Gleichstrom erobert das Rechenzentrum
Open Source für Gleichstrom
Für eine Versorgung mit Gleichstrom sind RZs wie geschaffen. Aufgrund der Homogenität der Anforderungen seitens der ICT-Anlagen kommen Data Center im Vergleich zur sonstigen Industrie mit einer geringen Zahl an Spannungsniveaus aus. «Eine konsequente Verwendung der Gleichstromtechnologie im Rechenzentrum ist wirtschaftlicher und effizienter als die konventionelle Wechselstromtechnologie», urteilte bereits vor drei Jahren eine Studie von Amstein + Walthert im Auftrag des Schweizer Bundesamts für Energie BFE. Es fehlten zu dem Zeitpunkt aber noch technische Standards der Komponenten und Schnittstellen.
Inzwischen hat sich die Lage in diesem Punkt verbessert, auch dank Initiativen wie Open Compute Project (OCP) und Open19. Auch konkrete Produkte liessen lange auf sich warten. Doch mittlerweile boomt die Nachfrage. OCP ist ein Projekt zur Entwicklung quelloffener Hardware-Standards, um reibungslose Interoperabilität und massive Skalierbarkeit zu gewährleisten. Zu den treibenden Kräften zählen – neben Gründungsmitglied Facebook – Intel, Nvidia, Rackspace und Goldman Sachs. Deutsche Telekom, Rittal und Schneider Electric sind als Sponsoren mit an Bord.
Open19 Foundation
Während OCP vorrangig die Bedürfnisse von Hyperscale-Data-Centern berücksichtigt, geht es der Open19 Foundation um Rechenzentren beliebiger Grösse – von Rechenzentren mit mehreren Hunderttausend Servern bis hin zu Micro-Data-Centern an Edge-Standorten der Industrie 4.0.
Erklärtes Ziel der Open19 Foundation ist es, Ineffizienzen im Betrieb von RZs durch offene Spezifikationen und die Energieversorgung der Racks mit Gleichstrom auszumerzen. Zu den Mitgliedern zählen Microsoft, HPE, Rittal und Schneider Electric. Open19 definiert einen gemeinsamen Formfaktor sowie die Eckdaten der Stromversorgung und der Netzwerkkonnektivität für Server, Storage und weitere Komponenten. Anders als OCP legt die Open19-Spezifikation aber weder das Design von Mainboards noch die zulässigen Prozessortypen oder Netzwerkkarten fest.
Neue Racks für Gleichstrom
Im Rahmen von OCP und Open19 entstehen quelloffene Standards auf der Basis interoperabler Hardware-Architekturen zum Aufbau homogener, skalierbarer und energieeffizienter Rechenzentren. Zur Gewährleistung einer unterbrechungsfreien Energieversorgung kommen dabei als Rack-Systeme nur noch ein oder zwei sogenannte Power-Shelves mit (N+1-)Netzteilen pro Rack zum Einsatz; diese versorgen alle Komponenten im Server-Schrank mit Gleichstrom. Das Design reduziert den Platzbedarf, erhöht die Systemdichte und erleichtert die Kühlung.
OCP bevorzugt Schränke mit einer Breite von 21 Zoll, kann aber auch Standardkomponenten mit 19-Zoll-Formfaktor unterbringen. Open19 setzt auf die einheitliche Rack-Grösse von 19 Zoll. Ein OCP-Schrank wird nur von der Vorderseite aus bedient. Die Energieverteilung erfolgt auf der Rückseite des Racks via 12-Volt- oder 48-Volt-Stromleiste, die beim Einschub einer IT-Komponente automatisch Kontakt mit dieser aufnimmt. Ein Open19-Rack wiederum verfügt über einen speziellen Kabelbaum auf der Rückseite.
Fazit: Entwicklung spricht für Gleichstrom
Durch Umstellung auf Gleichstromtechnik können RZ- Betreiber den Energiekosten Einhalt gebieten. Erste Erfolge zeichnen sich ab. Zwar ist die erstmalige Umrüstung eines RZs mangels etablierter Standards mit Aufwand verbunden, doch kommen die Effizienzgewinne durch Wegfall der Wandlungsverluste dem Betreiber danach zugute.
OCP hat hierzu bereits konkrete Zahlen: Ein mit Wechselstrom betriebenes RZ erreicht danach eine Systemeffizienz von 77 Prozent. Ein RZ mit 400 Volt Gleichstrom nach OCP-Vorgaben würde die 90-Prozent-Marke durchbrechen und 16,8 Prozent Systemeffizienz gewinnen. Gleichstrom-RZs und -Racks halten nicht nur bei Hyperscalern, sondern auch in kleineren Rechenzentren Einzug. Das schlägt sich auch in Umsatzzahlen nieder. Laut dem Marktforschungsunternehmen IHS Markit haben Mitglieder der OCP-Foundation 2018 mit quelloffener Rechenzentrumsausrüstung 2,5 Milliarden Dollar US-Umsatz erwirtschaftet.