15.06.2012, 13:22 Uhr

Big Data im Realitäts-Check

Was haben die nachfolgenden Begriffe gemeinsam: Brother, Mouth, Band, Five, Lebowski, Money, Ben, Fish, Business, Mac, Band? Durch eine simple Voranstellung des Wortes «Big» steigt die Wertigkeit ganz gewaltig. Allerdings auch die entsprechende Interpretationsfähigkeit.
10 Punkte die helfen, eine Big-Data-Strategie zu planen.
Der Autor ist Account Manager bei Greenplum. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit sich die IT-Branche neu erfindet und inszeniert. Der Begriff «Big Data» lässt sich äusserst flexibel an die Bedürfnisse des jeweiligen Anbieters anpassen. Der Kampf um die Begriffsbesetzungshoheit ist in vollem Gang: Big Data, Big Software, Big Storage, Big Consulting, Big Security, Big Business. Dabei liegt der messbare Nutzen einzig und allein in den Antworten, die man aus Big Data herausfiltern kann. Der Rest ist Technologie, Organisation – und Balzgebahren der Anbieter. Die Nutzung des Potenzials setzt aber, wie bei vielen Hype-Themen, erst einmal eine durchdachte Strategie voraus, die nicht nur technologische, sondern auch kulturelle Veränderungen umfasst. Die folgenden 10 Punkte sollen als Richtlinie dienen, falls Sie damit liebäugeln, Big Data in Ihre Unternehmensstrategie aufzunehmen.

1. Big Data schützt nicht vor Managementfehlern

Im Gegenteil: Big Data lässt alle Möglichkeiten offen, auf dem falschen Pfad zu wandeln – inhaltlich wie technologisch. Daher ist es wichtig zu hinterfragen, ob sich der entsprechende Ansatz auch monetarisieren lässt. Konkret: Ob daraus ein nachhaltiger, messbarer und den Kosten positiv gegenüberstellbarer Nutzen entstehen kann.

2. Big Data erschliesst Social-Media-Wissen

Facebook alleine hat inzwischen rund 850 Millionen Mitglieder. Im Web werden Realitäten geschaffen. Bislang nutzen jedoch nur ca. 20 Prozent der Firmen professionelle Analysewerkzeuge, um zentrale Fragen wie diese zu beantworten: Mit welchen Themata werden unsere Produkte am meisten assoziiert? Kommt unser Formel-1-Sponsoring so gut bei den Konsumenten an, wie wir uns das vorstellen? Wie stehen wir im Vergleich zum Mit­bewerb? Und als Konsequenz: Lassen sich unsere Marketingkampagnen und -budgets mit der Stimmungslage in einzelnen Märkten in Einklang bringen?

3. Big Data erfordert neue Werkzeuge

Man könnte Big Data als Steigerungsform von Data Warehouse sehen. Doch die ursprüngliche Definition eines Data Warehouses (nach Bill Inmon: Time Variant, Non Volatile, Subject Oriented, Integrated) deckt sich nur schlecht mit den drei «V» für Big Data (Volume, Variety, Velocity). Bei Big Data geht es weniger um buchhalterische Genauigkeit, sondern um das Erkennen von Mustern. Das erfordert neue Werkzeuge, die sowohl den Umgang mit strukturierten als auch mit unstrukturierten Daten unterstützen.

4. An Big Data kommt man nicht mehr vorbei

Schon heute werden mehr Daten gesammelt als genutzt. Wir sprechen hier von einem Datenwachstum um einen Faktor 50 in den nächsten 10 Jahren! Wollen Sie Mauern gegen den Wind errichten oder lieber Windmühlen bauen?

