29.06.2011, 17:34 Uhr

Business-Szenarien für Open-Source-Software

Open-Source-Software senkt die Kosten und befreit Schweizer Firmen aus der Abhängigkeit von proprietären Anbietern. Jedoch gilt es, Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander anzuwägen. Drei typische Business-Szenarien helfen bei der Entscheidung.
Kosteneinsparungen sind gemeinhin das Hauptargument für den professionellen Einsatz von Open-Source-Software (OSS). Die Lizenzgebühren, die jeder Anbieter proprietärer Lösungen verlangt, fallen weg, und das gibt Anlass zur Freude. Wartung, Support und Schulungen für Anwender verursachen jedoch weiterhin Kosten. Langfristig sei die Kostenentwicklung bei OSS zwar positiv, bestätigt Matthias Stürmer, Geschäftsleiter der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit. Kurzfristig könnten durch die Migration von proprietären Lösungen auf OSS die IT-Kosten aber sogar noch ansteigen. Den primären Benefit, den Schweizer Unternehmen aus OSS ziehen können, sieht Stürmer denn auch nicht in reduzierten Kosten, sondern in der Unabhängigkeit von proprietären Anbietern. Mit OSS behalten Kunden die Kontrolle über Software (Sourcecode) und Daten (Formate). Sie können jederzeit den Wartungspartner wechseln, bleiben nicht proprietären Providern wie Microsoft oder SAP auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Auf der anderen Seite verkaufen proprietäre Lösungsanbieter nicht nur Software, sondern auch Sicherheit: Sie verpflichten sich mit Vertragsabschluss zu Gewährleistungen, regelmässigen Updates/Upgrades, Support, Wartung und sie leisten Schadensersatz. Um diese Problemfelder müssen sich OSS-Kunden selber kümmern. Stürmer sieht drei belastbare Business-Szenarien - mit Vor- und Nachteilen. Auf der nächsten Seite: «Szenario 1: Einsatz ohne professionellen Support»

Szenario 1: Einsatz ohne professionellen Support

Unternehmen laden OSS kostenlos aus dem Internet und setzen sie so ein, wie sie vorliegt. Einsatzbereich: nicht-geschäftskritische Bereiche Zielgruppe: private, kleine und mittlere Unternehmen, kleine Schulen, Non-Profit-Organisationen Vorteile: niedrige Kosten, rasche Umsetzung Nachteile: kein garantierter Support, keine Haftungsansprüche Risiko und Absicherung: hohes Risiko, es bestehen keinerlei Support-Verträge oder Garantien. Business-Szario 1 bietet die grössten Kosteneinsparungen, aber auch das höchste Risiko. Für den professionellen, geschäftskritischen Einsatz - die IT muss laufen - ist es daher nicht empfehlenswert. Eine die Risiken minimierende Alternative besteht darin, ein unternehmensinternes OSS-Team aufzubauen. Auf der nächsten Seite: «Szenario 2: Einsatz mit internem Support»

Szenario 2: Einsatz mit internem Support

Interner Aufbau von Knowhow und Ressourcen, um bestimmte Open-Source-Lösungen intensiv und langfristig einzusetzen. Einsatzbereich: Geschäftskritische Bereiche und wettbewerbsdifferenzierende Technologien Zielgruppe: Grossunternehmen, öffentliche Verwaltungen, grosse Institutionen Vorteile: hohe Flexibilität dank internem Knowhow, keine Abhängigkeit von Anbietern Nachteile: hohe Investitionen und grösser Zeitaufwand durch Knowhow-Aufbau, höhere interne Fixkosten (Personal) Risiko und Absicherung: mittleres Risiko - der Support hängt von Knowhow und Verfügbarkeit der internen IT ab Business-Szenario 2 reduziert Risiken spürbar und vermeidet das bei Problemen gefürchtete "Finger Pointing". Keiner fühlt sich verantwortlich. Allerdings schlagen die Kosten für die interne OSS-Eingreiftruppe ein wenig aufs Gemüt. Denn das IT-Budget wollte man durch den OSS-Einsatz ja gerade entlasten. Für den geschäftskritischen, professionellen Einsatz ist daher laut Stürmer das Business-Szenario 3 am geeignetsten. Nächste Seite: Das erfolgversprechende Business-Szenario 3 

Szenario 3: Einsatz durch externe Anbieter

Unterstützung durch einen externen Anbieter, um OSS rasch zu integrieren und anzupassen. Ein Anbieterwechsel ist jederzeit möglich. Einsatzbereich: Geschäftskritische Bereiche, die vertieftes Software-Knowhow erfordern Zielgruppe: Grossunternehmen, öffentliche Verwaltungen, grosse Institutionen Vorteile: Korrekturen und Weiterentwicklung auf Auftragsbasis, verschiedene OSS-Anbieter zur Auswahl, weitere Vorteile gemäss Service Level Agreements (SLA) Nachteile: externe Kosten durch OSS-Anbieter, Knowhow-Abhängigkeit vom OSS-Anbieter Risiko und Absicherung: niedriges Risiko - Gewährleistung geschieht gemäss Auftragsbeschreibung und/oder Service Level Agreements Viele Schweizer Unternehmen werden mit einem speziellen Mix aus internem Support und externen Anbietern am Besten fahren. Die richtige Mischung macht's, auch beim Mix aus Open-Source- und proprietärer Software. Klaus Krohman, Executive Director Legal bei Ernst & Young, rät davon ab, beispielsweise die gesamte Finanzbuchhaltung durch "Quelloffene Software" zu ersetzen. Vielmehr geht es um Extensions, Add-ons und offene Module, die einen proprietären Kern ergänzen. Auch viele klassisch-proprietäre Lösungsanbieter haben dieses Geschäftsmodell bereits für sich entdeckt.


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