Unternehmenskommunikation
16.01.2019, 15:07 Uhr
Virtual Reality macht Meetings sexy
Mit virtueller Realität werden Online-Besprechungen und ihre Inhalte greifbarer. Ganz ersetzen werden VR und AR gestützte Meetings die klassischen Zusammenkünfte jedoch wohl nicht.
Videokonferenzen über WebEx, Skype for Business oder GoToMeeting versprechen Zeitersparnis, mehr Flexibilität und weniger Reisekosten. Doch Online-Meetings haben ihre Grenzen. «Das grösste Problem von Videokonferenzen in Unternehmen ist die starke Isolation, die man spürt», meint Christoph Fleischmann, Founder des VR-Plattformanbieters Arthur Technologies GmbH. Aufmerksamkeit, Kreativität und Produktivität der Teilnehmer seien nicht vergleichbar mit einem echten Meeting, wo komplexe Themen gemeinsam ausgearbeitet werden können.
Virtual Reality (VR) kann nach Ansicht von Fleischmann Abhilfe schaffen: «Virtual Reality ist die erste Technologie, die das Gefühl eines persönlichen Meetings ermöglicht, egal wo die Teilnehmer sich gerade befinden. Wir treffen uns gemeinsam in einem virtuellen Raum, empfinden uns und unsere Kollegen als präsent und können mit unseren Händen arbeiten, wie wir es ,in echt‘ machen. Die Kombination aus Immersion, Präsenz und natürlicher Interaktion macht die Zusammenarbeit in VR für Teilnehmer unglaublich produktiv und mitreissend.»
Fleischmann gibt praktische Beispiele für die Vorteile von Virtual Reality: «In VR zeichne ich auf Whiteboards, zeige mit meinen Händen auf Dokumente oder greife ein 3D-Modell eines Motorblocks und gebe es meinen Kollegen.»
Doch wo lassen sich diese Möglichkeiten am besten nutzen? Werden VR-Meetings bereits in der Praxis eingesetzt? Und bedeutet VR das Ende des klassischen Konferenz- und Messebesuchs?
Voraussetzungen
Die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an einem VR-Meeting sind gering. «Ausreichend ist ein handelsübliches VR-Headset und ein Rechner, der mindestens mit einer GTX-1080-Grafikkarte ausgestattet ist. Damit ist die gute Performance von VR-Sessions gewährleistet», erklärt Mathias Wochnig, CEO der vr-on GmbH, dem Anbieter von STAGE, einer Lösung für kollaboratives Arbeiten in Virtual Reality.
“VR-Meetings sind der nächste Entwicklungsschritt in der Unternehmenskommunikation.„
Selbst Teilnehmer ohne Headset müssen nicht ausgeschlossen werden: «Es gibt über Desktop-Viewer auch die Möglichkeit, mit regulären PCs an einem VR-Meeting teilzunehmen, allerdings ist dann natürlich die VR-Experience nicht vorhanden», so Mathias Wochnig.
Trotzdem ergibt es keinen Sinn, jedes Online-Meeting in eine Virtual Reality bringen zu wollen. «Grundsätzlich hängt es davon ab, wie man Online-Meetings definiert», stellt Boris Goldshteyn, CEO des VR-Plattformanbieters ALLVR GmbH, klar. «Sind es einfach nur Besprechungen, die man an einem virtuellen Tisch machen möchte, ist der Mehrwert eher gering. Möchte man Online-Meetings aber anhand bestimmter Use Cases beziehungsweise anhand bestimmter 3D-Objekte durchführen, indem man virtuelle Sachen präsentieren will, dann ist VR eine gute Möglichkeit.»
Auto ist Vorreiter bei VR
Nicht jede Branche setzt bereits VR in grösserem Umfang ein. «Zumeist benutzen es Unternehmen aus dem Automobil- und Industriebereich», erklärt Boris Goldshteyn. «Möchte man sich gemeinsam das Design eines Autos ansehen oder das Design eines Gebäudes, so ist ein solches kollaboratives Meeting sehr wertvoll.»
“Man sollte klar den Use Case definieren, für den man ein solches Meeting testen will.„
Boris Goldshteyn, CEO, ALLVR GmbH, www.allvr.net/de
Evelyn Weinert, Strategic Design & Communication bei Imsys, einem Anbieter von Advanced-Visualization-Lösungen, beschreibt den konkreten Einsatz so: «Industrieunternehmen nutzen VR-Meetings beispielsweise für ortsunabhängige Absprachen von der Entstehung einer Idee über virtuelle Machbarkeitsanalysen, Meilensteinbetrachtungen, Reifegradbewertungen, Design Reviews, Präsentationen bis hin zu Schulungen und Anleitungen zu Bedienungsabläufen auf Distanz. Dadurch können Entscheidungen und Absprachen spontan erfolgen. Dies fördert die regelmässige interdisziplinäre Kommunikation ergänzend zu realen Begegnungen.»
