Für und wider Cloud
24.06.2019, 06:10 Uhr
Office 365 entzaubert
Auf dem Papier ist Office 365 ein attraktives Angebot. 150 Millionen Nutzer zählt das Cloud-Office bereits jetzt. Sie profitieren vom grossen Lieferumfang, müssen aber auch mit einigen Unzulänglichkeiten leben.
Die bekannten Programm-Icons von Office verwendet Microsoft sowohl für den Desktop als auch für die Cloud
(Quelle: Microsoft)
Können sich über 150 Millionen Anwender irren? Denn so viele Nutzer zählt Microsofts Office 365 im geschäftlichen und privaten Bereich. Wenn auch einige davon die Cloud-Lösung nicht vollkommen freiwillig einsetzen dürften, sollte die Mehrheit aber immerhin mit den Programmen und Services mehr oder weniger leben können. In der Schweiz wechselten in den vergangenen Monaten der Elektroinstallationsdienstleister AZ Elektro, der Industriekonzern Bomatec aus Höri, der Gossauer Lebensmittelgrosshändler CCA Angehrn, das Ingenieurunternehmen Hunziker Betatech, die Ratingagentur Inrate, der Schulungsbetrieb login Berufsbildung, die Schule «Profil Berufsvorbereitung Winterthur» an den Standorten Grüze und Wülflingen, der Wetziker Verkabelungsspezialist Reichle & De-Massari, die Roggenstock Lodge im schwyzerischen Oberiberg sowie das Schweizerische Rote Kreuz in Bern und Wabern zu Office 365. Um nur einige Beispiele zu nennen.
Sie alle sind den Argumenten von Microsoft und Schweizer Partnern wie Ategra, Baggenstos, Bögli ICT, Nexellent, ProCloud, Swisscom oder Upgreat gefolgt, nach denen das Office aus der Cloud viele Vorteile bringt. Die Bedienoberflächen sind den Anwendern vertraut, der Funktionsumfang ebenfalls. Durch den Online-Zugriff wird ausserdem die Zusammenarbeit vereinfacht. Unterm Strich profitieren die Kunden von einer bedarfsabhängigen Lizenzierung und Abrechnung. Gleichzeitig werden die IT-Verantwortlichen von den Administrationstätigkeiten befreit und können Ressourcen neu für das Kerngeschäft einsetzen. So funktioniert zumindest die Logik von Microsoft. Die tönt aber zu gut, um tatsächlich wahr zu sein.
Office 365 ist «nur» Office
Zunächst einmal handelt es sich bei Office 365 in den meisten Fällen um ein herkömmliches Office-Paket für den Desktop. Für langjährige Nutzer der Microsoft-Lösungen sind die Änderungen also nicht so spektakulär gross. Sie kommunizieren wie gehabt via Outlook, produzieren die Geschäftsdokumente in Word, kalkulieren in Excel, präsentieren mit PowerPoint etc. Alle Programme sind lokal auf der Festplatte installiert – was durchaus mit Herausforderungen verbunden sein kann. Denn insbesondere der grosse Speicherverbrauch geschäftlicher Outlook-Postfächer kann knapp dimensionierte Festplatten in Laptops durchaus stark beanspruchen. Und auch die Dateien speichern die Anwender nicht etwa in einer nebulösen «Cloud», sondern wie gehabt unter «Eigene Dokumente» – respektive dem firmeninternen Fileshare. Innerhalb der Anwendungen lassen sich Add-ins integrieren, Makros laufen wie immer und individuelle Vorlagen können verwendet werden. Der Funktionsumfang der Office-Anwendungen entspricht exakt demjenigen der Desktop-Programme.
Das Desktop-Office hat zwar alle Vorteile der herkömmlichen Programme, aber auch alle Nachteile. Der Funktionsumfang ist riesig und wird nur in den wenigsten Fällen wirklich genutzt. Sprich: Hier werden unnötig Ressourcen verschwendet. Alle Anwender haben ausserdem freie Hand: In den Business- und Enterprise-Preisplänen sind fast ausnahmslos üppige 15 Lizenzen pro Benutzer enthalten (jeweils fünf für Desktops, Smartphones und Tablets). Hier droht Wildwuchs auf geschäftlich genutzten und allenfalls auch privaten Endgeräten. Denn was und wo installiert wird, kann der Anwender selbst entscheiden und steuern. Anschliessend muss der Administrator schlimmstenfalls mit den entsprechenden Lizenz- und Systemmanagement-Tools die User-Willkür wieder eindämmen.