Der tiefe Fall der Kryptowährungen
Börsenwerte zeitweise vervielfältigt
Zeitweise war der Hype so gross, dass Unternehmen ihren Börsenwert vervielfältigen konnten, indem sie ihre Namen in irgendetwas änderten, was mit Bitcoins und der dahinter steckenden Blockchain-Technologie zu tun hatte. Zum Inbegriff des Krypto-Goldrauschs wurde die Getränkefirma Long Island Iced Tea, deren Aktienkurs sich nach der Umbenennung in «Long Blockchain Corp» sofort verdreifachte. Es folgte jedoch auch hier ein Totalabsturz – zuletzt war die Aktie nur noch 13 Cent wert.
Befeuert wurde der Krypto-Boom auch durch umstrittene Werbeaktionen von Stars wie Paris Hilton, Mike Tyson und anderen Prominenten. Die US-Börsenaufsicht verdonnerte jüngst den ehemaligen Box-Champion Floyd Mayweather und den Hip-Hop-Produzenten DJ Khaled wegen unlauterer bezahlter Promotion für dubiose Geschäfte mit digitalen Währungen zu hohen Geldstrafen. Die beiden hatten über ihre Social-Media-Kanäle zweifelhafte «Initial Coin Offerings» (ICOs) beworben, ohne offenzulegen, dass sie dafür Geld erhielten.
Die Flut an ICOs – digitale Börsengänge, bei denen Unternehmen statt Aktien Digitalwährungen (Coins) ausgeben – war das vielleicht deutlichste Alarmsignal am heissgelaufenen Krypto-Markt. Zwischenzeitlich schien es, als würde jeder findige Geschäftsmann mit Anlegergeld überschüttet, der einen neuen Coin auflegt. US-Aufseher gehen davon aus, dass es sich bei diesen Deals in etlichen Fällen um Betrug handelte. Der Beratungsfirma EY zufolge liegen 86 Prozent der ICOs von 2017 unter ihrem Ausgabewert. Häufig wurden mit den Mitteln der Investoren nicht mal Produkte entwickelt.
Marktvolumen aller Kryptowährungen um fast 90 Prozent gefallen
Durch das viele in der Krypto-Szene unter dem Sammelbegriff «Shitcoins» verhöhnte Digitalgeld, das mittlerweile neben den Schwergewichten wie Bitcoin, Ether oder XRP existiert, ist auch die krisenbedingte Marktbereinigung viel krasser ausgefallen als zuvor. Das Marktvolumen aller Kryptowährungen ist seit Anfang des Jahres um fast 90 Prozent auf zuletzt unter 110 Milliarden Dollar gefallen. Das bringt eine ganze Industrie in Not, die im Zuge des Booms entstand. Viele Jobs fallen weg, Hardware wird verschrottet, denn Equipment und Stromkosten etwa zum Bitcoin-Schürfen lohnen sich nicht mehr.
Andererseits könnten die beträchtlichen Investitionen, die in die noch recht junge Branche geflossen sind, auch ein Grund zur Hoffnung sein. Denn Anleger – auch grosse Akteure der Finanzindustrie – haben inzwischen so viel Geld in Technologien rund um Kryptowährungen gesteckt, dass nicht einfach so der Stecker gezogen werden dürfte. Insgesamt zeige der Abwärtstrend nur einmal mehr, «dass die ganze Anlageklasse gerade erst am Beginn ihres Erwachsenwerdens steht», meint Leonard Zobel vom Berliner Start-up next Block, das eine in Deutschland regulierte Börse für Kryptowährungen plant. Und der Blockchain-Technologie wird immer wieder grosses Potenzial in verschiedenen Bereichen über Bitcoin & Co hinaus zugesprochen.