Top 500 - Das Branchenranking 13.09.2021, 06:54 Uhr

Erfolgreich durchgekämpft - die Schweizermeister der ICT-Sparten

Die einzelnen Sparten der Schweizer ICT-Industrie sind unterschiedlich gut durch das Jahr 2020 gekommen, das durch die Corona-Massnahmen geprägt war. Besonders von der urplötzlichen Bereitstellung und Aufrüstung von Heimarbeitsplätzen profitierte die Branche.
Geschafft: Anouk Vergé-Dépré (vorne) und Joana Heidrich freuen sich über die Bronze-Medaille im Beachvolleyball
(Quelle: Keystone/Xinhua/Li He)
Freud und Leid: So dürfte ein Kürzestfazit von 2020 aus Sicht der unterschiedlichen Sparten der Schweizer Informations- und Kommunikations-Technologie-Branche (ICT) lauten. Während die Umsätze der in der Top-500-Erhebung von Computerworld erfassten Firmen insgesamt im letzten Jahr um 1,9 Prozent zulegten und die 80-Milliarden-Franken-Grenze überschritten, zeigt sich bei den von uns ermittelten Spartenumsätzen ein lebhaftes Auf und Ab.
So stiegen die Erlöse im PC-Umfeld, zu dem auch Notebooks und Tablets gezählt werden, um 12,3 Prozent. Noch etwas besser liefs derweil den Peripherie-Herstellern, deren Umsätze legten gar um 12,9 Prozent zu. Gut performte denn auch der Verkauf einschliesslich der Distribution. In diesem Umfeld liegen die Erlöse 2020 um gut 9 Prozent über jenen von 2019. Der Grund ist klar: Nach dem Lockdown und der Verfrachtung ganzer Belegschaften ins Home Office galt es, deren Infrastruktur aufzurüsten. Massenhaft wurden Notebooks und Bildschirme gekauft.
Dagegen lief das Geschäft mit Firmenkunden doch eher harzig. Bei den von Computerworld ermittelten 500 umsatzstärksten ICT-Firmen der Schweiz bedeutete dies, dass das Geschäft mit Servern äusserst stark litt und um gut 25 Prozent einbrach. Ebenfalls ein ziemlich schwieriges Jahr hatte der Ausbildungssektor. Durch den Knall auf Fall fehlenden Präsenzunterricht in den Schulen sanken hier die Umsätze um 11,2 Prozent.

Ambivalentes Bild

Auch die internationale Studie des European Information Technology Observatory (EITO) zum ICT-Markt zeichnet für die Schweiz ein zutiefst ambivalentes Bild. So konnte das Geschäft mit tragbaren Rechnern 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 9,1 Prozent zulegen. Besonders umsatzstark war dabei der Verkauf von Notebooks an private Konsumenten, dieser konnte um 12,1 Prozent zulegen, während der Verkauf von Business-Laptops mit einem Plus von 7,2 Prozent vergleichsweise harzte. Richtiggehend durch die Decke ging der Absatz von Tablets. Hier konnte der Markt um 17 Prozent zulegen.
Im Vergleich hierzu lief das Geschäft mit Desktop-PCs desolat. So schrumpfte der Markt für Tischrechner insgesamt um 15,3 Prozent. Besonders im Home Office scheint das portable Notebook eine bessere Falle zu machen als der klobige Desktop-PC, brachen die Verkäufe dieser Geräte im Consumer-Bereich doch gemäss EITO-Zahlen in der Schweiz um über 20 Prozent ein.
Auch Infrastruktur musste den Teleheimarbeitern ordentlich zur Verfügung gestellt werden. Denn das Geschäft mit sogenannter Infrastracture as a Service (IaaS) legte hierzulande um sage und schreibe 38,3 Prozent zu und übertraf die Steigerungsraten der Vorjahre nochmals um über 5 Prozentpunkte. Allerdings wird sich in diesem Bereich das Wachstum etwas abkühlen. Die EITO erwartet für das laufende Jahr in der Schweiz ein IaaS-Marktwachstum von «nur noch» 28,6 Prozent.

