Tool oder Lebenshilfe?
27.10.2021, 15:03 Uhr
Todoist: Gelassenheit statt Stress
Wenn Ihnen bei der Arbeit das Wasser bis zum Hals steht, kann Todoist Ihr Leben verändern. Ein Leitfaden.
Todoist sorgt für die richtigen Prioritäten
(Quelle: NMGZ/Screenshot)
Die Frage «Wie geht es dir?» wird oft mit einem Klassiker beantwortet: «Ich bin voll im Stress, wir haben brutal viel Arbeit!» Das legt nahe, dass die Themen Stress und Arbeit zusammengehören. Doch dem ist nicht so. Wer in seiner Arbeit aufgeht und sie liebt, kann bis zum Umfallen schuften und sich gleichzeitig motiviert und enthusiastisch fühlen.
Echter Stress ist ein Synonym für Angst – etwa die Angst, andere zu enttäuschen oder seiner Aufgabe nicht gerecht zu werden. Doch vor allem ist es die Angst vor Kontrollverlust. Wenn Sie vor lauter kleinen und grossen Aufgaben die Übersicht verlieren und nicht mehr wissen, wo Ihnen der Kopf steht, dann entgleitet Ihnen die Kontrolle – und daraus entsteht das Gefühl, das uns schlaflos macht.
Die gute Nachricht: Dagegen gibt es ein Mittel. Zwar kann Sie keine Software der Welt von Ihren Verpflichtungen entbinden. Aber einige Programme leisten unschätzbare Dienste, wenn es darum geht, Aufgaben zu überblicken und zu kanalisieren. Dadurch behalten Sie zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle. Vielleicht zeigt Ihnen die Software aber auch, dass ein Pensum unmöglich zu schaffen ist. Dabei handelt es sich nicht um eine Kapitulation, im Gegenteil: Es ist nur die wichtige Erkenntnis, dass etwas zurechtgebogen, verschoben oder delegiert werden muss.
Getting Things Done
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, seine Arbeit zu organisieren, etwa mit Notizblock und Haftnotizen. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Methode «Getting Things Done» (kurz: GTD) breitflächig durchgesetzt. Etwas salopp übersetzt bedeutet dieser Leitsatz «Bekomme dein Zeugs erledigt». Dabei handelt es sich um eine Methode zum Selbstmanagement, die vom US-amerikanischen Trainer und Berater David Allen entwickelt wurde. Natürlich wird um diese Lehre ein ziemliches Aufheben gemacht: Es gibt zertifizierte Schulungen, Bücher und Seminare und erinnert deshalb an Tupperware, Thermomix und die Weight Watchers.
Dessen ungeachtet basieren mehrere Programme auf dieser Methode. Wir sehen uns das Verfahren anhand der Software Todoist an, die als eine der besten GTD-Lösungen überhaupt gilt. Todoist unterstützt alle Plattformen von Rang und Namen. Mit der kostenlosen Version prüfen Sie zumindest das Wasser – aber vielleicht reicht Ihnen das bereits. Über diese Seite bei Todoist finden Sie die Links zu allen Version für Macs, PCs, iOS- und Android-Geräte.
Erstkontakt
Die Anmeldung ist schnell erledigt. Öffnen Sie die Website todoist.com/de. Klicken Sie auf die grosse rote Schaltfläche «Jetzt loslegen» und wählen eine Form der Anmeldung. Anschliessend erhalten Sie eine E-Mail zur Bestätigung.
Das Gratis-Angebot von Todoist ist bemerkenswert grosszügig. Nach der Anmeldung werden die Daten in der Todoist-Cloud gesichert und mit allen verbundenen Geräten synchronisiert. Änderungen werden meistens in wenigen Sekunden synchronisiert. Dank Smartphones kann Todoist allgegenwärtig sein – und das ist ein Teil des Erfolgsrezeptes, wenn es darum geht, jede Aufgabe sofort zu erfassen. Dazu gleich mehr.
