Interview mit Jon Fanzun, Swico 17.10.2024, 10:16 Uhr

«Attraktivität der ICT-Branche erhöhen»

Jon Fanzun, der neue Geschäftsführer des nationalen ICT-Branchenverbandes Swico gilt als gewandter Praktiker mit diplomatischem Geschick und tiefgreifenden Kenntnissen in der digitalen Politik. Was steht bei ihm auf der Agenda?
Die Fülle an Themen ist gross. Jon Fanzun ist als neuer Geschäftsführer von Swico gefordert.
(Quelle: Swico/Thomas Entzeroth)
Swico stehe für Innovation und Nachhaltigkeit, zwei essenzielle Säulen der modernen Wirtschaft, sagt Jon Fanzun. Der neue Geschäftsführer des Branchenverbandes kommt aus dem Engadin, hat an der HSG internationale Beziehungen studiert und verfügt über ein Doktorat der Staatswissenschaften. Diplomatisches Geschick und vernetztes Denken sind offensichtliche Stärken des neuen Mannes an der Swico-Spitze. Eigenschaften, die ihm bei seinen Aufgaben sicher zugute kommen.
Computerwoche: Herr Fanzun, das Thema Fachkräftemangel – insbesondere in der ICT-Branche – ist ein Dauerbrenner. Wie engagiert sich Swico in diesem Problemkreis?
Jon Fanzun: Swico hat mehrere konkrete Schritte unternommen, um die Attraktivität der Schweizer ICTBranche
für Fachkräfte zu erhöhen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Im Zentrum dieser Bestrebungen stehen die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Bildung und Wirtschaft sowie die Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen, damit diese im internationalen Wettbewerb bestehen.
CW: Wie sieht das konkret aus?
Fanzun: Swico hat ein umfassendes Positionspapier zum Thema Künstliche Intelligenz erarbeitet, um die Chancen und Herausforderungen dieser Technologie zu adressieren. Wir wollen sicherstellen, dass die Schweiz die Potenziale von KI optimal nutzt, ohne durch übermässige Regulierung ausgebremst zu werden. Dieses Positionspapier dient als Orientierungshilfe für politische Entscheidungsträger und soll gewährleisten, dass die Stimmen von über 750 etablierten Unternehmen der Digitalisierungsbranche gehört werden. Unsere Forderungen zielen darauf ab, Innovation zu unterstützen und gleichzeitig die Risiken der Technologie verantwortungsvoll zu managen. Die Auseinandersetzung mit KI zeigt, wie neue Technologien nicht nur bestehende Berufsfelder transformieren, sondern auch neue schaffen, was den Talentpool zusätzlich bereichert.
Ausserdem ist die Förderung des dualen Bildungssystems ein zentraler Bestandteil unserer Bemühungen. Als Co-Projektträgerin unterstützen wir Initiativen wie ICTskills2025, die junge Talente frühzeitig in die Branche einbinden und ausbilden. Gerade die Entwicklung im KI-Bereich erfordert gut ausgebildete ICT-Fachkräfte. Dazu ein Beispiel: Der Lehrgang Web Project Manager bildet Fachkräfte aus, die sowohl IT-Projekte leiten als auch die technische Infrastruktur verstehen. Absolventen dieses Programms sind nicht nur kompetente Projektleiter, sondern auch versierte Verhandlungspartner für IT-Anbieter. Dieses Skillset ist in allen Branchen gefragt, da Unternehmen zunehmend auf digitale Projekte angewiesen sind. Swico ist als Organisation der Arbeitswelt für die Lerninhalte und Ausbildungsziele verantwortlich. Mit unseren Massnahmen wollen wir die Schweiz als globalen Vorreiter in der digitalen Transformation positionieren.
CW: Sie befürworten also die Kooperation zwischen Schweizer ICT-Unternehmen und Bildungsinstitutionen?