“Wir nehmen eine starke Nachfrage nach VR-Collaboration-Tools aus den unterschiedlichsten Bereichen der Industrie wahr.„
In der Automobilindustrie hat VR bereits Tradition. «VR wurde in Form von CAVE-Systemen in der Automobilbranche seit den 1990er-Jahren genutzt», so Mathias Wochnig von vr-on. «Der Nachteil ist, dass diese CAVEs die Anreise der Mitarbeiter an einen Ort erfordern, um sich gemeinsam in VR zu bewegen. Mit den Entwicklungen der Head-Mounted-Displays ist dies nicht mehr erforderlich. Sie lassen sich auch in kleineren Büroräumen installieren und weltweit miteinander vernetzen.» Wochnig sieht dies nicht auf die Automobilbranche beschränkt: «Unserer Erfahrung nach ist VR überall dort hilfreich, wo in der Planung bereits mit 3D-Daten gearbeitet wird, diese allerdings in der Kommunikation zweidimensional am Bildschirm präsentiert werden. Wenn nun ein interdisziplinäres Team über diese Designs, Layouts oder Prototypen diskutiert, ist es sehr hilfreich, sich diese 3D-Daten in einem dreidimensionalen Raum in echter Grösse anzusehen. Der Mensch verfügt nicht über das räumliche Vorstellungsvermögen, VR hilft, die Räume oder Objekte real zu erfassen.»
Für genau so einen Einsatz hat Wochnig ein Beispiel parat: «Ein Anlagenbauer, die Amproma GmbH, hat seine neun physischen Treffen mit dem Auftraggeber durch den Einsatz der Collaborations-Software STAGE auf zwei reduzieren können.» Wochnig weiter: «Wir sehen verstärkt Interesse auch bei kleineren Unternehmen und Mittelständlern, VR-Meetings zu nutzen.“
Mehr als nur Avatare
Wer als Privatnutzer bereits erste Erfahrungen mit VR gesammelt hat, der hat einen Eindruck davon, wie es ist, mit Avataren zu interagieren. Doch Business-Plattformen für VR-Meetings bieten deutlich mehr, wie das Beispiel der VR-Collaborations-Plattform STAGE zeigt. Der «Innovationspreis-IT»-Gewinner 2018 in der Kategorie Server/Virtualisierung hat folgende Leistungsmerkmale:
- Sprachkommunikation in Echtzeit
- Objekte, die es zu präsentieren gilt, sind veränderbar
- Definierte Moderator-Rolle
- Avatare der Teilnehmer haben Namensschilder
- Mit Screenshots und Annotationen können Entscheidungen festgehalten werden
- Die Entscheidungen werden digital dokumentiert und können an andere Systeme übertragen werden
- Rollen- und Rechtesystem für Befugnisse der einzelnen Teilnehmer
- Verschlüsselte Präsentationen, Datensicherheit
- Datenhoheit bleibt beim Ersteller der Daten
Virtual Reality und Augmented Reality (AR) kommen schon in vielen Firmen zur Anwendung. «Während VR noch immer sehr stark mit Entertainment-Angeboten verknüpft wird, hat AR vor allem im professionellen Einsatz schon sehr stark Einzug erhalten», erklärt Maik Herrmann, Vorsitzender der Fokusgruppe Virtual und Augmented Reality im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), der eine Umfrage unter Marketing-Experten zum Thema VR/AR durchgeführt hat. «Doch es zeichnet sich deutlich ab, dass beide Technologien in den allermeisten Unternehmen eine wichtige Rolle spielen werden.»
Die Möglichkeiten, VR- und AR-Technologien einzusetzen, sind vielfältig. Aus der BVDW-Umfrage vom Juli 2018 geht hervor, dass jedes zweite Unternehmen VR-Filme in 360 Grad bereits nutzt (27 Prozent) oder zu nutzen plant (23 Prozent). Nur jeder fünfte Befragte (20 Prozent) gibt an, dass sein Unternehmen diese nicht nutzt und das auch nicht infrage kommt. Realtime Information, also die klassische AR-Anwendung, die Informationen in Echtzeit in ein Live-Bild einspielt, nutzen zwar nur 13 Prozent der Unternehmen. Allerdings geben 29 beziehungsweise 38 Prozent an, dass ein Einsatz geplant oder für das Unternehmen spannend sei. Bemerkenswert: 54 Prozent der befragten Marketing-Experten sagen, dass 2018 sowohl VR als auch AR für die Unternehmensstrategie relevant sind.
Laut BVDW-Studie liegen die durchschnittlichen Budgets bei rund 70'000 Euro pro Jahr. «VR wie AR mussten sich als businesstaugliche Technologien erst beweisen – und das haben sie inzwischen eindrucksvoll. Hier werden schon bald ganz andere Budgets abgerufen werden», meint Maik Herrmann.
