Ist KI ein Jobkiller oder Jobmotor?

KI als Jobshifter

Manche Sozialwissenschaftler sprechen nicht von einem Jobkiller, sondern von einem Jobshifter. Bei dem viel zitierten Beispiel des mechanischen Webstuhls war es auch so, dass viele Arbeiter zuerst überflüssig geworden sind, dann aber in der boomenden Stoffindustrie neue Jobs gefunden haben. Allerdings sind jetzt Berufe bedroht, die eher gut situiert sind, etwa Entwickler, Programmierer, Grafikdesigner, Journalisten und Juristen. Wenn diese durch den Jobshifter KI in andere Berufe kommen, wo sie dann vielleicht überqualifiziert und unterbezahlt sind, ist das gesellschaftlich und ökonomisch problematisch.
In Sicherheit wähnen sollte sich keine Gruppe. Die Forscher von OpenAI und der University of Pennsylvania gehen davon aus, dass die meisten Arbeitsplätze in irgendeiner Form durch die KI-Sprachmodelle verändert werden. Rund 80 Prozent der Arbeitnehmenden in den USA seien in Berufen tätig, in denen mindestens eine Aufgabe durch generative KI schneller erledigt werden könne.
«Was wir eigentlich immer gesehen haben in Bewegungen wie jener mit dem Webstuhl, und jetzt auch mit den Sprachmodellen, ist, dass bestimmte mechanische Arbeiten durch Arbeiten einer höherwertigen Natur ersetzt wurden», so Herbers. «Wenn ich jetzt zum Beispiel aus einem intelligenten Bildgenerator oder einem Sprachmodell einen guten Output erzeugen will, dann muss ich mir Gedanken darüber machen, wie ich diesen Output denn rauskriege. Das hebt meine Aufgabe auf ein höheres Niveau – indem ich die Koordination dieser Tätigkeiten mache und immer noch einen kreativen Beitrag leiste.» Auch Alge meint, was GPT oder die Language Models recht schnell perfektionieren würden, seien repetitive kreative Dinge. «Boshaft gesagt ist das Pseudokreativität. Nicht als Künstler etwas zu erschaffen, was originär noch nie da gewesen ist, sondern irgendwas wiederzugeben, das in ähnlicher Form schon einmal da war.» Kinderbücher einer bestimmten Form etwa hätten alle dasselbe Muster. Das sei einfach Runterschreiben immer desselben Themas.

Arbeitsteilung Mensch und Maschine

Jede neue Technologie schaffte bisher auf lange Sicht mehr Arbeitsplätze, als sie vernichtet hat. Das könnte dieses Mal anders sein. Es gibt zwar offene Arbeitsstellen in der Schweiz – derzeit etwas mehr als 50 000 –, die sind aber vielleicht im Vergleich zu dem, was die Leute vorher gemacht haben, niederwertiger oder schlechter bezahlt.
“Es sind aus den Armeen von Buch­haltern nicht verzweifelte Strassenreiniger geworden, als die AS/400 von IBM entstanden ist.„
Wieland Alge
CFO bei Swarm Analytics
Klaassen aber erwartet, dass auch dieses Mal die Bilanz positiv ausfallen werde. «Aber es ist möglich, dass der Wandel, den wir in den nächsten Jahrzehnten vollziehen werden, extremer sein wird als während der vorherigen Revolutionen. Im Lauf der Zeit wird sich die Arbeitsteilung zwischen Menschen und Maschinen verschieben, was zu einem anderen Arbeitsmarkt führen wird.»
Ähnlich sieht das Herbers: «Ich glaube, dass vielleicht das Gesamtvolumen der Arbeit für eine gesellschaftliche Wertschöpfung sinkt. Im Rahmen der gesellschaftlichen Diskussion zur Reduzierung der Arbeitszeit bringen wir vielleicht beides zusammen: Dass der Output ein bisschen steigt und gleichzeitig die Arbeitszeit ein bisschen sinkt und wir dieses Geflecht neu ausnivellieren.»
Alge argumentiert: «Es sind aus den Armeen von Buchhaltern nicht verzweifelte Strassenreiniger geworden, als die AS/400 von IBM entstanden ist. Allerdings wird es bei diesem Jobshifting notwendig sein, das als Individuum aktiv zu gestalten. Nicht warten, bis man irgendwo anders hingestellt wird und beleidigt sein. Was KI schlecht kann – und da wird sie immer schlecht bleiben – ist, die richtigen Fragen zu stellen.»

Andreas Dumont
Autor(in) Andreas Dumont



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