Fanzun: Genau, Swico sieht in der engen Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen einen entscheidenden Hebel und will die Ausbildung besser an die Anforderungen des Arbeitsmarkts anpassen. Ein gelungenes Beispiel dafür ist die Partnerschaft zwischen der ETH Zürich und dem Busbauer Hess, bei der praxisorientierte Forschungsergebnisse direkt in industrielle Anwendungen einfliessen. Studierende arbeiten hier an realen Projekten und sammeln wertvolle Erfahrungen. Solche Kooperationen will Swico weiter fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass Hochschulen und Unternehmen stärker zusammenarbeiten und gemeinsame Projekte entwickeln. Initiativen wie das Crypto Valley in Zug zeigen, wie diese Synergien funktionieren können. Dort arbeiten Start-ups, etablierte Unternehmen und Hochschulen Hand in Hand an der Entwicklung neuer Technologien. Solche Plattformen sichern nicht nur die Ausbildung praxisnaher Talente, sondern stärken auch die Innovationskraft der gesamten Branche.
CW: Hand aufs Herz, viele KMU in der Schweiz haben noch ganz andere Sorgen. Was unternimmt Swico, um diese zu stärken?
Fanzun: Swico hat klare Massnahmen definiert, um kleine und mittlere ICT-Unternehmen in der Schweiz zu stärken und sie gegenüber grossen globalen Playern wettbewerbsfähig zu halten. Wir setzen uns für die Förderung von Innovationsräumen wie dem Switzerland Innovation Park Basel Area ein, der KMUs und Start-ups Zugang zu modernster Technologie und globalen Netzwerken bietet. Wir sind gegen ein sogenanntes «Swiss Finish» in der Regulierung, das über die Vorgaben der EU hinausgeht und zusätzliche Hürden schafft. Swico plädiert für einen prinzipienbasierten Ansatz, der Flexibilität ermöglicht und KMUs die Freiheit gibt, ihre Innovationspotenziale voll auszuschöpfen. Eine übermässige nationale Regulierungsdichte würde gerade für kleinere Unternehmen administrative Lasten schaffen, die deren Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt behindern.
CW: Wie beurteilen Sie die politischen Rahmenbedingungen zur Sicherung des Wachstums der ICT-Branche in der Schweiz?
Fanzun: In Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern beziehen wir klar Position zu industrierelevanten Themen. Systematisch beobachten wir alle politischen Geschäfte, welche für die ICT-Branche jetzt oder in Zukunft von Belang sind und nehmen Stellung gegenüber dem Parlament, der Bundesverwaltung und der Öffentlichkeit. Wir setzen uns dafür ein, dass der Gesetzgeber einen flexiblen, innovationsfreundlichen Rahmen schafft. In regulativen «Sandboxes» können Unternehmen neue Technologien wie künstliche Intelligenz oder Blockchain zunächst in einem kontrollierten Umfeld testen, bevor verbindliche Regulierungen greifen. Dies gibt den Unternehmen die nötige Freiheit, neue Ideen zu erproben, ohne durch administrative Hürden ausgebremst zu werden. Schliesslich stellt uns auch die Demografie vor Herausforderungen, Stichwort Fachkräftemangel. Wir müssen zum einen das inländische Potenzial besser ausschöpfen, namentlich bei Frauen, und steuerliche Anreize richtig setzen sowie bezahlbare familienergänzende Strukturen bereitustellen. Das wird aber nicht reichen, weshalb wir uns auch um ausländische Talente bemühen müssen. Hier müssen wir uns dem internationalen Wettbewerb stellen. Von zentraler Bedeutung für den Standort Schweiz sind schliesslich geregelte und stabile Beziehungen mit der Europäischen Union.
Zur Person
Jon Fanzun
ist Geschäftsführer von Swico. Als Sondergesandter für Cyberdiplomatie vertrat er international die Interessen der Schweiz. Davor war er persönlicher Mitarbeiter zweier Bundesräte und zuletzt Generalsekretär der FDP Schweiz. Fanzun hat internationale Beziehungen studiert und ist promovierter Staatswissenschaftler.



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