Microsoft Teams 23.06.2021, 05:59 Uhr

Chatbots als Business-Apps

Mit der Pandemie ist Microsoft Teams in vielen Büros zum Standard-Arbeitswerkzeug geworden. Das Tool dient jedoch nicht nur der Zusammenarbeit, sondern avanciert zur Applikationsplattform für Geschäftskunden. Chatbots spielen dabei eine zentrale Rolle.
Wie im Kinderzimmer: Mit der «Wizard of Oz»-Methode lassen sich Chatbot-Dialoge spielerisch simulieren
Microsoft Teams gehört zu den Gewinnern der Corona-Krise – wenn man hier überhaupt von Gewinnern sprechen möchte. Nichtsdestotrotz: Der Zuwachs von Nutzerinnen und Nutzern in der Schweiz ist beeindruckend und geht in die Hunderttausende. Nebst den bekannten Funktionen wie der Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden, Partnerunternehmen und der eigenen Kundschaft, erlaubt Microsoft Teams die sichere Zusammenarbeit von überall und damit eine schnelle Umsetzung der Home-Office-Strategie.
Die Möglichkeiten des Tools gehen aber weit über die reine Zusammenarbeit hinaus. Denn mit Teams schuf Microsoft klammheimlich eine Applikationsplattform für Geschäftskunden, die nun auf vielen Geräten im Land schlummert. Sie wartet nur darauf, zum Leben erweckt zu werden. Chatbots spielen hierbei eine – wenn nicht sogar die – zentrale Rolle. Die Chat-basierte Natur von Microsoft Teams beeinflusst die Art der Einbindung von Geschäftsanwendungen und Prozessen dabei stark. So können zum Beispiel Freigabeprozesse nicht mehr nur über klassische Websites oder Apps abgewickelt werden, sondern erscheinen als interaktive Nachricht beim Empfänger. Mit einem Klick sind sie erledigt. All das und noch einiges mehr leisten Chatbots im Hintergrund.
“Mit Teams schuf Microsoft eine Applikationsplattform für Geschäftskunden, die nun auf vielen Geräten im Land schlummert„
Sebastian Zolg

Baustein für Business-Applikationen

Chatbots als Business-Applikationen zu betrachten, das mag auf den ersten Blick überraschend wirken. Denn Chatbots präsentieren sich typischerweise mit einer eigenen Persönlichkeit und einem eigenen Auftreten. Anwendung finden sie vor allem in der Kundenbetreuung. Tatsächlich sind Chatbots im Kontext von Microsoft Teams aber eher als Architekturbaustein für die Modernisierung von Geschäftsanwendungen zu verstehen, die Mitarbeitende bei der täglichen Arbeit unterstützen können. Mal präsentieren sich Chatbots auffällig, facettenreich und mit eigenem Charakter, mal sind sie ein unsichtbarer Helfer bei Arbeitsabläufen. Durch den Einsatz von Chatbots verlagert sich die Interaktion mit den Geschäftsprozessen genau dorthin, wo auch die Zusammenarbeit stattfindet – nämlich in Microsoft Teams.

