Ist KI ein Jobkiller oder Jobmotor?

KI lernt dazu

In den Benchmarks schneidet GPT 4 deutlich besser ab als GPT 3.5. Weitere Schritte sind zu erwarten. Inform-Manager Herbers meint: «Diese Modelle werden trainiert mit grossen Sprachkorpora und können das Wissen wiedergeben und auch interpolieren. Man muss jedoch aufpassen. Welche der vorgeschlagenen Aussagen sind wirklich richtig? Man denke an die Halluzinationen der Sprachmodelle. Aber die Transferfähigkeit, also echte Ideen zu generieren, ist natürlich nichts, was im Training solcher Modelle inhärent ist. Dennoch sehen wir in den neusten Generationen der Sprachmodelle Fähigkeiten, die man sich noch nicht genau erklären kann, die eine gewisse Transferfähigkeit mit sich bringen. Den Prozess zu verstehen, was diese Modelle können und was nicht, ist in vollem Gange.»
“KI wird im Grunde jeden Beruf in irgendeiner Weise beeinflussen – oder tut es bereits.„
Jack Klaassen
Direktor für Innovationen & Technologie bei Macaw
Klaassen gibt zu bedenken, dass vieles, was KI heute könne, sie auch gestern schon konnte. Nur habe man sie noch nicht als KI bezeichnet. «In der jetzigen Phase, der Artificial Narrow Intelligence (ANI), ist KI in der Lage, eine einzelne Aufgabe auf beinahe menschlichem Niveau auszuführen. Die zugrundeliegenden KI-Modelle werden ständig stärker und durch die verfügbare Datenmenge zuverlässiger. Für Fachleute kommt diese Entwicklung nicht überraschend. Aber durch generative KI wie ChatGPT kann plötzlich jeder sehen, wie wirkungsvoll, aber auch wie potenziell mächtig diese Anwendungen sind. Die Gesellschaft muss jetzt herausfinden, wie, wo und wann KI Teil unseres Lebens sein darf. Vor allem, weil die nächste Phase der KI uns noch mehr ethisches und verantwortungsvolles Verhalten abverlangen wird. Schliesslich steht uns im nächsten Jahrzehnt die Artificial General Intelligence (AGI) bevor. Die KI wird dem Menschen technisch ebenbürtig sein.» «KI wird kleiner, schneller, verlässlicher und kontextueller in den Bereichen, die schon länger damit angegangen werden, insbesondere Computer Vision», sagt auch Alge. «Der Durchbruch nach langer Stagnation bei Chatbots kam unerwartet und die AP und die AAP (Accepted Artificial Person) sind nun vorstellbarer als noch vor einem Jahr.»

Betroffene Berufsfelder

Die KI-Fortschritte verändern andere Berufsfelder als die digitale Transformation und die Automatisierung. Alge: «Betroffen sind alle repetitiv Kreativen, die nicht originäre neue Werke, sondern eher gefällige Dinge kreieren wie Texte, Musik, Malerei, Architektur.» Klaassen zufolge könne KI jede Position unterstützen, in der es um Analyse, Texterstellung oder sich wiederholende digitale Arbeit geht. «KI-Lösungen helfen diesen Berufen bei täglichen operativen Tätigkeiten und ermöglichen den Menschen, sich mehr auf den kreativen Teil ihrer Arbeit zu konzentrieren. Medizinische KI-Tools haben mittlerweile eine sehr hohe Genauigkeit, um aus komplexen Untersuchungsergebnissen Krebs zu diagnostizieren. Strafverfolgungsbehörden können automatisch Nummernschilder auf Verkehrssünder überprüfen. KI wird im Grunde jeden Beruf irgendwie beeinflussen – oder tut es bereits.»

KI als Ausweg aus dem Fachkräftemangel

Oft können offene Stellen für Fachkräfte nicht besetzt werden, weil es nicht genug qualifiziertes Personal gibt. Besonders ausgeprägt ist der Fachkräftemangel in den Bereichen Gesundheit, Informatik und Technik. Ein grosser Faktor, der immer wichtiger wird, ist die alternde Gesellschaft in der Schweiz. Könnte ein Teil der offenen Stellen nicht mit KI besetzt werden?
Jack Klaassen hält dies für einige Berufsfelder für möglich. «Nehmen wir zum Beispiel die Software-Entwicklung. Hier könnte KI durchaus entlasten, etwa indem Bots das Hardcoding übernehmen oder die Software-Architektur erstellen.» Die Entwickler könnten sich auf anspruchsvollere Aufgaben konzentrieren. Als Resultat würde die Gesamtproduktivität bei gleichem Personaleinsatz steigen.
Jörg Herbers gibt zu bedenken: «Natürlich kann man den Fachkräftemangel auch auf dieser Schiene adressieren. Wir haben aber offene Stellen, die nicht alle und auch nicht überwiegend den Bereichen zugeordnet sind, die von den aktuellen KI-Evolutionen betroffen sind – zum Beispiel Pflege, Kinderbetreuung, Kitas, Hospitäler, Gesundheitswesen, Einzelhandel oder Bäckereien. Dort haben wir gerade einen sehr starken Fachkräftemangel und das sind alles Tätigkeiten, die im menschlichen Kontakt stattfinden und bei denen ich nicht glaube, dass sie durch die aktuellen KI-Evolution betroffen sein werden. Auf der anderen Seite: Marketing, Programmierung und Software-Entwicklung, Jura – hier sehen wir sicher Bewegung in den nächsten Jahren.»
Ähnlich argumentiert Wieland Alge: «KI lindert oder verbessert die Situation in manchen Bereichen. Allerdings ist das nicht so trivial. Viele KI-Machbarkeitsstudien führen nicht zu Projekten, weil die Leute fehlen, die das umsetzen können. Nur weil irgendwo Technologie vorhanden ist, kann sie noch lange nicht richtig eingesetzt werden. Die grössten Bereiche, wo wir über Fachkräftemangel jammern, sind Hands-on-Geschichten, etwa Ingenieure und das Handwerk im Wortsinn. Da hilft uns KI nur wenig.»
Wo IT-Entscheider im EMEA-Raum KI einsetzen wollen
Quelle: Equinix

Andreas Dumont
Autor(in) Andreas Dumont



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