TELEKOMMUNIKATION

Eine der grössten Veränderungen im Schweizer ICT-Markt hat sich wohl im Bereich des Fernmeldewesens ereignet. Gegen Ende des Jahres, konkret Anfang November, konnte der britisch-amerikanische Kabelgigant Liberty Global als Besitzer des Schweizer Kabelnetzbetreibers UPC bekannt geben, dass er faktisch alle Aktien der zweitgrössten Fernmeldegesellschaft der Schweiz, Sunrise, übernommen hat und eine Verschmelzung der beiden Telekom-Provider anstrebt. Als Teil der grössten Akquisition in der Schweizer Telekom-Geschichte hatte Liberty Global 5 Milliarden Franken in bar an die Sunrise-Aktionäre bezahlt. Inklusiv Schulden wurde Sunrise mit 6,8 Milliarden Franken bewertet.
Der Zusammenschluss führt auch zu Verschiebungen in der Top-500-Liste von Computerworld. So kann die gemergte Sunrise UPC mit einem interpolierten Jahresumsatz von schätzungsweise 3,1 Milliarden Franken einen Platz wettmachen. In der Spartenausmarchung kommt der fusionierte Provider nun auf Platz zwei und erlaubt es Salt, auf den dritten Rang nachzurücken, der im Vorjahr noch von UPC allein gehalten wurde.
Die Zuwächse und Aufstiege dank Übernahme zeigen aber ein geschöntes Bild des Telekommunikationsmarkt der Schweiz. Setzt man die rosarote Mergerbrille ab, so zeigt sich, dass das Geschäft in diesem Bereich rückläufig ist. So schrumpfte der Gesamtumsatz von Swisscom um 3,1 Prozent auf 11,1 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Ein Jahr davor betrug das Minus noch 2,2 Prozent. Noch schlechter gehts im rein inländischen Geschäft: Hier musste Swisscom noch mehr Federn lassen, der Umsatz verringerte sich um 3,5 Prozent auf 8,3 Milliarden Franken.
Auch in der Bilanz von Sunrise war mit einem Minus zu rechnen. Im letzten publizierten Geschäftsbericht kommunizierte das Unternehmen in Sachen Umsatz einen Ausblick auf das Gesamtjahr 2020 zwischen 1840 und 1880 Millionen Franken. Dies hätte gegenüber dem Vorjahr einem Minus zwischen 2,5 und 0,4 Prozent entsprochen. Kein Wunder also, dass auch bei Salt, dem drittgrössten Telekom-Dienstleister der Schweiz, die Erlöse um 1,1 Prozent zurückgingen.
Dass der Schweizer wie der globale Telekom-Markt eher Mühe hat und einem knallharten Wettbewerb ausgesetzt ist, zeigt schliesslich auch die eingangs erwähnte EITO-Marktstudie. Diese sieht 2020 das Schweizer Fernmeldegeschäft um 2,3 Prozent schrumpfen und damit kräftiger als in den Vorjahren, als das Minus bei 1,0 und 0,6 Prozent lag. Immerhin: Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern nimmt sich das helvetische Minus noch gnädig aus, beträgt dieses laut EITO-Berechnung 3,8 Prozent. Zudem dürfte sich die Situation im laufenden Jahr entspannen. So gehen die Auguren 2021 für die Schweiz von einem vergleichsweise geringen Minus von 0,5 Prozent aus.

Glasfasernetz braucht Investitionen

Trotz sinkender Umsatzzahlen ist die Branche nach wie vor investitionsfreudig. Nicht zuletzt in den Netzausbau wird kräftig Geld gebuttert. Das ist im Fall der Glasfaserversorgung auch bitter notwendig. Denn hier macht die Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine eher schlechte Falle. Gemäss einer Analyse des Bundesamts für Kommunikation (Bakom), die unter dem Titel «Le marché suisse des télécommunications en comparaison internationale: analyse descriptive» nur auf Französisch erschienen ist, ist speziell die landesweite Abdeckung mit Glasfaser bis in die Gebäude (Stichwort: FTTH; Fibre to the Home) in der Schweiz mit einem Anteil von 30,3 Prozent weniger weit fortgeschritten als in den meisten anderen europäischen Ländern. Deren 20 weisen gemäss Bakom einen höheren Abdeckungsgrad auf als die Schweiz, darunter Staaten mit deutlich geringerer Pro-Kopf-Wirtschaftskraft als unser Land wie Bulgarien und Rumänien.
Immerhin will die Branche diesen desolaten Zustand ändern. So hat sich Swisscom das Ziel gesetzt, die Glasfaserabdeckung bis 2025 gegenüber dem Jahr 2019 zu verdoppeln. Das bedeutet, dass dannzumal 50 bis 60 Prozent der Haushalte und Geschäfte eine Bandbreite von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde werden nutzen können.

