwickeln Kunden eigene Business-Anwendungen, die Entwicklungsumgebung stellt Salesforce in der Cloud bereit. In der Schweiz gehören beispielsweise der Stromnetzwerkbetreiber Swissgrid, die Zürich Versicherungen, der GPS-Spezialist U-Blox und die Hotelfachschule Ecôle hotelière in Lausanne zum Kundenkreis des CC-Providers, der vor allem mit seinem Customer Relationship Management (CRM) gross geworden ist.
Auch die dicken Elefanten der Branche finden Gefallen an der Wolke. Microsoft betreibt mittlerweile auch in der Schweiz seine Business Productivity Suite als Onlineservice, wozu Exchange, Sharepoint, Office Live Meeting und Office Communications zählen. Pro User und Monat zahlen Kunden 22 Franken.

Windows Azure kommt Ende 2009

Mit Windows Azure beherrscht der Windows-Monopolist seit Monaten die Schlagzeilen, der offizielle Launch werde aber erst gegen Ende des laufenden Jahres erfolgen, sagt Microsoft-Produktmanagerin Anna Keller. Windows Azure (im Kern ein Windows-Server 2008 mit IIS 7.0 und .NET 3.5) sei dabei so etwas wie das
Betriebssystem der Cloud und eröffne Kunden einen sicheren Migrationspfad in die Wolke, erklärt Microsoft-Direktor Manuvir Das. Kunden entwickeln mit .NET, SQL und Live Services ihre Anwendungen selbst. Die Redmonder nutzen die Azure-Plattform aber auch, um eigene Applikationen bereitzustellen. Nach der Business Productivity Suite soll schon bald Dynamics CRM folgen.
HP hat Anfang April seine Cloud Assure gestartet. «Für uns ist Cloud Computing so eine Art Utility Computing 2.0, und damit haben wir jahrelange Erfahrung», sagt John Manley, Director Cloud Computing bei HP. Sicherheits- und Verfügbarkeitsbedenken will Manley durch klar definierte Service Level Agreements (SLA) aus dem Weg räumen, zu denen auch Vertragsstrafen gehören können, falls SLAs nicht eingehalten werden. Zum Serviceangebot von HP Cloud Assure gehören das Application Security Center, das Performance Center und das Business Availability Center, mit denen HP-Kunden auch die Performance und Verfügbarkeit von aus der Cloud bezogenenen Diensten testen können. «Die Cloud-Computing-Infrastruktur wird eine ganz neue Kategorie von Dienstleistungen ermöglichen», gibt sich Manley optimistisch.

Schweizer fürchten Kontrollverlust

Cloud Computing bringt handfeste Vorteile, trotzdem zögern Schweizer CIOs noch. 90 Prozent bringen ihren eigenen internen IT-Systemen mehr Vertrauen entgegen als Lösungen aus der Cloud, ergab eine Umfrage, die das Beratungsunternehmen Avanade Anfang dieses Jahres unter 500 IT-Managern in der Schweiz und 16 weiteren Ländern durchgeführt hat. Der Grund: Insbesondere für Schweizer hat Cloud Computing nicht nur Vorteile, sondern birgt auch hohe Risiken. Sicherheitsbedenken und die Angst davor, die Kontrolle über die eigenen Systeme aus der Hand zu geben, stechen in den Köpfen der CIOs die Vorteile aus. Nur 14 Prozent der Schweizer Firmen, die Cloud Computing noch nicht einsetzen, gaben an, es langfristig doch einmal probieren zu wollen. Aber nicht in den nächsten zwölf Monaten.
Sicherheit ist für Schweizer oberstes Gebot. Von Computerworld zum Thema befragt, setzt HP Director John Manley vor allem auf die Reputation und Seriosität eines grossen Anbieters mit langjähriger Erfahrung. Stimmt diese Einschätzung, werden es kleinere Anbieter wie die Zürcher Cirrus AG schwer haben, die Ende Juni mit einem Cloud-Computing-Angebot für SAP ERP 6.0 und Solution Manager 7.0 an den Markt geht.

Sicherheitstipp: Verschlüsselung

Ganz praktische Tipps zum Thema Sicherheit geben die Forscher der Universität Berkeley. Sie empfehlen neben virtuellen Local Area Networks (VLAN) den Einsatz von Verschlüsselungstechnologien. Verschlüsselte, in der Cloud abgelegte Daten seien dort wahrscheinlich sicherer aufgehoben als unverschlüsselte Informationen in einem lokalen, unternehmensinternen Rechenzentrum, meinen die Wissenschaftler.
Langfristig könnte für Cloud-Computing-Kunden aber ein ganz andere Gefahr virulent werden: die Datenfalle. Software-as-a-Service-, Platform-as-a-Service- und Infrastructure-as-a-Service-Angebote sind mehrheitlich noch proprietäre Lösungen (vgl. Beitrag ab S. 18). Provider sehen die Datenfalle daher als ein willkommenes Mittel zur Kundenbindung. Kunden aber finden das gar nicht gut, denn ihnen sind die Hände gebunden: Sie können nicht einfach den Anbieter wechseln, sollte der auf die Idee kommen, die Preise unverhältnismässig zu erhöhen.

Ausweg aus der Datenfalle

Der Fluchtweg aus der Datenfalle heisst Standardisierung. Damit ist es bislang aber noch nicht weit her. Unter anderem deshalb rechnet IT-Erfolgsautor Nicolas Carr mit einer Übergangszeit von 10 bis 15 Jahren, besonders mit Blick auf die grossen Unternehmen. Ob sich die gegenwärtige Wirtschaftskrise positiv oder negativ auf das Cloud-Computing-Geschäft auswirken wird, ist laut Carr noch nicht ausgemacht. Zwar können Unternehmen durch SaaS und Cloud Computing ihre (fixen) Kosten drastisch reduzieren. In Krisenzeiten agieren Unternehmen aber auch konservativer und seien eher nicht bereit, sich auf ein neues Beschaffungsmodell einzulassen.



Das könnte Sie auch interessieren