Effiziente Technologie
28.09.2018, 11:36 Uhr
Smarter Transformator für die Energiewende
Ein neuer, an der ETH Zürich entwickelter «smarter» Mittelspannungs-Transformator ist dank modernster Halbleitertechnologie äusserst kompakt und energieeffizient. Seine Anwendungen reichen von Lokomotiven über Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge und Stromversorgungen für Rechenzentren bis zum Einsatz in zukünftigen Energienetzen.
ETH-Elektrotechniker entwickelten einen «smarten» elektronischen Transformator, der Mittelspannung äusserst effizient in Niederspannung wandelt. Solche smarten Transformatoren sind ausserdem deutlich kleiner als herkömmliche Transformatoren. Sie sind unter anderem dort im Vorteil, wo der Raum begrenzt ist oder es auf ein geringes Gewicht ankommt, wie beispielsweise in Eisenbahn-Triebfahrzeugen.
Bahnverkehrs-Fahrleitungen führen meist Wechselstrom mit mittlerer Spannung. In den Triebfahrzeugen wird die Spannung auf einen niedrigeren Wert heruntertransformiert. «Dazu verwendete Transformatoren sind aus technischen Gründen grösser, je tiefer die Frequenz des Wechselstroms ist, und die ist im Bahnverkehr in der Schweiz und mehreren anderen europäischen Ländern mit 16,7 Hertz verhältnismässig tief», erklärt Daniel Rothmund. Er ist einer von zwei Doktoranden in der Gruppe von ETH-Professor Johann Kolar, welche den Transformator bauten.
«Smarte Transformatoren» wenden daher einen Trick an: In einem vorgeschalteten Konverter wird die Wechselstromfrequenz um ein Vielfaches erhöht. Der Transformator selbst kann dann klein gebaut werden. Ein nachgeschalteter Konverter erzeugt anschliessend wieder eine Wechselspannung mit der gewünschten Frequenz.
Schalten mit extrem hoher Frequenz
Rothmund und sein Kollege Thomas Guillod mussten für ihren elektronischen Transformator viele Komponenten selbst entwickeln, da es für die verwendete Mittelspannung von 10'000 Volt nur wenige Bauteile ab Stange zu kaufen gibt. Wichtig waren vor allem Siliziumkarbid-Bauelemente – von einer amerikanischen Firma hergestellte Prototypen –, welche extrem schnelles Schalten ermöglichen. So gelang es den ETH-Doktoranden, Mittelspannung auf eine sehr hohe Frequenz von bis zu 75'000 Hertz zu konvertieren, und sie konnten ein Transformator-System bauen, das bei vergleichbarer Leistung nur einen Drittel so gross ist wie bisherige «smarte Transformatoren». Während die Energieeffizienz bisheriger Systeme bei rund 96 Prozent liegt, erreichten Rothmund und Guillod eine von 98 Prozent – mit anderen Worten: Sie konnten die Energieverluste von 4 auf 2 Prozent halbieren.
Die Entwicklung erfolgte im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 70 zur Energiewende, in welchem Technologien zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 erforscht werden.
Gleichrichten von Wechselstrom
Eisenbahn-Triebfahrzeuge sind nur eine von vielen Anwendungen der neuen Transformatoren. «Im Gegensatz zu herkömmlichen Transformatoren sind smarte Transformatoren steuerbar», erklärt Rothmund. In zukünftigen Energienetzen, sogenannten Smart Grids, kann man sie verwenden, um die übertragene Leistung aktiv zu steuern und den Schwankungen in Stromproduktion und -verbrauch anzupassen.
Das neue System kann nicht nur die Frequenz des Netz-Wechselstroms verändern, sondern auch Wechselstrom in Gleichstrom umformen. Eine Anwendung wären zukünftige grosse Schnellladestationen, mit denen gleichzeitig viele Elektrofahrzeuge geladen werden können. Solche Ladestationen könnten dabei direkt an das existierende Mittelspannungs-Wechselstromnetz angeschlossen werden, indem die effizienten kleinen Transformatoren die Mittelspannung auf die gewünschte Spannung heruntertransformieren. «Zum Laden von Akkus wird eine vergleichsweise niedrige Gleichspannung verwendet», erklärt Rothmund. «Im Vergleich zu konventioneller Technologie sind smarte Transformatoren im Vorteil, wenn diese Gleichspannung aus einem Mittelspannungs-Wechselstromnetz erzeugt werden soll.»
Ein anderer Typ von Grossverbrauchern, die von der Entwicklung profitieren könnten, sind Rechenzentren. Dort könnten dank effizienteren Stromversorgungssystemen nicht nur Stromkosten gespart, sondern auch Wärmeverluste und folglich der Aufwand zur Kühlung minimiert werden.
Ironischerweise könnte die neue Technologie nicht nur die Energiewende hin zu einer dekarbonisierten und elektrifizierten Energiewirtschaft erleichtern, sondern auch das Ausbeuten von schwer zu erschliessenden Quellen fossiler Energieträger: Die Industrie entwickelt derzeit Möglichkeiten zur Förderung von Öl und Gas in der Tiefsee ohne Verwendung von Bohrplattformen. Bei diesen Anwendungen befinden sich am Meeresgrund Pumpen, Kompressoren und Wartungsroboter, die über eine mehrere Kilometer lange «Nabelschnur» vom Land mit elektrischer Energie versorgt werden müssen. Die neue Technologie ermöglicht, in diesen Kabeln Gleichstrom zu übertragen, was wegen den langen Distanzen effizienter ist als Wechselstrom, und diesen am Meeresboden in einem verhältnismässig kleinen Konverter in den von den Maschinen verwendeten Wechselstrom umzuwandeln.
Autor(in)
Fabio
Bergamin, ETH-News