Schweizer Firmen 05.12.2013, 16:13 Uhr

Geschäft mit Big Data

Start-ups und auch etablierte Unternehmen in der Schweiz nutzen riesige Datenbestände für neue und alternative Geschäfte. Unter anderem Coop und eine Privatbank setzen auf Big Data.
Tim Llewellynn von nViso analysiert Gesichtsausdrücke für Werbekampagnen
Big Data hat oftmals ein grosses Problem: Die riesigen Bestände verleiten dazu, sich in dem Wust der Informationen zu verlieren – quasi den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Deshalb lautet ein Rat der Experten: Beginne ein Big-Data-Projekt mit einer konkreten Fragestellung und einer begrenzten Datenmenge. Wenn sich anhand des Pilots ein Geschäftsvorteil ergibt, kann sukzessive die Erweiterung angegangen werden. Eine alternative Herangehensweise nutzen Start-ups: Sie bauen ihr Geschäftsmodell auf Big Data auf. Zwei Schweizer Unternehmen zeigten neue Anwendungen an der Konferenz «Algorithmus- Tages-Anzeiger Forum» am Mittwoch in Zürich. Squirrohat sich auf das Verknüpfen von strukturierten und unstrukturierten Informationen spezialisiert. Marktforscher gehen heute davon aus, dass nur 20 Prozent der Geschäftsdaten in Unternehmen von Maschinen lesbar ist. Die übrigen 80 Prozent sind unstrukturiert, so dass sie nicht automatisiert verarbeitet werden können. Beispiele sind in separaten Dateien gespeicherte Dokumente, gescannte Korrespondenz und eine Twitter-Konversation mit Hashtag. Hier will Squirro etwa negative sowie positive Reaktionen bei Twitter auf eine Unternehmensübernahme aussortieren und bis ins Detail aufschlüsseln können. Nach den Worten des Gründers und CEOs Dorian Selz ist ein anderes Beispiel eine Lebensläufe-Datenbank. Durch den Abgleich mit Anforderungsprofilen soll die Technologie den optimalen Kandidaten identifizieren können. Tim Llewellynn, Mitbegründer und CEO von nViso, nutzt Live-Bilder zum Beispiel von einer Webcam für die Stimmungsidentifikation von Usern. Dafür analysiert die nViso-Technik unter anderem den Gesichtsausdruck, unbewusste Bewegungen der Gesichtsmuskeln sowie auch Augen- und Kopfbewegungen auf. Bei der Wirksamkeitsmessung von Werbeeinblendungen oder auch in bei Usability-Tests will sich nViso bewährt haben. In der Praxis kann sich die Cloud-Anwendung schnell rechnen: Umfragen belegen, dass emotionale Kampagnen zu 31 Prozent wirken, rationelle dagegen nur zu 16 Prozent, erklärte Llewellynn. Nächste Seite: Coop und Private Banking
Mit der Supercard sammelt Coop viele Kundendaten. Unterdessen hat der Grossverteiler rund eine Million Supercard-Kunden, die der Auswertung und persönlichen Mailings per AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) zugestimmt haben, sagte Thomas Schwetje. Der Leiter Marketing/Services bei Coop betonte, dass die Kunden gezielt mit Werbung versorgt, aber nicht diskriminiert werden. «Bei einem Einkauf via Coop@home bekommen die Verbraucher ihre 30 beliebtesten statt der 22'000 insgesamt verfügbaren Produkte angezeigt», nannte Schwetje ein Beispiel. Allerdings gäbe es auch Grenzen von individualisierten Anzeigen. «Wenn der Wettbewerb eine Woche vorher eine ähnliche wie die geplante Aktion gestartet hat, nutzen alle schönen Datenanalysen nichts», gestand der Marketing-Manager. Dann sei für Werbemassnahmen das Bauchgefühl oftmals der beste Berater.

Big Data plus Avaloq

Noch in den Anfängen steckt das Big-Data-Projekt der Privatbank Coutts & Co. Laut Martin Thurnham sind sich die Verantwortlichen in London allerdings bewusst, dass sich auch das Geschäft mit wohlhabenden Kunden im Zeitalter allgegenwärtiger Computer verändern wird. In den fünf nächsten Jahren seien bis zu 40 Prozent der Umsätze in Gefahr. Gründe seien erstens neue Anbieter wie PayPal (15 bis 20 Prozent), zweitens branchenfremde Wettbewerber (5-10 Prozent) und drittens der allgemeinen Margendruck (10 Prozent). Durch den gezielten und verstärkten Einsatz von Computern und Software wollen die Bank-Strategen Einsparungen von bis zu 25 Prozent realisieren. Welche Technologien bei Coutts & Co. künftig zum Einsatz kommen werden, verriet Thurnham an dem Anlass nicht. Die Bank ist bekannt dafür, auf die Kernbankenlösung von Avaloq zu setzen. Dem Produkt fehlten allerdings Funktionen für die Aggregation oder die Analyse der strukturierten Echtzeitdatenströme, so der Manager. Die in London domizilierte Bank plane unter anderem, Informationen aus dem soliden Kernbankensystem mit anderen Datenquellen wie dem Internet zusammenzubringen.



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