Vielfältige Anwendungsbeispiele

Natürlich gehen die Möglichkeiten weit über Freigabe­verfahren hinaus. So stellt Microsoft bereits eine Vielzahl an Beispielen zur Verfügung, die an das eigene Unternehmen angepasst werden können. Hierzu gehört auch eine intelligente Wissensdatenbank (FAQ), die eben nicht nur das Abfragen von Wissen im Unternehmen erlaubt, sondern auch das direkte Kuratieren neuer Inhalte sowie das Identifizieren von Expertinnen und Experten möglich macht – alles innerhalb eines einzigen Chatverlaufs.
Oder wie wäre es mit einem Chatbot, der neue Mitarbeitende begrüsst und mit dem Unternehmen vertraut macht, während sie ihren ersten Arbeitstag im Home Office verbringen müssen? Chatbots für die «Employee Experience» oder das «Well-Being» haben dieser Tage Hochkonjunktur. Sie unterstützen die Mitarbeitenden bei einer gesunden Work-Life-Balance, planen ausreichend Fokuszeit im Kalender ein, verschieben das nächste Meeting oder finden gleich einen neuen Termin. Noch nicht genug? Ein vollwertiger digitaler Assistent, der ganze Abteilungen im Unternehmen bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt, ist heute ebenfalls keine Zukunftsmusik mehr, wenngleich ein weitaus ambitionierteres Unterfangen. Mit Teams hat Microsoft eine zentrale Anwendungsplattform geschaffen, die all diese Möglichkeiten an einem einzigen Ort vereint und Chatbots weit über die klassischen Anwendungsfälle hinaus nutzbar macht.
«Wizard of Oz»-Methode
Spielerisch zum Chatbot-Design
Noch nicht sicher, ob ein Chatbot das Richtige ist? Oder gleichen die geplanten Dialoge eher der Neuauflage eines Stephen-King-Klassikers? In diesen Fällen kann die «Wizard of Oz»-Methode – der Klassiker von L. Frank Baum aus dem Jahr 1900 lässt grüssen – Abhilfe schaffen. Dabei wird die geplante Interaktion zwischen Anwenderin oder Anwender und dem Chatbot durch einen «unsichtbaren» Menschen simuliert, der mit vorgefertigten Textbausteinen auf die Fragen antwortet. So lassen sich die Dialoge auf spielerische Art und Weise bereits ganz früh im Prozess testen. Das ist praktisch und macht nebenbei noch eine Menge Spass. Der Testaufbau für die «Wizard of Oz»-Methode erinnert stark an das heimische Kinderzimmer. Dort finden sich im Zweifel auch die nötigen Materialien für diesen Experimentaufbau.
Natürlich lässt sich die «Wizard of Oz»-Methode auch anders umsetzen. Wenn der Verlust von Spiel, Spass und Spannung verschmerzbar ist, kann die Inter­aktion mit einem Chatbot auch direkt in Microsoft Teams getestet werden. Dabei gaukelt eine Teamkollegin oder ein Teamkollege das gewünschte Verhalten eines Chatbots vor. Die daraus resultierenden Dialoge und Erfahrungen können im Nachgang diskutiert werden, was zu manch spannender Erkenntnis führt und bestenfalls schon die halbe Miete ist. Danach geht es an die technische Planung oder eine zügige Umsetzung durch Low-Code-Technologie.

Digitaler Assistent für die ganze Firma

Wie ein Chatbot als digitaler Assistent für das ganze ­Unternehmen funktioniert, zeigt der Chatbot «Blu» der Swisscom exemplarisch. «Blu», dessen Name Ergebnis ­einer Umfrage unter Mitarbeitenden war, hilft den Angestellten der Swiss­com auf vielfältige Weise und zu verschiedenen Themen.
So sieht «Blu» aus
Quelle: Swisscom
Nebst der Integration im konzernweiten Intranet fand «Blu» auch in Microsoft Teams ein neues Zuhause und steht sämtlichen Mitarbeitenden zu verschiedenen HR-­Themen zur Verfügung – egal, ob es um das Durchleuchten des Spesen­reglements, das eigene Zeitmanagement, Gesundheits­themen oder die vom Hunger getriebene ­Abfrage des Mittagsmenüs im Personalrestaurant am eigenen Standort geht. «Blu» beantwortet vieles und sorgt für Orientierung in einem anspruchsvollen Umfeld. Dabei entlastet «Blu» nicht nur den Service Desk ganzer Abteilungen, sondern trägt auch zu einem positiven Miteinander bei. Mittels «#Merci» schickt «Blu» ein Dankeschön an das Gegenüber und teilt es für alle sichtbar im konzernweiten Intranet.

Hilfe bei der Terminsuche

Auch wenn die Kalender der Kolleginnen und Kollegen voll sind und die Terminfindung einer wahren Odyssee gleicht, weiss der Chatbot Rat. «Blu» soll den Mitarbeitenden helfen, schnell und unkompliziert einen passenden Termin zu finden. Gleichzeitig prüft er auch noch die Verfügbarkeit von Meeting-Räumen. Alternativ organisiert «Blu» ein reines Online-Meeting, natürlich samt Microsoft-Teams-Link.
Der Chatbot «Blu» unterstützt Swisscom-Mitarbeitende auch bei der Terminsuche
Quelle: Sebastian Zolg
Mit viel Liebe zum Detail wurde «Blu» ausserdem eine eigene Persönlichkeit verliehen, die weit über die mechanische Wahrnehmung eines Chatbots hinausgeht, aber trotzdem nicht den Eindruck einer überlegenen Intelligenz suggeriert und dadurch falsche Erwartungen weckt. Auch deshalb ist «Blu» inzwischen aus dem Alltag der Swisscom-Mitarbeitenden nicht mehr wegzudenken und ein entscheidender Baustein für eine ganzheitliche Digitalisierung sowie mehr Wohlbefinden am Arbeitsplatz.