Viele Aktivitäten in Sachen 5G

Etwas anders sieht die Situation im Mobilfunkbereich aus. Hier können Schweizerinnen und Schweizer von einem der besten Netze Europas profitieren. In Sachen 4G und LTE ist quasi eine komplette Abdeckung erreicht. Und auch beim Nachfolgestandard 5G macht das Land eine gute Falle: Denn bei der Entwicklung von 5G in Europa nimmt die Schweiz eine Vorreiterinnenrolle ein. Alle drei Betreiber, also Swisscom, Sunrise und Salt, setzen 5G bereits in einem grossen Teil des Landes ein. Derzeit versorgt Sunrise nach Auskunft von Sunrise-UPC-CEO André Krause 800 Städte und Orte mit Highspeed-5G mit einer Geschwindigkeit von 2 Gigabit pro Sekunde und damit 80 Prozent der Bevölkerung. 94 Prozent der helvetischen Einwohnerinnen und Einwohner werden gemäss Krause bereits mit dem sogenannten Basis-5G abgedeckt, das Geschwindigkeiten von 1 Gigabit pro Sekunde erreicht.
“5G bleibt ein zentrales Thema und entscheidend für die leistungsfähige digitale Infrastruktur der Schweiz„
André Krause, Sunrise
«5G bleibt ein zentrales Thema und entscheidend für die leistungsfähige digitale Infrastruktur der Schweiz», erklärt denn auch Krause. IoT (Internet of Things), die Vernetzung von Infrastrukturen mit Geräten und Menschen sowie die Echtzeitsteuerung kritischer Produktionsabläufe seien Anwendungen, die 5G bieten werde, führt er weiter aus. «Davon hängen der zukünftige Erfolg der Wirtschaft und die Entwicklung der Gesellschaft ab», betont Krause und kritisiert die Hindernisse, die hierzulande in Bezug auf den weiteren 5G-Ausbau bestehen. «Die im Vergleich zum Ausland zehnfach strengeren Strahlenschutzrichtlinien, weitere Verschärfungen durch die Vollzugsvorschriften oder die komplexen Bewilligungsverfahren für Mobilfunkanlagen drohen aber, die flächendeckende Einführung der 5G-Funktionalitäten massiv zu verzögern», gibt Krause zu bedenken und folgert daraus: «Das wirkt sich nachteilig auf die gesamte ICT-Branche aus.»
Tatsächlich bleibt der Widerstand gegen den 5G-Ausbau in der Schweiz bestehen, hat aber an Kampfkraft eingebüsst. So wurden die verhängten 5G-Moratorien in den Kantonen Genf und Waadt wieder aufgehoben. Auch an der Initiativen-Front scheint sich die Gegnerschaft zu verzetteln. Noch sind drei Initiativen in der Ausformulierungsphase, darunter die Safer-Phone-Initiative und die in der Westschweiz verankerte Volksinitiative «zur vernünftigen Weiterentwicklung des Mobilfunks». Derweil sind bereits zwei Volksinitiativen nicht zustande gekommen und in Petitionen umgewandelt worden, so die «Mobilfunkhaftungs-Initiative» und die Volksinitiative «Für einen gesundheitsverträglichen und stromsparenden Mobilfunk». Dagegen bleibt der Widerstand auf lokaler Ebene bestehen. So werden doch immer wieder in einzelnen Gemeinden Baugesuche für 5G-Antennen abgelehnt.