Nach der Anmeldung sehen Sie Todoist so aufgeräumt, wie es später nie mehr der Fall sein wird. Die unverzichtbaren Elemente «Eingang», «Heute» und «Demnächst» finden Sie oben links (Bild 1) (A). Weiter unten sehen Sie die «Projekte» (B), also die grossen Brocken: Ein Projekt kann sich mit dem Bau eines Hauses beschäftigen oder der Ferienplanung widmen. Es kann sich auch um eine simple Einkaufsliste handeln, die Sie mit Ihrem Partner teilen. Ihre Entscheidung.
Die «Etiketten» (C) bündeln ähnliche Aufgaben, ohne die bestehende Struktur zu zerstören. Wenn Sie Anrufe am liebsten früh hinter sich bringen, versehen Sie diese Aufgaben mit dem Etikett «Anruf», damit sie in diesem Bereich angezeigt werden – ganz egal, zu welchem Projekt sie gehören. Und schliesslich helfen die «Filter», (D) Aufgaben nach gemischten Kriterien zu bündeln – etwa alle Abklärungen, die in den nächsten drei Tagen erledigt werden müssen.
Das Wichtigste zuerst
Die GTD-Methode funktioniert nur, wenn Sie sich den Spielregeln geradezu unterwerfen, denn einige Dinge sind nicht verhandelbar. Die wichtigste Regel lautet: Erfassen Sie jede Aufgabe, sobald Sie damit konfrontiert werden – also bevor sich die Erinnerung daran verflüchtigt. Es spielt keine Rolle, ob Sie am Samstag das Auto waschen, Brot kaufen oder ein fremdes Land erobern möchten: Jede neue Aufgabe muss ohne Umschweife in Todoist erfasst werden.
Öffnen Sie dazu den Bereich «Eingang». (Bild 2) (A) Klicken Sie auf «Aufgabe hinzufügen» (B), um eine neue Aufgabe zu erfassen. Ignorieren Sie fürs Erste die Symbole und Optionen, die Ihnen angeboten werden. Drücken Sie die Return-Taste, um den Eintrag abzuschliessen. Einen neuen Eintrag erstellen Sie ausserdem mit einem Klick auf das Pluszeichen (C).
Tipp: Unterbrechen Sie jetzt die Lektüre und füllen Sie den Eingang mit allen Pendenzen, die Ihnen gerade einfallen – selbst wenn einige noch so belanglos scheinen. Auch die Trennung zwischen den privaten Angelegenheiten und dem Geschäft gibt es nicht, denn wir haben alle nur ein Leben.
Bereits jetzt werden Sie spüren, wie die Kontrolle zurückkehrt. Wenn Ihnen das nächste Mal eine Aufgabe zuteilwird, zücken Sie sofort das Smartphone und legen einen neuen Eintrag an. Das können Sie in der App erledigen, aber je nach Gerät reicht es, das Todoist-Symbol auf dem Home-Bildschirm ein wenig länger zu drücken, wie etwa auf dem iPhone:
Ab heute wird alles anders!
Die zweite wichtige Änderung betrifft den Tagesablauf. Einen Arbeitstag gestalten Sie nach eigenem Gutdünken, aber er sollte immer auf dieselbe Weise beginnen: Öffnen Sie den «Eingang» von Todoist auf dem Gerät Ihrer Wahl und gehen Sie die Pendenzen durch. Das bedeutet nicht, dass eine Aufgabe sofort erledigt werden muss. Stattdessen geht es darum, jene Aufgaben herauszupicken, die Sie heute erledigen möchten. Der Rest wird auf einen bestimmten Zeitpunkt verlegt oder einem Projekt zugeordnet, das später an der Reihe ist.
Ziehen Sie jetzt mit der Maus alle Aufgaben, die Sie an diesem Tag erledigen möchten, aus dem Bereich «Eingang» zu «Heute» (siehe Bild 2, D).
Die Reihenfolge der Arbeiten legen Sie selbst fest, mit einer Ausnahme: Die GTD-Methode besagt, dass Sie all jene Aufgaben sofort erledigen, die weniger als fünf Minuten in Anspruch nehmen: einen Termin beim Coiffeur ausmachen, den Gaszähler ablesen, Druckerpatronen bestellen. Oft schrumpft die Liste schon jetzt auf eine angenehme Kürze.
