Künstliche Intelligenz – zwischen Hype und Praxis
Machine Learning ist der Überflieger
Microsoft und EY ermittelten im Rahmen der Studie die KI-Ansätze, die bei den Anwendern am meisten eingesetzt werden. An der Spitze steht hierbei Machine Learning, gefolgt von neuronalen Netzwerken und der Textanalyse. 90 Prozent der Schweizer Unternehmen arbeiten gleichzeitig mit mehr als einem Ansatz. Annika Schröder deutet darauf hin, dass nicht alle Ansätze ohne Weiteres einsetzbar sind. Bei den sogenannten «Black Box»-Methoden wie Deep Learning bzw. neuronalen Netzwerken müsse die UBS beispielsweise ganz genau analysieren, ob eine Umsetzung überhaupt möglich sei. «Wir müssen in den meisten Anwendungsfällen eine Erklärbarkeit gewährleisten können und diese Methoden machen das sehr schwierig.»
Ihren Ausführungen zufolge ist die Wahl der richtigen Methode deshalb grundsätzlich ein wichtiger Schritt. Jedes Projekt werde individuell beleuchtet, wobei angeschaut wird, was das Problem ist, das die Maschine in diesem Bereich lösen soll, wie gut sie es lösen soll, wie die Datensituation ist und wie sensitiv oder stark reguliert das Thema ist. Denn obwohl im Bankbereich viele Daten vorhanden sind, sei es nicht immer möglich, diese zu nutzen, erklärt die UBS-Frau. «Als Bank ist es wichtig, Kundendaten zu schützen. Dazu kommen bestimmte Regeln, die von den Regulatoren aufgestellt werden, wie eine Bank Software entwickeln kann und Daten verwenden darf. Diese Regeln machen es beispielsweise schwierig, sich einfach aus den Produktionssystemen kundenbezogene Daten zu holen und damit zu experimentieren.» Ausserdem, sagt Schröder, sei auch nicht immer maschinelles Lernen des Rätsels Lösung. «Manchmal kommen wir auch einfach zum Schluss, Analytik zu machen.»
Knackpunkt: Change Management
Marc Holitscher rät Unternehmen insgesamt, mit einfachen Anwendungen den Schritt in die KI-Welt zu wagen. Die ersten Projekte müssten aus seiner Sicht besonders eines sein: erfolgreich. «Dies wird genügend Interessengruppen in der Firma überzeugen, in weitere KI-Projekte zu investieren», ist er überzeugt. Entscheidend sei dabei, von Beginn weg eine möglichst konkrete Idee vom erwarteten Resultat zu haben und messbare Erfolgsindikatoren für den Weg dahin zu definieren. Auch die Kultur ist für ihn eine entscheidende Komponente: «Es braucht eine gewisse Offenheit zu experimentieren. Und es braucht Mut, bestehende Prozesse, Produkte und Services zu hinterfragen.» Für Mario Crameri ist aus Erfahrung bei der Einführung von KI nicht die Technologie die grösste Herausforderung, sondern das Change Management. Es gelte deswegen, ein Gebiet auszuwählen, wo das Potenzial von KI schnell ersichtlich wird, und Sponsoren zu finden, die das Projekt tragen – Unterstützer aus der Geschäftsleitung sowie Anwender, die für die Technologie offen sind. «Die Teams müssen lernen, damit umzugehen und sich darauf einzulassen.»
“Es braucht eine gewisse Offenheit zu experimentieren. Und es braucht Mut, bestehende Prozesse, Produkte und Services zu hinterfragen„
Marc Holitscher, Microsoft
Auf die Technologie eingelassen haben sich laut Annika Schröder die Mitarbeitenden der UBS. Denn KI sei in vielen Fällen dazu gedacht, Menschen zu assistieren sowie Arbeit wertvoller und informierter zu machen. «Es geht dabei nicht um die Vollautomatisierung und den Ersatz ganzer Abteilungen oder Funktionen», betont sie. Die menschliche Expertise wird die Bank beibehalten. «Das Bankgeschäft ist ein Vertrauensgeschäft und Vertrauen schaffen Menschen. Auch mit unserem Multikanal-Ansatz werden Kunden ihre finanziellen Ziele weiterhin mit einem Berater besprechen wollen.» Künftig werde es aber dennoch eine stärkere Beimischung von Technologie geben. Für sie ist klar: «KI ist zusammen mit Blockchain einer der wichtigsten Innovationstreiber und wird die Finanzbranche sowie deren Geschäftsmodelle grundlegend beeinflussen.»
Erklärung
Machine Learning in drei Sorten
Das maschinelle Lernen lässt sich grundsätzlich in drei Arten unterscheiden: Supervised Learning (überwachtes Lernen), Unsupervised Learning (unüberwachtes Lernen) und Reinforcement Learning (verstärkendes Lernen). In die Kategorie des Supervised Learning fallen Algorithmen, die – um selbstständig Entscheidungen treffen zu können – erst mit klassifizierten Daten trainiert werden. Der Lernprozess basiert dabei auf einem Trainingsdatensatz, die Evaluierung des Modells erfolgt danach anhand eines Testdatensatzes. Ansätze des Unsupervised Learning versuchen dagegen, Muster in bestehenden Daten zu finden – ohne im Voraus bekannte Zielwerte. Der Algorithmus muss dabei selbst Kategorien finden. Beim Reinforcement Learning soll für ein bestimmtes Problem eine optimale Lösung erlernt werden. Dabei kommt eine maximierende Anreiz- oder Belohnungsfunktion zum Einsatz. Dem Algorithmus wird zwar nicht gezeigt, welche Aktion in einer bestimmten Situation die beste ist, seine Wahl wird aber entweder bestraft oder belohnt.
Quelle: Buxmann und Schmidt, «Künstliche Intelligenz», Springer-Gabler, 2019