Enterprise-WANs as a Service
06.02.2020, 14:30 Uhr
Software flexibilisiert Managed WANs
Unternehmensstandorte lassen sich einfacher und kostengünstiger vernetzen. SD-WANs beispielsweise können bestehende MPLS-Netzte sinnvoll ergänzen.
Die Vernetzung verteilter Standorte erfordert ein leistungsfähiges und sicheres Weitverkehrsnetz, ein Wide Area Network (WAN). Ein solches Netz selbst aufzubauen und zu managen überfordert jedoch viele Unternehmen. Vor allem bei der schnellen und zuverlässigen Übertragung geschäftskritischer Daten setzen Anwender daher meist auf ein sogenanntes Managed WAN. «Der überwiegende Teil der Business-Kunden fokussiert sich seit Dekaden auf Full-Managed Services der Provider», erklärt Kerstin Larsson-Knetsch, Bereichsleiterin Customer Solutions & Projects beim Mobilfunkbetreiber Vodafone.
Managed-WAN-Provider stellen Weitverkehrsverbindungen zur Verfügung und garantieren über Service Level Agreements (SLAs) deren Performance und Verfügbarkeit. Sie überwachen die Qualität des Netzes und dokumentieren dessen Auslastung in regelmässigen Reports. Bei Ausfällen oder Leistungseinbussen sorgen sie im Rahmen der vereinbarten SLAs mehr oder weniger schnell für Abhilfe. «Das WAN sollte die Geschäftsprozesse des Unternehmens idealerweise so unterstützen, dass der Nutzer gar nicht merkt, dass die Ressourcen geografisch weit auseinanderliegen», betont Joachim Sinzig, Director Product Management beim Netzwerkdienstleister Riedel Networks.
Je nach Ausprägung gehören zum Leistungsumfang auch die Installation und der Betrieb lokaler Hardware (Customer Premise Equipment, CPE), die Planung und Konfiguration von WAN-Strecken sowie die Weiterentwicklung der unternehmenseigenen Netzwerkstrategie.
MPLS als Mass aller Dinge
Als Basis für die meisten Managed-WAN-Dienste dient ein MPLS-Netz (Multiprotocol Label Switching). «Die MPLS-Technologie ist auch heute das Mass der Dinge, um businesskritische Anwendungen anzubinden», so Kerstin Larsson-Knetsch. Das Verfahren ermöglicht eine verbindungsorientierte Übertragung von Daten in einem verbindungslosen Netz wie dem Internet. Weiterleitungsentscheidungen werden dabei nicht von Knoten zu Knoten getroffen wie bei IP. Stattdessen wird der Pfad durch sogenannte Labels vordefiniert. Dies beschleunigt und vereinfacht den Datentransfer. Datenströme verschiedener Kunden lassen sich zudem als MPLS-basiertes Virtual Private Network sehr sicher über dieselbe Infrastruktur übertragen. MPLS bietet darüber hinaus die Möglichkeit, über ein QoS-Feld (Quality of Service) Grenzwerte für Latenz, Jitter (Laufzeitvarianz) und Paketverlust im Header festzulegen und so die Dienstgüte zu definieren. Davon profitieren vor allem Echtzeitanwendungen. «Gerade bei Firmen mit global verteilten Firmenstandorten ist MPLS die kosteneffizienteste Lösung, um einen QoS-Standard garantieren zu können», erklärt Joachim Sinzig.
“SD-WAN gilt als Technologie der Zukunft. Nutzen und Einsatzszenarien sind im Detail aber noch unklar.„
Sascha Bülow, Technischer Architekt bei Plusnet
MPLS-Verbindungen sind zwar zuverlässiger und sicherer als Internetzugänge etwa über DSL oder Glasfaser, allerdings auch teurer. Zudem geht die Bedeutung fixer Standleitungen zwischen Niederlassungen in vielen Unternehmen zurück. Immer mehr Mitarbeiter loggen sich von unterwegs ins Firmennetz ein oder arbeiten im Homeoffice. Hinzu kommt ein verändertes Nutzerverhalten. Internetrecherchen oder Social Media machen einen grossen Teil des Datenvolumens aus. Für diesen nicht geschäftskritischen Verkehr ist MPLS eigentlich zu kostspielig. Trends wie Cloud-Computing und IoT erhöhen den Bedarf an flexibleren Anbindungsmöglichkeiten zusätzlich.