VR ergänzt Messe
Wer nun glaubt, sich in naher Zukunft den anstrengenden Weg durch Messehallen und zu Fachkonferenzen sparen zu können, irrt jedoch. «Wir sind überzeugt, dass reine Online-Messen den persönlichen Austausch zwischen Menschen nicht ersetzen können», unterstreicht Michael Melcher, Produkt- und Innovationsmanagement bei der Nürnberg Messe. Trotzdem sei Virtual Reality bereits Teil vieler Fachmessen. «VR- und AR-Anwendungen beeinflussen schon jetzt die Messeplanung und den -auftritt vieler unserer Partner, denn sie erweitern den analogen Messestand um eine digitale Dimension. Die Nürnberg Messe hat ihre erste eigens konzipierte VR-Anwendung auf der Fensterbau Frontale 2018 vorgestellt», so Melcher weiter.
Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt, sieht dies ähnlich: «Online-Messen sind kein Ersatz für Live-Begegnungsformate. Messen sind emotional verankerte Branchenbezugspunkte innerhalb der jeweiligen Communities. Unsere Aussteller und Besucher schätzen den direkten und echten Face-to-Face-Kontakt zum Austausch, zur Inspiration, zur Orientierung. Vertrauen als Basis für Geschäfte kann nur im persönlichen Miteinander aufgebaut werden.»
“Die Möglichkeiten von Virtual Reality nutzen wir beziehungsweise unsere Aussteller zunehmend (…), um das Messeerlebnis noch spannender zu machen und noch tiefer in Produktwelten einsteigen zu können.„
Daniela Mühlen, Geschäftsbereichsleiterin Kommunikation & Werbung bei der Messe Essen, www.messe-essen.de
Bei aller Digitalisierung stellt die Messe Frankfurt sogar fest, dass das Bedürfnis der Menschen nach Begegnungen im echten Leben zugenommen hat. «Erfahrungen und Erlebnisse mit allen Sinnen, sowohl zwischen Menschen als auch mit Produkten, können nur in Echtzeit gemacht werden», betont Marzin. Dies bestätigt Daniela Mühlen, Geschäftsbereichsleiterin Kommunikation & Werbung der Messe Essen GmbH: «Der persönliche, direkte Kontakt ist fest in der DNA von Messen verankert. Denn auch in Zeiten der Digitalisierung gilt, dass Geschäftsabschlüsse zwischen Menschen gemacht werden und auf vertrauensvollem Austausch beruhen.»
Projekte vorbereiten
Damit VR-Meetings erfolgreich eingesetzt werden können, sollten Unternehmen zuerst Erfahrungen mit VR sammeln. «Wichtig ist, dass der richtige Ansatz für die Erprobung von VR-Meetings gewählt wird», empfiehlt Christoph Fleischmann von Arthur Technologies. «In unseren Fällen starten wir in den Piloten mit einer Reihe vordefinierter Anwendungsfälle, die wir testen wollen, halten den Fokus aber bewusst recht offen und explorativ. Für manche Unternehmen ist das verständlicherweise etwas ungewohnt, allerdings ist es ein wichtiger Bestandteil, um das beste Ergebnis mit einer disruptiven neuen Technologie zu erreichen.»
«Setzen Sie sich ein klar definiertes Ziel, was Sie mit VR erreichen wollen», rät Mathias Wochnig von der vr-on GmbH. «Trommeln Sie Ihre motiviertesten Mitarbeiter zusammen, die Lust haben, die Zukunft Ihres Unternehmens mitzugestalten. Wenden Sie sich an Software-Anbieter, die bereits langjährige Erfahrung mit VR haben und Ihnen auch bei der Umsetzung zur Seite stehen. Nutzen Sie deren Potenzial. Lernen Sie durch Tun!»
“Die VR-Technologie ist schon viel weiter und potenter, als man denkt.„
Fazit & Ausblick
Trotz Microsoft Holoportation, Google VR und Facebook Spaces wird auch in Zukunft nur ein Teil der Konferenzen und Business-Meetings in Virtual Reality stattfinden. Klassische Online-Meetings und insbesondere persönliche Treffen werden weiterhin wichtig bleiben.
Der beste Beweis ist die «AWE EU», die Augmented World Expo, die im Oktober 2018 in München stattfand. Bei dieser Konferenz trafen sich VR-Experten aus aller Welt - persönlich und vor Ort wohlgemerkt.
Wichtig ist, dass Unternehmen jeweils überlegen, welche Ziele sie mit den Meetings verfolgen, und danach die Art des Treffens auswählen. Sicherlich sind nicht alle Treffen unter Avataren sinnvoll, aber es gibt für VR-Meetings durchaus schon brauchbare Anwendungen sowie professionelle Anbieter und Plattformen. Es lohnt sich, diese einmal selbst zu testen.