ICT-DIENSTLEISTER

Neben schnellen Leitungen und Funkverbindungen sind auch die Bereitstellung weiterer IT-Dienstleistungen essenziell für eine immer digitaler werdende Wirtschaft und Gesellschaft. Nicht umsonst ist dieser Bereich mit Abstand der umsatzstärkste Markt. Und er konnte auch 2020 trotz schwierigem Umfeld nochmals leicht zulegen.
Als wichtigster Treiber dürfte dabei die Tatsache eine grosse Rolle spielen, dass immer mehr erbrachte Dienstleistungen auf der Cloud basieren. Und hier kam ohne Zweifel auch zum Tragen, dass die grossen Player Microsoft, Google und Oracle ihre Schweizer Cloud-Angebote nach der Einrichtung 2019 nun unter die Firmenkunden bringen konnten. Es sei der Anfang einer neuen Ära, die sie als «Cloud 3.0» bezeichnen, kommentiert Petra Jenner, die bei Salesforce als General Manager für die Schweiz und Osteuropa verantwortlich ist. «Die Cloud 3.0 ist eine Hyperscaler-Welt, wobei die öffentlichen Clouds die Bereitstellung von Diensten zu jeder Zeit und an jedem Ort wesentlich erleichtern», führt sie weiter aus.
“Wir nennen die neue Hyperscaler-Welt Cloud 3.0„
Petra Jenner, Salesforce
Tatsächlich ist die Cloud nicht nur ein Dienstleistungs-, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor. Dies zeigt auch eine Mitgliederbefragung des Branchenverbandes Swico, deren Ergebnisse in der sogenannten «House View» Anfang Jahr veröffentlicht wurden. Demnach wollen die Swico-Mitglieder 32 Prozent und somit den grössten Anteil der geplanten Investitionen in die Cloud stecken. Dies sei eine Erweiterung des diesbezüglichen Investitionsvolumens von 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verglichen mit den anderen von Swico registrierten Trends im ICT-Umfeld und der globalen Entwicklung sei dies überdurchschnittlich, konstatiert der Verband in der «House View». Am aktivsten in Sachen Cloud-Projekte sind dabei die Finanzdienstleister und Versicherungen. 14 Prozent der Vorhaben – 5 Prozent mehr als im Vorjahr – werden in dieser Branche realisiert.
Vom beschriebenen Cloud-Trend profitieren derweil auch ganz klassische IT-Dienstleister wie T-Systems. Laut Peter Lenz, Managing Director von T-Systems Alpine, schlägt nun die Stunde der Cloud. «Wir sehen, dass der Appetit auf Cloud-Lösungen bei unserer Kundschaft enorm gestiegen ist», berichtet er und betont in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit von innovativen Cloud-Plattformen, die auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten seien. «T-Systems hat beispielsweise in den letzten Monaten die strategische Zusammenarbeit mit den Hyperscalern wie Microsoft, AWS und Google weiter ausgebaut und kann somit Multi-Cloud-Landschaften managen», berichtet er.
“Der Appetit für Cloud-Lösungen ist bei unserer Kundschaft enorm gestiegen„
Peter Lenz, T-Systems
Lenz zufolge bieten Cloud-Lösungen neben Verfügbarkeit und Skalierbarkeit viele weitere Merkmale und Funktionen, mit denen digitale Geschäftsmodelle umgesetzt werden können – wie etwa künstliche Intelligenz. «Die Cloud ist damit die Quasi-Standard-Innovations-Plattform und verhilft durch ihre gute Verfügbarkeit zu einer schnellen ‹Time-to-Market›», ist Lenz folglich überzeugt.
«Die Cloud hat ihre Bewährungsprobe bestanden», resümiert denn auch Marc Holitscher, National Technology Officer von Microsoft Schweiz, und fügt an, dass diese Menschen, Unternehmen und die öffentliche Hand befähigt habe, ihre geschäftstragenden Prozesse aufrechtzuerhalten sowie diese oftmals sogar auszubauen. «Mittlerweile sind wohl die meisten überzeugt, dass die Cloud als IT-Betriebsmodell und Innovationsplattform nicht mehr wegzudenken ist», konstatiert Holitscher folglich.

SOFTWARE

Die Cloud ist daher auch treibende Kraft im Software-Geschäft geworden. Der Umstieg von lokal betriebenen Programmen auf «Software as a Service»-Modelle hat sich auch 2020 fortgesetzt. Seien es die klassischen Office-Programme, seien es Business-Software-Applikationen wie CRM (Customer Relationship Management) und ERP (Enterprise Resource Planning): Sie alle wandern in die Rechen- und Datenwolke. Dabei werden zunehmend umfangreiche Projekte angegangen, die unter anderem auch deshalb überhaupt erst realisiert werden können, da die sogenannten Hyperscaler Schweizer Standorte bieten können.
“Daten entfalten ihre Gestaltungskraft erst, wenn man sie verbindet und in einem bestimmten Kontext interpretiert„
Marc Holitscher, Microsoft
So berichtet Microsoft von einem Projekt mit der Versicherungsgesellschaft Groupe Mutuel, bei der das Kundenmanagement auf Basis von Azure und Dynamics 365 in die Schweizer Cloud verfrachtet werden konnte. «Dank der lokalen Datenhaltung der Microsoft Cloud in der Schweiz sind wir jetzt in der Lage, Cloud-Technologie einzusetzen, die modern und zukunftssicher ist, aber auch unsere strengen Vorgaben in den Bereichen Datenschutz, Sicherheit und Schutz der Privatsphäre vollumfänglich erfüllt», berichtet Pierre Maroye, Strategic Project Manager der Groupe Mutuel.