Werkzeugkasten für den Chatbot-Bau

Sollte unter den nun genannten Beispielen nichts Passendes dabei sein, so können nahezu alle eigenen Ideen in die Realität umgesetzt werden. Für solche Entwicklungsvorhaben stellt Microsoft einen Werkzeugkasten zur Verfügung, der den Bau von Chatbots beschleunigen soll. Die Tools reichen dabei von Low-Code-Lösungen, wie Microsoft Power Virtual Agents oder dem Bot Framework Composer, bis hin zum Software Developer Toolkit des Microsoft Bot Framework. Sogenannte Solution Accelerator beschleunigen insbesondere komplexere Chatbot-Vorhaben deutlich, indem vorgefertigte Bausteine aus einem Katalog von Anwendungsfällen ausgewählt werden können. Die Ära der Productivity-Chatbots hat gerade erst begonnen und birgt viel Potenzial für Unternehmen und deren Mitarbeitende.
Technologie
Mit Low-Code zum eigenen Chatbot
Der Fokus eines jeden Chatbots liegt auf guten Dia­logen. Gerade deshalb eignet sich der Einsatz von Low-Code-Plattformen besonders gut, um sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Unternehmen, die mit Teams & Co. in einem einzigen Ökosystem bleiben möchten, werden mit der Microsoft Power Platform fündig. Nebst der Möglichkeit zur Modernisierung klassischer Geschäftsanwendungen mittels Power Apps bietet Power Virtual Agents die Möglichkeit zum Bau intelligenter Chatbots.
Bereitstellung mit wenigen Klicks
Die Bereitstellung des Chatbots in Microsoft Teams erfolgt dabei mit wenigen Klicks. Die Geschäftslogik des Chatbots wird als Workflow in Power Automate modelliert, um mit anderen Systemen und Datenquellen im Unternehmen zu interagieren. Manuelle Vorgänge können somit konsequent durch automatisierte Workflows ersetzt werden und lassen sich durch Chatbots aus Microsoft Teams heraus nutzen.

So wird ein Chatbot-Projekt angepackt

Low-Code-Technologien erlauben den Fachabteilungen eine autonome Umsetzung ihrer eigenen Vorstellungen – oft gänzlich ohne professionelle Software-Entwicklung – sowie eine schnelle Umsetzung samt sichtbarer Ergebnisse. Denn: Die verschiedenen Interessen­gruppen verstehen sich am besten, wenn sie die Lösung schon sehr früh «vor Augen» haben. Nebst der schnellen Umsetzung mit Low-Code-Technologie eignet sich auch die «Wizard of Oz»-Methode, um spielerisch zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen.
Daneben spielt im Kontext von Microsoft Teams auch die intelligente Nutzung der Teams-spezifischen Eigenschaften eine wichtige Rolle. Wie und wo starte ich den Dialog mit dem Chatbot? Im 1:1-Chat, im Gruppenchat, im eigenen Teams-Kanal oder vielleicht doch lieber direkt über die Suche in Teams? Darüber hinaus können im Dialog­verlauf neben reinem Text auch visuell und funktional komplexe Nachrichten ausgetauscht werden. Die Einbindung von Medien ist genauso möglich wie das Auslösen weiterer Aktionen als Teil einer interaktiven Chat-Nachricht.
Und um all die Möglichkeiten von Microsoft Teams früh zu testen, eignet sich ein Low-Fidelity-Mockup des geplanten Funktionsumfang. Ein erster Prototyp ist schnell gezeichnet und eine spätere Umsetzung unkomplizierter. Für ästhetisch Anspruchsvolle stellt Microsoft auch High-Fidelity-Designs für den Einsatz in Sketch, Adobe XD, Figma oder Photoshop bereit. Dadurch kann die Lösung geschliffen und getestet werden, lange bevor es an die technische Umsetzung geht. Das spart Zeit, Geld und Nerven.
“Bestenfalls wird ein solches Unterfangen nicht nur nebenher umgesetzt, sondern als zentrales Vorhaben verstanden„
Sebastian Zolg