«Das traditionelle WAN hat Schwierigkeiten, mit den wachsenden Anforderungen der Nutzer und den bandbreitenhungrigen Anwendungen Schritt zu halten», sagt Steffen Jungert, Head of Network & Telecom Services, Central Europe beim Technologiekonzern Fujitsu. «Der Fokus verlagert sich von traditionellen MPLS-Services hin zu hybriden Lösungen», bestätigt Peter Steffan, Principal Sales Engineer bei British Telecommunications (BT), diesen Trend.
“Das traditionelle WAN hat Schwierigkeiten, mit den wachsenden Anforderungen der Nutzer und den bandbreiten-hungrigen Anwendungen Schritt zu halten.„
Steffen Jungert, Head of Network & Telecom Services Central Europe bei Fujitsu
Hersteller und Provider positionieren derzeit vor allem Software-defined WAN (SD-WAN) als Lösung für die neuen Herausforderungen. Nach dem Prinzip des Software-defined Networking (SDN) werden Netzwerkfunktionen virtualisiert und zentralisiert. Als Overlay-Netzwerk kann SD-WAN auf einer beliebigen Kombination von verschiedenen Anschlusstechnologien und Weitverkehrsnetzen basieren. Das Netzwerk wird so deutlich flexibler und das Management wesentlich einfacher. «SD-WAN bietet insbesondere Vorteile in Sachen Flexibilität bei Veränderungen und eine mögliche Verkürzung von Realisierungszeiträumen», erklärt Sascha Bülow, Technischer Architekt beim Dienstleister Plusnet.
Managed-WANs verändern sich
Der SD-WAN-Trend setzt den auf MPLS-basierenden WAN-Markt unter Druck. Laut einer Umfrage von Nemertes Research wollen 19 Prozent der Unternehmen ihre MPLS-Services abschalten oder haben dies bereits getan. Die Nachfrage nach SD-WAN-Lösungen soll dagegen massiv zunehmen. Dem Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan zufolge wächst der Markt von 2018 bis 2023 jährlich um 49 Prozent. Die Analysten erwarten eine Umsatzsteigerung von 529 Millionen Dollar auf 3,7 Milliarden Dollar. Der überwiegende Teil der Unternehmen plant laut Frost & Sullivan, SD-WAN als voll oder teilweise gemanagten Service zu beziehen. Nur 25 Prozent sind demnach dazu bereit, SD-WAN-Lösungen vollständig selbst zu installieren und zu betreiben.
In Deutschland scheint die Entwicklung zu SD-WAN allerdings nicht so schnell voranzuschreiten wie in den USA. «Unsere Marktanalysen zeigen, dass der Einsatz von SDN-Technologie in Europa derzeit noch nicht allzu weit verbreitet ist», stellt Vodafone-Bereichsleiterin Larsson-Knetsch fest. Sascha Bülow von Plusnet beobachtet bei den potenziellen Kunden vor allem noch Informationsdefizite: «Wenn in einer bestehenden Standortvernetzung grössere Veränderungen anstehen oder bestimmte Probleme zu lösen sind, wird immer auch nach einem SD-WAN-Anbieter gesucht. SD-WAN gilt als Technologie der Zukunft, Nutzen und Einsatzszenarien sind im Detail aber noch unklar.»
“Der Fokus verlagert sich von traditionellen MPLS-Services hin zu hybriden Lösungen.„
Peter Steffan, Principal Sales Engineer bei BT
Einig sind sich aber alle Experten, dass SD-WAN die MPLS-Netze zumindest in Deutschland nicht verdrängen, sondern nur ergänzen wird. «Wir erwarten keine vollständige Ablösung von MPLS durch SD-WAN», erklärt Bülow. Beide Technologien stehen auch nicht im Gegensatz zueinander. «MPLS ist eine Access-Technologie für private Firmennetze», so Larsson-Knetsch, «SD-WAN ist die Technologie zum Steuern der Firmennetze über verschiedene Access-Wege hinweg.»