Projekte erstellen
Wie bereits erwähnt, sind Projekte eine Ansammlung von Aufgaben, die zusammengehören – also zum Beispiel die Renovation des Badezimmers oder eine Hochzeit. Legen Sie ein neues Projekt an, indem Sie in der linken Spalte unter «Projekte» auf das Pluszeichen klicken (Bild 4) (A) und dem Projekt einen sinnvollen Namen geben. (B) Die Aufgaben in jedem Projekt lassen sich als «Liste» oder als «Boards» anzeigen. (C) Listen benötigen weniger Platz, aber Boards wirken visuell attraktiver.
Mit der kostenlosen Version von Todoist sind gleichzeitig fünf aktive Projekte möglich. In der Pro-Version sind es 300 aktive Projekte. Allein der Gedanke daran lässt schaudern. Für den Moment sollten Sie nur ein oder zwei Projekte erfassen, die Ihnen besonders am Herzen liegen. So getan, rufen Sie den «Eingang» auf. Klicken Sie am linken Rand einer Aufgabe auf den Anfasser und weisen Sie die Aufgabe einem Projekt zu:
Tipp: Sie können eine Aufgabe direkt in einem Projekt erfassen; dann ist sie gleich am richtigen Ort. Allerdings überspringen Sie den «Eingang»: Wenn Sie ihn jeden Morgen durchackern, kann Ihnen eine Aufgabe entwischen, weil sie bereits beim Projekt eingetütet wurde. Deshalb gehört es weiterhin zu den täglichen Aufgaben, ein Projekt zu überwachen. Wenn für eine Aufgabe kein Datum festgelegt wurde, dann muss sie im Auge behalten werden. Je stärker Sie allerdings von einem Projekt in Beschlag genommen werden, umso kleiner wird das Problem – denn in diesem Fall werden Sie sowieso viel Zeit mit dieser Liste verbringen.
Zur rechten Zeit
Jetzt hat alles seine Ordnung. Wenn es sinnvoll ist, sollten Sie einer Aufgabe ein Fälligkeitsdatum zuteilen. Sobald der Moment gekommen ist, erscheint der Eintrag im Bereich «Heute». Aufgaben, die weiter in der Zukunft liegen, sehen Sie im Bereich «Demnächst». Um ein Enddatum zu definieren, öffnen Sie eine Aufgabe und klicken auf die Schaltfläche «Planen». (Bild 6) (A) Legen Sie ein Datum und bei Bedarf sogar die Uhrzeit fest. (B)
Tipp: Das klingt alles nett und einfach, doch das Beste wird verschwiegen. Statt ein Datum auszuwählen, werden mit natürlichen Texteingaben am oberen Rand ziemlich ausgefuchste Wiederholungen möglich. Versuchen Sie es mit «Jeden zweiten Mittwoch». (C) Oder: «Jeden Donnerstag bis zum 31. Dezember». Und die Auflage «Immer am letzten Tag im Monat» funktioniert im Februar genauso gut, wie im Juli.
Abschnitte
Projekte lassen sich ausserdem in «Abschnitte» unterteilen. Legen Sie ein Projekt «Einkaufsliste» an. (Bild 7) (A) Führen Sie die Maus unter die letzte Aufgabe, bis «Abschnitt hinzufügen» eingeblendet wird. (B) So lässt sich die Einkaufsliste in verschiedene Geschäfte unterteilen, (C) weil Nudeln nur selten im Baumarkt feilgeboten werden.
Projekte teilen
Die Möglichkeit, Projekte mit anderen Personen zu teilen, gehört zu den wertvollsten überhaupt. Wenn Sie Todoist nur privat einsetzen und alles mit Ihrem Partner teilen möchten, melden Sie sich einfach auf allen Geräten mit demselben Todoist-Konto an. Thema erledigt.
Vielleicht möchten Sie jedoch nur ausgewählte Projekte gemeinsam bewirtschaften, wie zum Beispiel die Einkaufsliste, also dem Klassiker schlechthin. Führen Sie den Mauszeiger an den rechten Rand eines Projektes. (Bild 8) (A) Klicken Sie auf die drei Punkte und wählen Sie im Einblendmenü den Befehl «Projekt teilen». Geben Sie die E-Mail-Adresse der Personen an, die mitmachen sollen. (B) Selbst wenn Sie Todoist kostenlos nutzen, lassen sich bis zu fünf Personen pro Projekt einladen, bei der Pro-Version sind es 25 Personen.
