Mental stärker werden – dank Software-Training
Fernziel Smartphone-App
Langfristiges Ziel ist, die Methode für Smartphones kompatibel zu machen. «Dann könnte man am Handy in Echtzeit Rückmeldung zum eigenen mentalen Zustand erhalten», sagt Meissner, «um dann diesen Zustand gezielt zu beeinflussen.» Damit eine solche Handy-App einst Realität wird, muss sich MyFlow allerdings noch in der Praxis beweisen.
Eine Herausforderung sind etwa die Lichtverhältnisse. «Licht vergrössert oder verkleinert unsere Pupillen weit stärker als unser Erregungszustand», erklärt Bächinger. Um im Alltag zu funktionieren, muss die Software die entscheidenden Veränderungen im Waldschatten aber genauso erkennen wie unter der Strandsonne. «Das ist eine technologische Herausforderung», sagt er. «Aber sie ist machbar.» Weil die Nutzung auf dem Smartphone ein wichtiges Fernziel ist, testet Bächinger sie bereits heute: mit Hilfe eines Geräts, das die Benutzung des Smartphones als VR-Brille ermöglicht.
Bächinger beschäftigt sich seit Jahren damit, wie die Prozesse in unserem Gehirn beeinflusst werden können. Seine Doktorarbeit schrieb er zu nicht-invasiven Methoden der Hirnstimulation. Auf die Idee für MyFlow kam er durch Nicole Wenderoth, Professorin für neuronale Bewegungskontrolle an der ETH Zürich. «Eines Tages kam sie aus einer Konferenz zurück und sagte: ‚Vielleicht können wir die Aktivität des Locus coeruleus willentlich beeinflussen.‘» Als Wissenschaftler habe er die Idee zunächst für Unfug gehalten. «Es war schwer zu glauben, dass es so einfach ist. Aber wir experimentierten, und schliesslich haben wir gesehen, dass es funktionieren könnte.»
Schlafprobleme wegtrainiert
Bächinger kümmert sich heute um die technologische Weiterentwicklung der Software. Mit Unterstützung des ETH Pioneer Fellowship arbeitet er zudem an der Business-Entwicklung. Für die wissenschaftliche Validierung der Methode zuständig ist Sarah Meissner. Die in Konstanz und Düsseldorf ausgebildete Psychologin und Neurowissenschaftlerin hatte sich zuvor in ihrer Forschung unter anderem mit der Parkinsonerkrankung beschäftigt, bei der Nervenkrankheit scheint der Locus Coeruleus ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen.
Das Leben als Unternehmer, sagt Bächinger zum Schluss, unterscheide sich stark von jenem als Forscher. Das Start-up-Leben sei sehr dynamisch, und dazu gehöre auch die Unsicherheit, ob alles so klappt, wie erhofft. Bei Bächinger ging das so weit, dass die Gedanken oft gar nie Feierabend machten: er hatte Schlafprobleme. Doch die trainierte er weg – mit Hilfe von MyFlow.
«Wenn ich wieder mal nicht einschlafen konnte, versuchte ich, an gar nichts zu denken.» Tagsüber verfeinerte er diese Strategie namens Blank Mind mit Hilfe seines Tools. Das gelang ihm immer besser. «Mittlerweile schlafe ich wieder ganz gut», sagt er.
Dieser Artikel ist zunächst auf ETH News erschienen.
Autor(in)
Andres
Eberhard, ETH-News