Wer von Managed WAN profitiert
Besonders kleinere und mittelständische Unternehmen profitieren von WAN-Services, sagt Sascha Bülow von Plusnet. So könne zum Beispiel allein für die DSL-Anbindung in einem bundesweiten Netz die Steuerung von über 50 Anbietern notwendig sein, «ein Aufwand, der von einem Managed-WAN-Betreiber als Aggregator wesentlich effizienter getragen werden kann». Auch Joachim Sinzig von Riedel Networks sieht Vorteile: «Gerade für kleinere Firmen ohne grössere IT Abteilungen, deren Kerngeschäft nicht in der IT liegt, bieten sich gemanagte Dienste an.»
“Gerade bei Firmen mit global verteilten Firmenstandorten ist MPLS die kosteneffizienteste Lösung, um einen QoS-Standard garantieren zu können.„
Joachim Sinzig, Director Product Management bei Riedel Networks
Darauf sollte man achten
Der aktuelle Trend zu SD-WAN hat Bewegung in die Provider-Landschaft gebracht. Deshalb ist anzuraten, Managed-WAN-Services jetzt auf den Prüfstand zu stellen. Dabei sollten Unternehmen vor allem auf die folgenden Kriterien achten:
Abdeckung: Kann der Provider an sämtlichen Firmenstandorten Netzzugänge zur Verfügung stellen? Wie gut kennt er die regulatorischen Vorgaben, die Netzabdeckung und die Anbieterlandschaft vor Ort? Mit welchen lokalen Access-Providern arbeitet er zusammen und seit wann? Welche sonstigen Kunden hat er in der Region?
Anschluss: Wie gross ist die Auswahl an Zugangs-Providern und -technologien in den jeweiligen Märkten? Kann der Dienstleister je nach Anforderungen immer die schnellsten oder kostengünstigsten Access-Lines bieten? Lassen sich firmeneigene Zugänge in das Managed WAN integrieren?
Reaktionsschnelligkeit: Wie schnell setzt der Provider Veränderungen am Netzwerk um? Müssen Changes über ein umständliches Ticket-System beantragt werden oder gibt es ein Selfservice-Portal?
Anpassbarkeit: Wie flexibel ist der Provider? Geht er auf die Herausforderungen des Kunden ein? Lassen sich Services und SLAs individuell anpassen? «Es sind zu viele ‚Standard‘-Lösungen am Markt, gerade von den grossen TK-Betreibern, die an den Bedürfnissen des Kunden vorbeikonzipiert sind», moniert Riedel-Networks-Director Sinzig. «Es ist aber elementar wichtig, dass der Service-Provider die speziellen An- und Herausforderungen des Kunden versteht und eine Lösung auf diese Anforderungen kundenspezifisch planen, realisieren und betreiben kann.»
Evolution: Kann der Dienstleister neue Technologien und Funktionen schnell zur Verfügung stellen? Weist er proaktiv auf Potenziale hin oder reagiert er nur widerwillig auf Entwicklungswünsche?
Kosten: Bietet der Service-Provider ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis? Wie hoch wären die potenziellen Kosten im Eigenbetrieb? Welche Alternativen lassen sich auf dem Markt finden? Kann der Dienstleister die Einsparpotenziale durch SD-WAN realisieren oder versucht er, seine Umsätze um jeden Preis zu retten? Wie hoch wären die Kosten einer Migration zu einem besseren Angebot?
“WAN-Service bedeutet, die Geschäftsprozesse des Kunden effizienter zu gestalten sowie neue Themen und Trends zu integrieren.„
Kerstin Larsson-Knetsch, Bereichsleiterin Customer Solutions & Projects bei Vodafone
Fazit
Die Zeit ist reif, alle WAN-Services zu überprüfen. Schliesslich eröffnen sich mit SD-WAN neue Möglichkeiten, Weitverkehrsnetze aufzubauen und zu managen. Access-Technologien lassen sich einfacher kombinieren und integrieren, Cloud-Ressourcen und mobile Mitarbeiter kostengünstiger und effizienter anbinden. Firmen sollten ihre aktuellen Managed-WAN-Verträge unter die Lupe nehmen und Alternativen ausloten, denn nicht alle Provider bauen ihr Portfolio mit einer Geschwindigkeit in Richtung SD-WAN aus, wie es möglich und geboten wäre.