Die Ölquelle anzapfen

Der Umzug in die Cloud ist nur der Anfang. In einem weiteren Schritt wird es darum gehen, die Daten, das viel zitierte «neue Öl», auch nutzbar zu machen – und zwar mit einer gehörigen Portion künstlicher Intelligenz. Wie Andreas Schindler, Geschäftsführer von Avanade Schweiz, berichtet, ist der Bereich «Daten und KI» oder «Data and AI» derjenige, der derzeit am stärksten wächst. Denn die Daten seien jetzt in der Cloud und könnten nun intelligent genutzt werden. «Bislang hat der Umzug in die Cloud die Firmen hauptsächlich Geld gekostet, ohne dass sich das Endresultat allzu gross von der bisherigen On-Premises-Lösung unterschied», meint Schindler. Doch dies ändere sich nun und Unternehmen könnten damit beginnen, diesen Schatz zu bergen, da die Daten jetzt in der Cloud seien. «Beispielsweise können Firmen mithilfe der Daten in der Cloud jetzt ein besseres Forecasting realisieren», erklärt Schindler. Die Folge: Viele der ERP-, CRM- und Microsoft-365-Projekte entwickeln sich Schindler zufolge zu sogenannten «Data and AI»-Projekten.
“Der Trend geht somit weiter in Richtung intelligente Software und Services, die kontinuierlich lernende und intelligente Algorithmen einbinden„
Tanja Schöller, Itesys
Microsofts Holitscher sieht dies ähnlich. «Etwas provokativ gesagt, haben wir bis jetzt einfach digitalisiert, was wir sowieso schon gemacht haben», sagt er. Eine Folge davon sei der exponentielle Zuwachs an Daten gewesen. «Jetzt geht es um die Verknüpfung dieser Daten, was uns ermöglichen wird, neue Erkenntnisse zu gewinnen und bessere Entscheidungen zu fällen», ist Holitscher überzeugt. «Denn Daten entfalten ihre Gestaltungskraft erst, wenn man sie verbindet und in einem bestimmten Kontext interpretiert. So findet Innovation statt. Und genau das ist heute aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten in einem nie da gewesenen Umfang möglich», resümiert er.
«Unternehmen werden sich mehr damit beschäftigen müssen, ihre Unternehmensprozesse effizienter und intelligenter zu gestalten», meint auch Tanja Schöller, Head of Marketing & BDM beim SAP-Spezialisten Itesys. Die Voraussetzung hierfür seien Daten mit Echtzeit-Informationen, verbunden mit Automatisierungen und künstlicher Intelligenz. «Der Trend geht somit weiter in Richtung intelligente Software und Services, die kontinuierlich lernende und intelligente Algorithmen einbinden, Vorhersagen treffen, zum Beispiel zu potenziellen Fehlerquellen, und diese korrekt interpretieren», führt sie weiter aus. Beispielsweise habe man ein Innovationsprojekt in Zusammenarbeit mit Innosuisse gestartet, um die eigene SAP-Monitoring-Software mit einer künstlichen Intelligenz zur Überwachung komplexer SAP-Landschaften weiterzuentwickeln (Smart Predictive Monitoring), ergänzt Schöller.