Feinheiten
Wenn Sie sich nach zwei oder drei Wochen mit Todoist untrennbar verbunden fühlen, sollten Sie die Möglichkeiten zur Feinabstimmung ausloten.
Etiketten
Zu den wichtigsten Hilfen gehören die Etiketten (englisch: Tags, ausgesprochen «Tägs»). Alle Einträge mit demselben Etikett werden auf der linken Seite im Bereich «Etiketten» gesammelt – ganz egal, zu welcher Aufgabe oder zum welchem Projekt sie gehören. (Bild 9) (A) Die Originale bleiben immer an ihrem Platz, sodass die Struktur keinen Schaden nimmt. Verwenden Sie ein Etikett wie «Langeweile», um Aufgaben zu markieren, die eigentlich nicht so wichtig sein – etwa das Neusortieren der CD-Sammlung. Greifen Sie darauf zurück, wenn es wirklich nichts Wichtigeres zu tun gibt.
Um ein Etikett zu erstellen, geben Sie es irgendwo in der Notiz ein, angeführt von einem «@». Der Text «@Einkauf» ordnet den Eintrag also dem Etikett «Einkauf» zu. Existiert dieses Etikett nicht, wird es auf Wunsch erstellt. (B)
Tipp: Einer Aufgabe können mehrere Etiketten zugeteilt werden. So könnte der Eintrag «Messestand kontrollieren» sowohl das Etikett «Messe» als auch das Etikett «Spesen» tragen – damit Sie nicht vergessen, am Ende des Monats das Kilometergeld einzufordern. Rufen Sie einfach das Etikett «Spesen» auf, um zu sehen, was sich im Rahmen der verschiedensten Aufgaben und Projekte alles an Geschäftsauslagen angesammelt hat.
Filter
Die Filter sind ein mächtiges Werkzeug. In der kostenlosen Version lassen sich gerade einmal drei Stück anlegen; in der Pro-Version sind es hingegen 150. Jeder Filter entspricht einer Suche nach bestimmten Kriterien. Tippen Sie am linken Rand auf den gewünschten Filter, damit Sie alle Aufgaben sehen, die den Suchkriterien entsprechen.
So findet das Kriterium zugewiesen an: Markus & überfällig alle Aufgaben, die von Markus hätten erledigt werden müssen – es noch nicht abgehakt sind. Hingegen sortiert der Filter ##Hausbau & fällig vor: 1. September alle Aufgaben, die mit dem Projekt «Hausbau» verbunden sind und vor dem 1. September erledigt werden müssen. (Bild 10)
Tipp: Todoist gibt bereits drei Filter vor, die das Maximum der kostenlosen Version ausschöpfen. Löschen Sie diese Beispiele, um eigene Filter zu erstellen.
Eine Auflistung aller Kriterien würde den Umfang dieses Artikels sprengen. Sie finden jedoch zahlreiche Beispiele in Deutsch auf der Todoist-Website unter todoist.com/de/help/articles/introduction-to-filters.
Die Mischung macht’s
Das Prinzip muss eingehalten werden, sonst hilft alles nichts. Doch die GTD-Methode und eine Software wie Todoist können das (Berufs-) Leben grundlegend zum Besseren verändern. Darüber hinaus bietet Todoist weitere Möglichkeiten wie Prioritäten, Unteraufgaben und mehr, die für einige Anwender nützlich sein können. Doch ohne wirklichen Bedarf kann es sein, dass die Wirkung von Todoist verwässert wird oder sich der Nutzen ins Gegenteil verkehrt: etwa dann, wenn gut organisierten Menschen zu wahren Kontroll-Freaks werden, die mehr Zeit mit Todoist verbringen, als mit den Aufgaben selbst.
Am besten halten Sie den Ball flach und arbeiten die ersten Wochen nur mit den Werkzeugen, die wir hier besprochen haben. Filter und Etiketten sind optional. Erst wenn Todoist zu einem selbstverständlichen Teil der Routine geworden ist, bekommen die restlichen Funktionen eine Chance. Unter der Adresse todoist.com/de/pricing finden Sie einen direkten Vergleich zwischen den beiden Abos und der kostenlosen Version.