KI sagt Lawinengefahr voraus

KI macht andere Fehler als Menschen

Bevor KI-Modelle für kritische Entscheidungen, wie Lawinenprognosen, in der Praxis verwendet werden können, müssen sie ausgiebig überprüft werden. In den vergangenen drei Wintersaisons haben die Lawinenwarnerinnen und -warner des SLF in Davos die KI dazu genutzt, die nach traditioneller Methode erarbeiteten Prognosen mit der maschinellen zu vergleichen und auszuwerten.
«Das KI-Modell erreicht zwar noch nicht ganz das Niveau von menschlichen Prognosen, aber es liefert konsistente Ergebnisse bei gleichem Input und macht andere Fehler als der Mensch. Dadurch eignet es sich gut, menschliche Prognosen aus einem anderen Blickwinkel zu hinterfragen», sagt Frank Techel, Lawinenwarner beim SLF.
Die ETH zählt auf ihrer Website KI zu den «Technologien, die es Computern ermöglichen, Menschen bei Aufgaben zu helfen, die Intelligenz zur Lösung erfordern.»
Quelle:  ETH Zürich/John Devolte
Obwohl die KI im Allgemeinen eine Genauigkeit aufzeigt, die der des Menschen nahekommt, wurden bestimmte Fehlermuster identifiziert. Ein Beispiel hierfür ist die Herausforderung bei der Vorhersage der Gefahrenstufen bei Altschneebedingungen. Zudem zeigt die KI eine geringere Präzision bei den Gefahrenstufen 4 und 5 im Vergleich zu den restlichen Stufen. Es ist deshalb wichtig, diese typischen Fehler zu kennen, um die von KI erstellten Prognosen mit Bedacht in den Entscheidungsprozess einbeziehen zu können. Eine zentrale, noch nicht abschliessend geklärte Fragestellung ist die der optimalen Integration des KI-Modells in den Prognoseprozess. Insbesondere stellt sich die Frage, ob das KI-Modell situativ als externe Expertenmeinung hinzugezogen werden sollte oder ob es stärker automatisiert in die Prognose einfliesst. Jedoch, wie Lawinenwarner Frank Techel erläutert, ist er überzeugt, dass eine räumlich und zeitlich höher aufgelöste Lawinenprognose nur mittels KI-basierten und physikalischen Modellen erreicht werden kann.

Wie weiter?

Das Projekt «DEAPSnow» markiert durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz einen bedeutsamen Fortschritt in der Lawinenprognose. Es legt den Grundstein für präzisere, zeitnahe und automatisierte Lawinenvorhersagen, indem es menschliche Expertise mit KI-Modellen kombiniert. Dies verdeutlicht, wie die enge Kooperation zwischen Fachpersonen des SLF und Datenforschende des SDSC den Einsatz von künstlicher Intelligenz vorantreibt. Dennoch besteht genug Raum, die bestehenden KI-Modelle zu verbessern, um zukünftig die Sicherheit in Bergregionen noch effektiver zu gewährleisten.
«Es ist stets faszinierend, die Grenzen der KI-Modelle für umwelt- und geowissenschaftliche Anwendungen zu erforschen und auszuloten, insbesondere für die Bewertung von Naturgefahren. Die Lösungsansätze sind oft alles andere als trivial und erfordern spezifische Anpassungen der Standardmethoden», sagt Michele Volpi, Lead Data Scientist beim SDSC.
“Das KI-Modell erreicht zwar noch nicht ganz das Niveau von menschlichen Prognosen, aber es liefert konsistente Ergebnisse bei gleichem Input und macht andere Fehler als der Mensch. Dadurch eignet es sich gut, menschliche Prognosen aus einem anderen Blickwinkel zu hinterfragen.„
Frank Techel, Lawinenwarner beim SLF
Ein weiterführendes Projekt entwickelt eine innovative Methode zur Echtzeiterkennung von Lawinen in seismischen Daten, anhand der von ihnen erzeugten Vibrationen, ähnlich, wie es bei der Erdbebenerkennung der Fall ist. Eine Umsetzung dieser Methode in ein schweizweites Erkennungssystem könnte Lawinenwarnende dabei unterstützen, die zeitliche Komponente der Lawinengefahr besser zu beurteilen.
Gleichzeitig steht ein Projekt in den Startlöchern, das beabsichtigt, Mess- und Simulationsdaten an IMIS-Stationen mittels Interpolationsverfahren in höherer Auflösung zur Verfügung zu stellen. Dies wiederum ermöglicht KI-Modellen, die Gefahrenstufe in einer höheren Auflösung vorherzusagen.
Die Autoren
Alessandro Maissen ist Data Scientist beim Swiss Data Science Center (SDSC). Er war in seiner Masterarbeit am Projekt «DEAPSnow» beteiligt, das in enger Zusammenarbeit zwischen dem SDSC und dem WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF umgesetzt wird.
SDSC
  • Alessandro Maissen, Data Scientist
  • Dr. Michele Volpi, Lead Data Scientist
  • Dr. Guillaume Obozinski, Deputy Chief Data Scientist
  • Prof. Dr. Fernando Perez-Cruz, Deputy Executive Director, Chief Data Scientist
SLF
  • Andri Simeon, Wiss. Mitarbeiter Lawinenbildung und Lawinendynamik
  • Dr. Cristina Pérez Guillén, Wiss. Mitarbeiterin Lawinenbildung und Lawinendynamik
  • Dr. Frank Techel, Wiss. Mitarbeiter in der Lawinenwarnung
  • Dr. Alec van Herwijnen, Leiter Abt. Lawinenbildung und Lawinendynamik
  • Dr. Martin Hendrick, Wiss. Mitarbeiter Lawinenbildung und Lawinendynamik
  • Prof. Dr. Jürg Schweizer, Leiter des Instituts



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