HARDWARE

2020 war bekanntlich das Jahr, in dem sich das Heimbüro coronabedingt durchsetzen musste. Die Branche hat verschiedentlich hiervon profitiert, wie schon eingangs anhand der Marktzahlen von EITO erwähnt wurde. Und das Home Office wird einen festen Bestandteil in der Unternehmens-IT beibehalten, da sind sich die Branchenvertreter und Marktforscher einig. Belegt hat den Trend auch das Sozialforschungsinstitut GFS-Zürich im Auftrag von Digitalswitzerland und weiteren Organisationen, indem es 503 Firmenchefs kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) in der Schweiz befragte. Den KMU-CEOs zufolge hätten Anfang 2020 gut 10 Prozent der Beschäftigten vorwiegend von zu Hause aus gearbeitet. Dieser Anteil sei während des Lockdowns auf das Vierfache angeschwellt. Nachdem die Massnahmen wieder etwas gelockert wurden, ging auch der Home-Office-Anteil zurück und pendelte sich bei 16 Prozent der Beschäftigten ein. Dies entspreche immerhin einer Steigerung um 60 Prozent, rechnet GFS folglich vor.
“Durch Home Office sowie Home Schooling ist der Markt für mobile Geräte gewachsen„
Frank Blockwitz, Lenovo
Der Home-Office-Boom hat denn auch das Geschäft der Branche bestimmt. «Durch Home Office sowie Home Schooling ist der Markt für mobile Geräte gewachsen», konstatiert Frank Blockwitz, Managing Director von Lenovo Schweiz. Auch Adrian Müller, Managing Director von HP Schweiz, berichtet von steigenden Verkaufszahlen bei Notebooks und PCs, aber nicht nur. «Wir erleben eine Renaissance bei den Heimdruckern», berichtet er, wobei sogar Multifunktionsgeräte mittlerweile die Heimbüros zieren.
Dieser Trend wird nicht ausschliesslich von den zu Hause arbeitenden Mitarbeitenden getrieben. «Mittlerweile integrieren Unternehmen Drucker als festen Bestandteil in ihr Home Office Equipment», fügt er an. Allerdings sei folglich auch in den Büros weniger gedruckt worden. «Das hatte direkte Auswirkungen auf den Bedarf an Bürodruckern und Drucklösungen für den Arbeitsplatz», sagt Müller.
“Im Rechenzentrum haben sich Firmen vor allem auf den Aufbau virtueller Desktop-Infrastrukturen konzentriert„
Frank Thonüs, Dell
«Ganz klar hat die grosse Nachfrage nach Notebooks und Monitoren unseren Geschäftsgang beflügelt», berichtet auch Frank Thonüs, General Manager von Dell Schweiz. Aber dabei blieb es nicht. «Etwas nachgelagert folgte dann die entsprechende Transformation im Rechenzentrum: Hier haben sich die Firmen vor allem auf den Aufbau virtueller Desktop-Infrastrukturen konzentriert, um ‹Work from Anywhere› zu ermöglichen», fügt er an. Das bestätigen Anbieter entsprechender Lösungen: «Virtual Desktop Infrastructure (VDI) und Digital Workplace waren bei uns 2020 grosse Themen», berichtet daher Florian Köppli, Country Sales Director von Nutanix Schweiz, als Folge des Home-Office- und Remote-Work-Trends. «Die Nachfrage ist exponentiell gestiegen», berichtet er und fügt an, dass auch dieses Jahr der hybride Arbeitsplatz die Unternehmen weiter beschäftigen werde.
“Wir erleben eine Renaissance bei den Heimdruckern„
Adrian Müller, HP
Die zu Remote-Working-Umgebungen aufgerüsteten heimischen Arbeitsplätze dürften denn auch Bestand haben. So rechnet HPs Müller dort mit einer steigenden Rechnerdichte. «Speziell in Haushalten sehen wir einen klaren Trend in Richtung ein Rechner pro Person statt wie bisher ein Rechner pro Haushalt», doppelt er nach.

NETZWERKE

Kaum eine IT-Komponente war auch nur annähernd so wichtig für die Bewältigung der Corona-Situation wie funktionierende Netzwerke. Sie wurden regelrecht zur «Lebensader» für Unternehmen und Mitarbeitende gleichermassen. Ja, sie waren die Rückversicherung, dass die Geschäftstätigkeit vielerorts aufrechterhalten werden konnte. Entsprechend enorm stieg die Nachfrage, wie Branchenvertreter gegenüber Computerworld berichten. «Als die Menschen sich sozial distanzieren mussten, ist die Nachfrage nach Netzwerken und Bandbreiten explodiert – das Home Office, der Online-Handel, der Fernunterricht und vieles mehr, was unseren Alltag ausmacht – alles musste stabil, sicher und schnell am Laufen gehalten werden», berichtet Haitao Wang, CEO von Huawei Technologies Switzerland. Zudem sei die Zusammenarbeit mit den Carrierkunden des Konzerns auf Hochtouren gelaufen.
“Als die Menschen sich sozial distanzieren mussten, ist die Nachfrage nach Netzwerken und Bandbreiten explodiert„
Haitao Wang, Huawei
Ähnliches hat Christopher Tighe, Geschäftsführer von Cisco Schweiz, beobachtet. Auch er berichtet davon, dass IT-Netze massiv erweitert werden. «Aber auch die Anzahl vernetzter IoT-Geräte, Anwendungen und Microservices steigt explosionsartig», weiss er zu berichten und verweist darauf, dass «moderne Netzwerke nicht mehr nur Konnektivität und Verfügbarkeit gewährleisten, sondern auf neue Anforderungen reagieren, neue Dienste ermöglichen und Daten und Prozesse schützen müssen».
Um dies leisten zu können, setzt auch die Networking-Branche zunehmend auf künstliche Intelligenz. «KI im Netzwerk wird unverzichtbar», betont Tighe. «Durch den Anstieg von vernetzten Mobil- und IoT-Geräten, Anwendungen und Microservices werden moderne IT-Umgebungen zu komplex, um sie manuell zu steuern. KI-Anwendungen analysieren sämtliche Ereignisse im Netzwerk und überführen sie in wenige handhabbare Aufgaben.»
“KI im Netzwerk wird unverzichtbar„
Christopher Tighe, Cisco
Daneben scheinen sich im Networking Techniken durchzusetzen, von denen schon länger die Rede ist, denen aber bislang der grosse Durchbruch noch nicht vergönnt war. Software-defined Networking (SDN) ist eine solche Technik. «Speziell im Enterprise-Bereich hat die SDN-Technologie im ‹Hype Cycle› von Gartner das sogenannte ‹Tal der Desillusion› durchschritten und viele Unternehmen erkennen, dass damit Produktivität und Effizienz sehr effektiv gesteigert werden können», meint Wang. Daneben setzten sich ihm zufolge vor allem in optischen Netzen DWDM-Entwicklungen (Dense Wavelength Division Multiplexing) durch. «Dies sehen wir speziell im Bereich Datacenter Interconnection, da hier die enorm gestiegenen Anforderungen an Bandbreite einfach und effizient erfüllt werden können», fügt er an.