Info-Box
Diese Trends verändern das Managed-WAN-Angebot
Network Functions Virtualization (NFV): Mit NFV soll die Abhängigkeit von spezieller Netzwerk-Hardware (Router, Switches, Load Balancer, Session Border Controller, WAN-Beschleuniger, Firewalls) reduziert werden. Stattdessen übernehmen virtuelle Maschinen auf Standard-Servern diese Aufgaben. Eine Netzwerkfunktion kann auf mehrere VMs oder sogar auf Cloud-Ressourcen aufgeteilt werden, was die Ausfallsicherheit erhöht und die Skalierbarkeit verbessert. Virtuelle Netzwerkfunktionen sind zudem schneller, einfacher und kostengünstiger zu installieren als dies mit dedizierter Netzwerk-Hardware möglich ist.
Netzwerkautomatisierung: Bisher wurden sich wiederholende Aufgaben im Netzwerk meist über Skripts realisiert. Mit SDN lässt sich das Netzwerkmanagement aber wesentlich einfacher und umfassender automatisieren. Eine Konfigurationsänderung oder die Bereitstellung neuer Netzwerkressourcen kann selbstständig in Abhängigkeit von aktuellen Anforderungen erfolgen, ohne dass ein Administrator eingreifen müsste.
OpenFlow: Offenes Kommunikationsprotokoll, das die Kontrollebene einer SDN-Architektur mit virtuellen oder physischen Netzwerkkomponenten verbindet. So lässt sich die Weiterleitung von Paketen (Forwarding Plane), die traditionell von der Steuerlogik in den Routern verwaltet wird, über einen zentralen Controller steuern.
Software-defined Carrier (SDC): Ein vom Beratungsunternehmen PricewaterhouseCooper (PwC) geprägter Begriff. Die Netzwerk-Services eines SDCs basieren vollständig auf SDN und NFV und werden oft als Cloud-Dienst zur Verfügung gestellt. SDCs können jede beliebige Access-Technologie integrieren, schneller auf Veränderungen in Kundenumgebungen reagieren und maßgeschneiderte Services anbieten. Da sie den SD-WAN-Stack selbst betreiben, sind sie in der Regel preisgünstiger als Dienstleister, die SD-WAN-Technologie teuer von Dritten lizenzieren müssen.
Software-defined Networking (SDN): Im SDN wird die Steuerung der Netzwerkgeräte als Software-basierte Services von der Hardware abstrahiert. Diese Trennung der Kontrollebene (Control Plane) vom eigentlichen Datentransfer (Data Plane) ermöglicht es, das Netz zentral zu steuern, ohne direkt auf Router oder Switches zugreifen zu müssen.
Im Gespräch mit Henning Dransfeld von der ISG
Henning Dransfeld, Principal Advisor bei der Information Services Group (ISG), erklärt, wie SD-WAN den Markt verändern wird und warum Unternehmen auch weiterhin auf Managed WAN setzen werden.
Computerworld: In Ihrer Provider-Lens-Studie «Network - Software Defined Solutions & Services Germany 2019» haben Sie unter anderem die Entwicklung des deutschen Managed-WAN-Markts untersucht. Wie verändert sich das Angebot?
Henning Dransfeld: Bis vor wenigen Jahren boten die grossen Carrier fast ausschliesslich Managed-WAN-Services auf Basis von MPLS (Multiprotocol Label Switching) an. Das hat sich deutlich geändert. Es gibt kaum noch ein Managed-WAN-Portfolio ohne Software-defined-Networking-Komponente.
Computerworld: Und was sind die Ursachen für diese Veränderung?
