16.02.2015, 09:07 Uhr

High-Performance in der Cloud - geht das?

High-Performance-Anwendungen in der Cloud nutzen: Das klingt verlockend. Hohe Skalierbarkeit und Flexibilität könnten so auch im Umfeld von HPC-Anwendungen zum Tragen kommen. Doch das Thema ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.
Der Autor ist Director HPC-Solutions bei Transtec AG.
Anwendungen im Bereich HPC (High-Performance Computing) sind heute keineswegs mehr nur ein Thema von grossen Konzernen und Universitäten. Auch kleine und mittelständische Unternehmen nahezu jeder Branche nutzen immer häufiger HPC-Applikationen. Früher erforderten HPC-Systeme den Einsatz teurer Grossrechner und Supercomputer. Exemplarische Anwendungen waren komplexe und rechenintensive Simulationen und Datenanalysen in Bereichen wie Molekularbiologie oder Luft- und Raumfahrt. Doch die technologische Entwicklung schreitet kontinuierlich voran und hat die horrend teuren Grossrechnerlösungen verdrängt: Sie werden mehr und mehr von im Vergleich geradezu billigen Clustern auf Basis standar­disierter x86er-Systeme abgelöst. Das hat dazu beigetragen, dass auch kleine und mittlere
Unternehmen heute leistungsfähige HPC-Systeme kostengünstig betreiben können.

Hohes Anwendungspotenzial

Im industriellen Umfeld werden HPC-Systeme vor allem für die Entwicklung und Verbesserung von Produkten, für die Optimierung von Produktionsprozessen und zur Analyse grosser Datenbestände genutzt. Beispiele sind Crash-Simu­lationen bei Automobilherstellern oder die Berechnung des optimalen Energiemixes durch Stromanbieter. Bei akademischen Institutionen stehen Simulationen zur Überprüfung von Theo­rien und Experimenten, Modellierungen in der Klima- oder Materialforschung sowie ebenfalls umfangreiche Datenanalysen im Vordergrund. Dass auch kleine und mittlere Unternehmen zunehmend HPC-Systeme nutzen, zeigen zwei Beispiele. In der Automobilindustrie sind heute Hunderte von Ingenieursdienstleistern tätig, die den Herstellern HPC-gestützt zuarbeiten. So werden wichtige KFZ-Komponenten wie Bremsen, Sitze, Airbags, Einspritzpumpen oder Klimaanlagen und deren Verhalten tausendfach simuliert, bevor sie in Produktion gehen. Das andere Beispiel: In der Molekularbiologie wird HPC für die Genomanalyse verwendet. Hunderte kleine und mittelgrosse private Labore führen täglich Dutzende von Sequenzierungen von Genom­abschnitten durch. Durch Mustersuche in den sequenzierten Abschnitten kann beispielsweise der Einfluss von Viren bei Krebserkrankungen ermittelt werden.

Vorteile der Cloud für HPC

Voraussetzung für die Nutzung von HPC-Anwendungen ist eine Infrastruktur mit hoher Rechenkapazität, wie sie mit einer Cluster-Lösung realisierbar ist. Wenn eine solche Um­gebung benötigt wird, liegt es nahe zu prüfen, ob nicht auch ein Cloud-Angebot infrage kommt, also, ob man die Kapazitäten eines externen Dienstleisters in Anspruch nehmen kann. Zunächst verspricht die Cloud-Nutzung natürlich einige Vorteile. Es ist nicht erforderlich, eigene IT-Ressourcen aufzubauen und vor­zuhalten – unter Berücksichtigung der für HPC-Applikationen spezifischen Sizing-Thematik im Rechenzentrum im Hinblick auf Aspekte wie CPU- und GPU-Leistung, Arbeitsspeicher, Storage-Kapazität oder Netzwerk. Auch die schnellere Skalierbarkeit der Infrastruktur bei einem externen Dienstleister spricht für die Cloud. Und nicht zuletzt kann mit einer HPC-Cloud auch der unternehmensinterne Administra­tionsaufwand deutlich verringert werden.