SECURITY

Eine Gruppe, die sich blitzschnell an die neue Situation «Home Office» angepasst hat, waren die Cyberkriminellen. Sie nutzten die Unsicherheit vieler Heimarbeiter aus. Die Angriffe explodierten förmlich. So stellten beispielsweise die Experten von Kaspersky im Vergleich zum Vorjahr weltweit eine Zunahme um 242 Prozent von Cyberattacken auf Remote-Desktop-Protokolle (RDP) fest. Der Hintergrund: RDP ist eines der beliebtesten Protokolle auf Anwendungsebene für den Zugriff auf Windows-Arbeitsstationen oder -Server.
Daneben wurden Organisationen ins Visier genommen, die zu dieser Zeit wirklich andere Probleme hatten, als sich gegen Cyberattacken zu schützen. Eine Untersuchung von Check Point hat ergeben, dass die Angriffe auf Schweizer Spitäler und andere Organisationen des Gesundheitswesens in den letzten beiden Monaten des Jahres 2020 um 59 Prozent zugenommen haben. Die Zunahme war diesbezüglich höher als der weltweite Durchschnitt, der bei 45 Prozent lag.
Auch Thomas Meier, CEO von InfoGuard, berichtet von einer hohen Anzahl von Cyberattacken, insbesondere mit Ransomware. «Obschon dieser Trend nicht neu ist, waren viele von der rasanten Entwicklung überrascht», sagt er.
“Weltweit wird mit Cyberdelikten inzwischen mehr Geld umgesetzt als mit Drogenhandel„
Thomas Meier, InfoGuard
Gründe seien zum einen, dass sich die Kriminalität als solche ebenfalls zunehmend in die digitale Welt verlagere. «Weltweit wird mit Cyberdelikten inzwischen mehr Geld umgesetzt als mit Drogenhandel», gibt Meier zu bedenken. Zum anderen sei auch die Komplexität von IT-Security aufgrund der Digitalisierung gewachsen, fügt er an. «Damit entstehen mehr potenzielle Angriffspunkte wie (I)IoT, Cloud Computing, Microservices/Container, Remote-Zugänge, Supply Chain sowie sonstige stark vernetzte IT- und OT-Systeme», doppelt er nach und verweist dabei darauf, dass in Kombination mit dem grassierenden Fachkräftemangel die Nachfrage nach Managed Security nochmals weiter gestiegen sei.
Dass Firmen ihre Security immer häufiger extern betreuen lassen, nimmt auch Urs Rufer, CEO von terreActive wahr. «Der Trend hin zu einem Security Operations Center (SOC) ist ungebrochen», berichtet er. «Viele Unternehmen wollen sich so gegen Cyberbedrohungen schützen, Angriffe zeitnah erkennen und diese effektiv abwehren und bekämpfen», gibt Rufer zu Protokoll. Die Auslagerung der Expertise bringt den Anbietern entsprechender Dienstleistungen zwar ein Mehr an Geschäft. Sie leiden dadurch aber auch besonders stark am Fachkräftemangel. «Der wachsende Bedarf an Security-Dienstleistung erhöht den Druck auf unsere Personalabteilung, Security-Analysten und -Engineers zu finden», berichtet Rufer.
“Die Cyberangriffe haben gegenüber letztem Jahr nochmals zugenommen„
Urs Rufer, terreActive
Teilweise versuchen die Anbieter, das rare Personal durch Technik zu unterstützen. «Automatisierungs-Tools und -Prozesse, die auch in der IT-Security Einzug halten, sind wichtig, ersetzen qualifizierte Fachkräfte aber noch lange nicht», meint InfoGuards Meier in diesem Zusammenhang.
Der Fachkräftemangel im Security-Umfeld ist umso bedenklicher, als eine Entspannung an der Cyberkriminalitätsfront bei Weitem nicht in Sicht ist. «Die Cyberangriffe haben gegenüber letztem Jahr nochmals zugenommen», gibt Rufer zu bedenken. «Dabei sind grosse Lücken in der Supply Chain der ICT-Dienstleister durch Hacker ausgenutzt worden, die zu beträchtlichem Schaden führten», berichtet er weiter. Dies erhöhe den Druck auf die Cyber Security nicht nur beim Endkunden, sondern auch bei den Providern, ist sich Rufer sicher.

