Dragon Dictate für den Mac
01.02.2011, 10:43 Uhr
Das Ende der Tipperei?
Die Spracherkennung wartet immer noch auf ihren Durchbruch. Doch jetzt nimmt Dragon Dictate einen kräftigen Anlauf, um das zu ändern. Computerworld.ch hat getestet, wie gut der Mac auf die Stimme seines Herrn hört.
Zuerst ein wenig Geschichte: Dragon Dictate ist keine komplette Neuentwicklung, sondern basiert auf der eher glücklosen Spracherkennung «MacSpeech». Diese wiederum wurde von der Firma Nuance aufgekauft und weiterentwickelt, also jener Firma, die zurzeit als Marktführer im Bereich der Spracherkennung gilt. Sie bietet ausserdem mit Dragon NaturallySpeaking die momentan wohl beste PC-Software für die Spracherkennung an. Wenn also eben diese Firma verkündet, dass die neue Mac-Version mit der Spracherkennungs-Engine der aktuellen PC-Version arbeitet, geht die Erwartungshaltung durch die Decke.
Lieferumfang
Dragon Dictate kann direkt auf der Website des Herstellers heruntergeladen werden, doch damit verpasst man etwas. In der abgepackten Version befindet sich nämlich nicht nur die Software selbst, sondern auch ein (ausdrücklich kompatibles) Mikrofon. Für den Mac werden zwei Varianten angeboten: Eine günstigere mit einem USB-Headset für rund 160 Franken, so wie die Luxusvariante mit Bluetooth-Headset für rund 230 Franken. Die Software ist jedoch in beiden Fällen dieselbe. Für den Test stand uns die USB-Variante zur Verfügung ? «leider», wie man noch anfügen muss, denn das billige Plastik-Headset war so starr und unbequem, dass es wohl nur ausgebildete Masochisten länger als 20 Minuten tragen können. Hier empfiehlt es sich dringend, auch noch andere Headsets auf ihre Kompatibilität hin zu prüfen, denn schlimmer kann es nicht werden. Oder man gönnt sich gleich die Bluetooth-Varianten. Auf der nächsten Seite: Inbetriebnahme und Training
Inbetriebnahme und Training
Die Installation dauert nur wenige Minuten. Nach dem Start macht sich Dragon Dictate sowohl im Dock als auch in der Menüleiste bemerkbar. Der Erkennungsmodus wird entweder mit einem Kurzbefehl oder einem Klick auf das Symbol in der Menüleiste (de-)aktiviert.
Doch bevor überhaupt irgendetwas erkannt wird, muss jeder Anwender sein Training durchlaufen. Dabei werden Texte vorgelesen, sodass Dragon Dictate nicht nur die Stimme des Benutzers kennenlernt, sondern auch die Audio-Qualität des Headsets. Jede Passage wird so lange vorgelesen, bis sie erkannt worden ist ? oder die Schaltfläche «Überspringen» angeklickt wird. Meistens klappt die Erkennung jedoch auf Anhieb, und so dauert das ganze Training nur etwa 15 Minuten. Die Erkennung kann noch ein wenig verbessert werden, indem zusätzliche Trainingseinheiten absolviert werden, die jedoch grundsätzlich freiwillig sind. Nächste Seite: Das leistet die Spracherkennung
Das leistet die Spracherkennung
Soviel zur Einrichtung. Die wichtigste Bewährungsprobe steht jedoch noch bevor, nämlich die Texterkennung. Und genau hier beginnt das Trauerspiel. Nach anfänglichen Erfolgserlebnissen bei allgemein gehaltenen Texten wird schnell klar, dass die Erkennungsrate bei Fachausdrücken in den Keller rasselt. Zwar lassen sich nicht erkannte Begriffe trainieren und zum Wortschatz hinzufügen, doch damit wird die Erkennung nicht immer besser. So schaffte es Dragon Dictate auch nach mehreren Anläufen nicht, die Begriffe «Apple» und «App» zu unterscheiden, sondern lieferte weiterhin willkürliche Resultate. Andere Wörter wurden trainiert und einige wenige Mal erkannt, bevor scheinbar das grosse Vergessen einsetzte und die Erkennungsrate wieder schlechter wurde.
Die mässige Erkennung zeigt schonungslos auf, dass Dragon Dictate eben doch keine würdige Alternative zur Windows-Version ist. Mag sein, dass die Spracherkennung-Engine für den Mac umgesetzt wurde, doch das ist nur die halbe Miete. Die Windows-Version nimmt ständig kleine Optimierungen am Sprachprofil des Benutzers vor, während die grösseren, rechenintensiven Analysen der Sprechweise irgendwann in der Nacht vorgenommen werden. Diese Verfeinerungen fehlen der Mac-Version völlig. Das Testfazit finden Sie auf der nächsten Seite. Doch die Lern-Unfähigkeit ist nicht das einzige Manko. So wird jedes noch so kurze Räuspern als Texteingabe interpretiert, was zu willkürlichen Buchstabenfetzen führt. Häufig werden dem Satzanfang (!) Leerzeichen hinzugefügt, die anschliessend mühsam korrigiert werden müssen. Und wenn ein Satz in der Mitte ergänzt wird, stimmen die Leerzeichen oder die Gross-/Kleinschreibung nur in Ausnahmefällen. Die zwangsläufig folgenden Korrekturen machen anschliessend den ganzen Zeitvorteil zunichte. Und zu guter Letzt fehlen auch noch die Systemkommandos. Noch nicht einmal der Befehl «Speichern» ist über Spracheingabe möglich.
Fazit
Dragon Dictate hinkt meilenweit hinter seinem Windows-Pendant her. Zwar ist das Potenzial unverkennbar, doch in der jetzigen Version kann es kaum jemanden empfohlen werden. Am besten lässt man diese Karawane an sich vorbeiziehen und wartet auf die nächste Version.
Harald Schodl