Der Schlüssel zum Erfolg

Machen wir uns nichts vor: Auch ein Chatbot ist ein Software-Projekt. Wie das trotz bester Absicht und gutem Personal verlaufen kann, haben wir alle schon einmal erlebt. Egal ob aus Sicht der Entwicklung, der Produktverantwortlichen oder aus der Kundenperspektive; es gilt: «Wer den Weg nicht kennt, wird das Ziel nicht finden.» So stellt sich zu Beginn des Projekts die Frage, welches Ziel eigentlich erreicht werden soll. Erst dann zeigt sich, ob die Nutzung von Chatbots in Microsoft Teams als eine Option von vielen tatsächlich die Richtige ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass es sich hierbei um neue Produkte und Technologien handelt. Das macht sich auf zwei Arten bemerkbar: Zum einen verändern sich die Produkte fortlaufend, und zwar in einer Geschwindigkeit, mit der nicht immer Schritt zu halten ist, zum anderen ist nicht jede neue Funktion sofort für den produktiven Einsatz geeignet.
Bestenfalls wird deshalb ein solches Unterfangen nicht nur nebenher umgesetzt, sondern als zentrales Vorhaben verstanden. Auch deshalb, weil der Einsatz von Chatbots in der Praxis häufig skeptisch beäugt wird und deswegen besondere Sorgfalt verlangt.
Aus der Praxis
Wie Chatbots und IoT für mehr Wohlbefinden sorgen
Remote Work ist Realität. Covid-19 zeigte den Unternehmen auch hierzulande auf dramatische Art und Weise auf, wie es um den flexiblen Arbeitsplatz und die dazugehörige Kultur im Unternehmen tatsächlich bestellt ist. Dennoch: Ohne das Büro als Begegnungsort und Kreativfläche wird es auch in der Zeit nach der Pandemie nicht gehen. Die HR- und Facility-Abteilungen aller Schweizer Unternehmen arbeiten längst an einer zukünftigen Strategie zur effektiven und sicheren Nutzung der verbleibenden Bürofläche. Sie müssen nun den schwierigen Spagat zwischen kollektiver Begegnungsfläche und sicherem Rückzugsort als Alternative zum Home Office leisten.
Zur Bewältigung dieser Herausforderungen braucht es mehr als eine reine Neuaufteilung der nutzbaren Flächen. Das Büro wird nur dann zum Wunschort, wenn es auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden Rücksicht nimmt, und zwar in Echtzeit. Der Weg zum smarten Büro führt über die Nutzung intelligenter Sensorik aus dem Internet der Dinge (IoT). IoT-Sensoren messen zu jedem Zeitpunkt die Luftqualität, den Lärm­pegel oder die Belegung einzelner Räume und leisten damit einen Beitrag zum Wohlbefinden aller.
Chatbots als Bindeglied
Während allein dieser Ausblick bei Facilitymanagerinnen und -managern bereits für feuchte Augen sorgt, stellt sich noch immer die Frage, wie auch Mitarbeitende vom smarten Büro profitieren können. Genau an dieser Stelle sind Chatbots das Bindeglied zwischen intelligenten Gebäuden und den Menschen darin. Durch die Fütterung mit Echtzeitdaten können sie den Mitarbeitenden etwa Auskunft geben über besonders ruhige Zonen im Grossraumbüro, die bestens für die konzentrierte Projektarbeit geeignet sind.
Die verbleibenden Meeting-Räume werden auch in Zukunft eine knappe Ressource sein, weshalb auch hier die Kombination aus Gebäudedaten und Chatbots helfen kann. So erkennt das smarte Büro, ob ein gebuchter Meeting-Raum auch tatsächlich belegt ist. Ist er das nicht, so kontaktiert der Chatbot proaktiv den Organisator und bittet via Microsoft Teams um die Freigabe des Meeting-Raums oder um eine erneute Bestätigung der Buchung. Natürlich funktioniert das auch in die andere Richtung: Ein Chatbot kann dabei helfen, Räume zu finden, die zwar gebucht, aber seit längerer Zeit nicht belegt sind. So findet sich vielleicht doch noch ein Meeting-Raum fürs spontane Treffen.
Auch beim eigenen Wohlbefinden hilft das smarte Büro. Durch die ständige Messung der Luftqualität erkennt es eine mögliche Überbelegung des Meeting-Raums oder signalisiert, ob es Zeit zum Lüften ist – nicht nur der Gesundheit wegen. In beiden Fällen können die Teilnehmenden des Meetings durch den Chatbot darauf hingewiesen werden und erhalten gleich noch Vorschläge zur Verbesserung. Soll der Serien­termin vielleicht gleich in einen grösseren Raum verlegt werden? Eine Nachricht an den Chatbot genügt.
Zum Autor
Sebastian Zolg
arbeitet als Digital-Workplace-Architekt für die Swisscom. Ihm wurde für das Jahr 2021 der Microsoft Most Valuable Professional Award in der Kategorie Business Apps verliehen. Sein Schwerpunkt ist der Einsatz von Low-Code-Produkten zur Modernisierung der Applikationslandschaft in Unternehmen jeder Grösse und Branche.



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