Dransfeld: Einer der Hauptgründe ist die zunehmende Mobilität der Mitarbeiter. MPLS ist im Grunde darauf optimiert, Standorte miteinander zu vernetzen. Das hat funktioniert, solange sich die Arbeitnehmer auch hauptsächlich in den Niederlassungen befanden. Je mobiler sie aber sind, desto mehr Zugänge zum MPLS-Netz müssen eingerichtet werden. Das ist teuer und komplex. Hinzu kommt die wesentlich veränderte Nutzung von Firmennetzen. MPLS ist für die sichere und effiziente Übertragung geschäftskritischer Daten ausgelegt. Für Social Media, Websurfing sowie Audio- und Videokonferenzen von ausserhalb der Unternehmensstandorte ist es viel zu teuer. Diese Daten machen aber heute einen stark zunehmenden Anteil am Gesamtvolumen aus.
Computerworld: Welche Vorteile bringt ein Software-defined WAN (SD-WAN) im Vergleich zu MPLS?
Dransfeld: Software-definierte Netze verlagern die Intelligenz aus den Routern in eine zentrale Steuerungsumgebung. Dadurch wird die Verwaltung der Netzwerkressourcen, aber auch die Anbindung mobiler Mitarbeiter sehr viel einfacher und kostengünstiger. Darüber hinaus spielt SD-WAN im Cloud-Computing eine wichtige Rolle. Bisher war das Netzwerk die am wenigsten flexible Komponente. Während sich Server und Speicher in der Cloud schnell und bedarfsgerecht auf- und auch wieder abbauen lassen, liess sich die Bandbreite nur begrenzt und vergleichsweise langsam skalieren. Mit SD-WAN kann dagegen auch das Netzwerk problemlos an die aktuellen Anforderungen angepasst werden. So lässt sich etwa für ein Event Bandbreite zu- und nach der Veranstaltung auch wieder abschalten.
Computerworld: Wie bewerten Managed-WAN-Provider diese Entwicklung? Bricht dadurch nicht ein erheblicher Teil der Umsätze weg?
Dransfeld: Die Provider treiben das Thema SD-WAN nicht so proaktiv voran wie sie könnten, um ihr grosses Bestandsgeschäft mit MPLS nicht zu gefährden. Ich erwarte aber eine ähnliche Dynamik wie beim Übergang von Frame Relay zu MPLS. Neue Technologien werden vor allem von den Herstellern in den Markt gepuscht. Sie gehen ganz aktiv auf die Unternehmen zu und versuchen sie als Direktkunden zu gewinnen. Das setzt wiederum die Provider unter Zugzwang.
Computerworld: Ist die eigene Verwaltung eines Weitverkehrsnetzes eine realistische Alternative zu einem Managed-WAN-Service?
Dransfeld: Wenn man den Herstellern von SD-WAN-Technologie glaubt, dann scheint das tatsächlich eine Alternative zu sein. Es ist aber ein grosser Schritt, sämtliche Managed-WAN-Services zu kündigen und die komplette Organisation selbst zu übernehmen. Dazu brauchen Unternehmen eine eigene Telekommunikationsabteilung, die jedoch meist nicht oder nicht mehr vorhanden ist. Darüber hinaus gibt es ausserhalb der IT keine Motivation, das Netzwerkmanagement ins eigene Haus zu holen. Das ist einfach keine strategische Aufgabe. Ich glaube daher, dass es auch weiterhin einen Bedarf an Managed-WAN geben wird, nur mit sehr viel mehr Flexibilität gekoppelt. Das Marktvolumen wird aber langfristig schrumpfen, weil sich die hohen Umsätze, die mit MPLS erzielt wurden, nicht halten lassen.
Computerworld: Was sollten Unternehmen derzeit tun?
Dransfeld: Es ist durchaus naheliegend, den aktuellen Provider auf sein SD-WAN-Portfolio anzusprechen oder die Managed-WAN-Services unter diesem Aspekt neu auszuschreiben. Wichtig ist hierbei die Erstellung eines Business Cases, um Kosten und Vorzüge gründlich abzuwägen.
Computerworld: Werden Managed-WAN-Services durch SD-WAN preisgünstiger werden?