Kritische Punkte

Wie bei jeder Entscheidung für oder gegen die Cloud sind auch beim Thema HPC Aspekte wie Bandbreite, Verfügbarkeit, Datenmigration oder Festlegung von Service Level Agreements zu beachten. Zusätzlich gibt es aber auch mehrere HPC-Spezifika zu berücksichtigen. Im Wesentlichen betrifft das die drei Aspekte Sicherheit, Datenmenge und Lizenzmodell, die vielfach der Grund sind, dass HPC-Systeme nicht in der Cloud betrieben werden. Sicherheit: Erstens sind HPC-Daten in aller Regel unternehmenskritisch. Für Industrie­unternehmen stellen sie meistens einen wesentlichen Bestandteil der eigenen Wertschöpfungskette dar. Das spricht häufig gegen eine Auslagerung der Daten in eine Public Cloud. Datenmenge: Zweitens erschweren die Transfers grosser Datenmengen die HPC-Cloud-Nutzung. Das betrifft sowohl die umfang­reichen Input-Daten für Analysen als auch die grossen Ergebnisdatensätze von Simulationsläufen, deren Postprocessing im eigenen Unternehmen und unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur erfolgt. Lizenzmodelle: Drittens sind auch die Lizenzmodelle der Applikationshersteller nach wie vor ein Hinderungsgrund für eine breitere Nutzung von HPC-Cloud-Modellen, denn bei vielen Anwendungen ist keine On-Demand-Nutzung möglich. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Beispiele

Beispiel einer HPC-Cloud

Das heisst aber nicht, dass HPC und Cloud sich gegenseitig ausschliessen. Denn es gibt durchaus Bereiche, in denen ein Trend zur HPC-Cloud zu erkennen ist – und die Vorteile eines solchen Ansatzes extrem weitreichend sind. Gerade akademische Institutionen setzen heute in im-mer stärkerem Mass auf HPC in der Cloud. Ein aktuelles Beispiel zeigt die Vorteile: Bis Anfang 2013 hat die Technische Universität (TU) Clausthal ihren Studentinnen und Studenten für HPC-Anwendungen Workstations und Standard-PCs zur Verfügung gestellt. Die TU wollte diese heterogene Infrastruktur konsolidieren und hat deshalb Transtec mit der Implementierung einer Private-Cloud-Um­gebung beauftragt, um das Rechenzentrum den Anwendern als IaaS- oder SaaS-Lösung zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen des Projekts wurde ein leistungsfähiger Cluster aufgebaut, der aus 24 Rechenknoten mit ins-gesamt 384 Prozes-sorkernen besteht und 2,25 TB RAM bietet. Damit genügt die Rechenleistung allen in den Forschungs- und Entwicklungsbereichen genutzten Applikationen. Prinzipiell können dabei alle Anwender selbst entscheiden, ob sie vorinstallierte Applikationen inklusive Rechenleistung oder nur die HPC-Performance der Compute-Cloud nutzen wollen. Der Zugriff auf die Cloud-Umgebung kann sowohl aus dem internen Netzwerk heraus als auch über das Internet von jedem Standort aus erfolgen. Zentraler Vorteil des neuen Ansatzes ist die deutliche Reduzierung des in der Vergangenheit sehr hohen Administrations­aufwands und die optimale Ausschöpfung der bereitgestellten Compute-Ressourcen. Da die HPC-Ausgangslage bei vielen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten ähnlich ist, hat das HPC-Cloud-Modell der TU Clausthal durchaus Modellcharakter.

Cloud-fähige HPC-Anwendungen

Generell stehen heute vermehrt auch lastintensive HPC-Applikationen für eine Cloud-Nutzung zur Verfügung. Eine aktuelle Innovation betrifft das Remote 3D Processing. Transtec beispielsweise arbeitet in diesem Bereich mit dem Grid- und Cloud-Lösungsanbieter Nice zusammen. Das Unternehmen stellt eine Lösung zur Remote-Visualisierung bereit, die unter anderem ein inkrementelles Provisioning, On-Demand-Allokation sowie ein effizientes Management von Lizenzen und interaktiven Sessions bietet.

Fazit: Fallstricke beachten

Trotz der offensichtlichen Vorteile, Rechen­leistung und Speicherkapazität in der Cloud zu nutzen, sollten die Schwierigkeiten im Hinblick auf Sicherheitsanforderungen, HPC-typische Datenmengen und Lizenzmodelle nicht unterschätzt werden. Eine differenzierte Heran­ge-hensweise mit dem Abwägen von Vor- und Nachteilen ist für jedes Unternehmen zu empfehlen, das sich mit dem Gedanken trägt, Cloud-Dienstleistungen für HPC-Systeme zu nutzen. Auch wenn sich ein Unternehmen zunächst gegen eine HPC-Cloud entscheidet, bleibt ein konkreter Anwendungsfall immer noch denkbar: Das Cloud-Bursting, das heisst, der Zugriff auf zusätzliche Cloud-Ressourcen, wenn sich Engpässe bei den HPC-Rechenkapazitäten im eigenen Rechenzentrum ergeben.


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