VERKAUF UND DISTRIBUTION

Definitiv zu den Krisengewinnern dürfen auch die Händler und Distributoren gerechnet werden – zumal wenn sie hauptsächlich im Online-Handel tätig sind. Dies zeigen die von Computerworld im Bereich Verkauf und Distribution erfassten Erlöse der 500 umsatzstärksten ICT-Unternehmen eindrücklich. Dieser konnte nämlich 2020 im Vergleich zum Vorjahr um gut 9 Prozent oder eine Milliarde Franken zulegen. Damit kommt fast die Hälfte der Zuwächse am Gesamtumsatz der Top 500 aus diesem Bereich.
Somit konnten auch die helvetischen ICT-Firmen vom grassierenden Online-Handels-Boom profitieren. Dieser war nämlich gewaltig, wie eine Gesamtmarkterhebung für den Online-Handel in der Schweiz von Handelsverband.swiss, GfK und der Schweizerischen Post gezeigt hat. Diese hat ergeben, dass das Volumen des Online-Handels 2020 um über 27 Prozent zulegen konnte, was dem dreifachen Wachstum der letzten Jahre entsprach. Ein grosser Anteil, nämlich mehr als ein Viertel dieses Handelsvolumens, wurde übrigens im Bereich «Heimelektronik» getätigt. Der Online-Shopping-Boom ist zudem recht beständig. Gemäss einer aktuellen Studie von Handelsverband.swiss auf Basis von Umsatzmeldungen von über 100 Händlern ist der Online-Handel im ersten Semester 2021 in der Schweiz nochmals um 15 Prozent gewachsen.
“Im Onlinehandel explodierte das Bestellvolumen„
Andrej Golob, Alltron
Von einem veritablen Online-Handels-Boom berichtet auch Andrej Golob, CEO von Alltron und Leiter des Unternehmensbereichs Handelskunden der Competec-Gruppe. «Durch die Schutzmassnahmen war der stationäre Handel stark eingeschränkt. Im Online-Handel explodierte das Bestellvolumen», meint er gegenüber Computerworld. «Im ICT-Umfeld explodierte die Nachfrage nach Heimbüro-Ausrüstung, Webcams, Headsets, aber auch Notebooks, Drucker oder Toner wurden von Unternehmen in grossen Mengen abgenommen und waren zwischenzeitlich global nur schwer zu bekommen», führt er weiter aus und verweist damit gleich auch auf die Lieferengpässe, die den Geschäftsgang behindert haben. Da den Menschen aufgrund der Restriktionen bezüglich Reisen und Events nichts anderes blieb, als viel Zeit zu Hause zu verbringen, habe man zudem eine starke Nachfrage nach Heimunterhaltung in Form von Heimkino- und Gaming-Komponenten, Foto-Equipment, smarten Gadgets, digitalen Spielwaren und anderen Consumer Electronics registriert, führt Golob weiter aus.
Die Entwicklung der näheren Zukunft schätzt Golob als «verhalten optimistisch» ein. Denn besonders die Situation mit den Lieferengpässen bleibe herausfordernd, so der Alltron-CEO. «Die Nachfrage wäre da, aber die Verfügbarkeit hinkt hinterher», gibt er folglich zu bedenken. «Wir gehen davon aus, dass auch in den nächsten zwei Quartalen die Verfügbarkeitssituation schwierig bleibt», sagt Golob.



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