Dransfeld: Das ist eine gute Frage. Auf jeden Fall werden mittelfristig die Preise für SD-WAN-Lösungen sinken. Aktuell kämpfen die Hersteller noch nicht um Marktanteile, dazu ist die Nachfrage zu gross. Sobald hier eine gewisse Sättigung eintritt, wird sich das auch auf die Preise auswirken. Was die Service-Provider angeht, sind diese derzeit noch zu sehr damit beschäftigt, ihre bestehenden Umsätze zu schützen, und da wo es nötig ist, eine Migration auf Software-basierte Netze umzusetzen. Aber es braucht nur ein, zwei Provider, die mit aggressiven Preisen in den Markt gehen, dann müssen die anderen mitziehen. Bei MPLS war die Entwicklung ganz ähnlich.
Computerworld: Machen denn die etablierten Provider auch bei SD-WAN das Rennen unter sich aus oder gibt es Potenzial für neue Dienstleister?
Dransfeld: Dass völlig neue Player in den Markt kommen, ist eher unwahrscheinlich. Der ein oder andere Integrator könnte aber zukünftig eine grössere Rolle spielen.
Computerworld: Sind Kunden auf Gedeih und Verderb an ihren Managed-WAN-Service-Provider gebunden oder ist ein Wechsel zu einem attraktiveren Angebot mit SD-WAN-Komponenten durchaus realistisch?
Dransfeld: Die Vertragsbindung ist schon mit MPLS wesentlich flexibler und offener geworden. Bei Vertragslaufzeiten von zwei bis drei Jahren ist ein relativ schneller Provider-Wechsel absolut machbar.
Computerworld: Sollten Unternehmen so schnell wie möglich auf SD-WAN umsteigen?
Dransfeld: Das kommt auf die Motivation an. Geht es in erster Linie darum, Kosten zu sparen? Oder soll das Netz vor allem flexibler werden? Auf jeden Fall sollte man sich alle Standorte genau ansehen. Für eine Campus-Umgebung oder eine Produktionsanlage ist MPLS sicher auch zukünftig die richtige Anschlusstechnik. Spielen dagegen Cloud- oder Edge-Computing eine wichtige Rolle, hat SD-WAN deutliche Vorteile. Hier sollte man sich externe Beratung von einem Integrator oder vielleicht auch einem Wettbewerber des derzeitigen Managed-WAN-Providers holen.
Computerworld: Worauf sollten Unternehmen bei der Wahl eines Managed-WAN-Providers vor allem achten?
Dransfeld: Im SD-WAN-Bereich sollten sie sich die Zertifizierungen der Provider für die Technologien verschiedener Hersteller ansehen. Der Markt ist noch sehr dynamisch und die Anbieter konkurrieren stark über Innovationen und neue Features. Je mehr Hersteller ein Dienstleister im Portfolio hat, desto grösser ist die Chance, dass er die neuesten und besten Funktionen zur Verfügung stellen kann. Ein wichtiges Kriterium ist natürlich die Qualität der Services und die Historie des Providers. Hat er in der Vergangenheit bewiesen, dass er eine Infrastruktur professionell betreiben und im Störungsfall sehr schnell reagieren kann? Je internationaler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto wichtiger ist auch die globale Reichweite des Providers.
Computerworld: Spielen Branchenkenntnisse bei der Entscheidung für oder gegen einen Provider eine Rolle?
Dransfeld: Eher weniger, bei Netzwerken sind die vertikalen Unterschiede nicht so gross. Das zeigen auch die wenig erfolgreichen Versuche, branchenspezifische Infrastrukturen aufzubauen, etwa das Automotive Network Exchange ANX in der Automobilbranche oder Radianz für die Finanzwelt. Auf der funktionalen Ebene kann es dagegen durchaus interessant sein, zu differenzieren. Wenn ein Unternehmen beispielsweise für Events sehr flexibel und schnell grosse Kapazitäten an wechselnden Standorten benötigt, sind die Anforderungen an den Provider ganz andere, als wenn 400 weltweit verteilte Lokationen vernetzt werden sollen.