5. Big Data bedingt neue Kompetenzen

Big Data impliziert nicht nur einen technologischen, sondern vor allem einen strategischen Umgang mit Datenbeständen. Damit geht auch eine Änderung der benötigten Kompetenzen einher. Der Data Scientist als neues Berufsbild entsteht. Er kann die Daten analysieren, interpretieren und auch businessseitig validieren. Das erfordert andere Fähigkeiten als die eines introvertierten Statistikers. Gefragt sind kommunikative Individuen, die sich durch entdeckerische Neugier auszeichnen. Viele Hersteller bieten Workshops oder Praxisbeispiele bewährter Projekte an, die diese Kompetenzen vermitteln (z.B. Log-Analyse, Fraud Detection, Text Analytics, Forensik etc.). Open-Source-Angebote ermöglichen einen zumindest von der Investmentseite her relativ schmerzfreien Einstieg. Wichtig ist in jedem Fall: Im Vordergrund muss das Projekt stehen, erst dann kann die passende Lösung gewählt werden. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Punkte 6. bis 10.

6. Big Data ist der Weg zur Differenzierung

Der Möglichkeitsrahmen der maschinengenerierten und/oder durch soziale Medien erhobenen Daten ist enorm. Wer es versteht, diesen für sich zu erschliessen, wird sich definitiv von seinen Mitbewerbern differenzieren. Gartner geht davon aus, dass sich der Unterschied zwischen Firmen, die Big Data sinnstiftend nutzen und solchen, die dies verpassen, in den kommenden Jahren deutlich im Erfolgsausweis manifestieren wird. Produkte wie Dienstleistungen werden je länger je stärker zu einem austauschbaren Gut. Wer sich über Big Data differenzieren kann, ist dem Mitbewerb voraus.

7. Big Data ist grösser als die Cloud

Big Data Analytics kann in der Cloud erfolgen, muss aber nicht. Cloud Computing ist, als eine der möglichen Implementierungsformen, quasi ein Subset von Big Data. Natürlich ermöglicht die Cloud gerade im Bereich von externen Datenangeboten (z.B. Marktdaten, Bonitäts­daten etc.) einen sehr einfachen Weg, um eige­ne Daten nutzenstiftend anzureichern und zu veredeln. Bereits heute bieten die sogenannten «Über-Clouds» – allen voran Amazon, aber auch Google und Microsoft – entsprechende Storage- und Analysemöglichkeiten an: mit Hadoop/MapReduce oder BigQuery. Am effektivsten ist eine derartige Lösung dann, wenn die Daten bereits in der Cloud liegen bzw. dort gesammelt werden und nicht zusätzlich verschoben werden müssen.

8. Big Data erschliesst neue Geschäftsfelder

Es gibt bereits Firmen, die aufgrund ihrer Analysen und den damit einhergehenden Ent­deckungen die solchermassen angereicherten Daten weiterverkaufen und damit neue Business Units gründen. Gerade im Bereich Marktforschung dürfte Big Data die wohl massivste Veränderung seit der Erfindung des Telefons bewirken. Dies gilt sowohl für die externe als auch für die innerhalb der Firmen durchgeführte Marktforschung. Damit sind die Zeiten, als Studien mit 3-monatigen Laufzeiten in Auftrag gegeben wurden, die schon bei Erscheinen wieder schubladenreif waren, hoffentlich vorbei. Big Data will alles – hier und jetzt. Mc­Kinsey sieht für den Finanz- und Informationsbereich kurzfristig das höchste Nutzenpotenzial. Aber auch das Gesundheitswesen spielt hier ganz weit vorne mit.

9. Big Data kann das Leben transformieren

 Dies klingt weit hergeholt, aber zum Beispiel bei der Vorhersage von Pandemien, für die personalisierte Medizin oder Smart Cities kann Big Data nicht nur einen kommerziellen Nutzen für die anwendende Firma stiften, sondern auch einen Beitrag für die Menschheit an sich leisten. Big Data bedeutet auch, dass man «gross» denken soll und sich nicht damit begnügt, eine bestehende Anwendung günstiger und effek­tiver zu betreiben.

10. Big Data ist nicht automatisch besser

Zum Schluss sollen auch die Schattenseiten nicht unerwähnt bleiben. Big Data bedeutet nicht automatisch, dass jeder alle Daten zur Verfügung hat und einen entsprechenden Nutzen erzielen kann. Anders ausgedrückt: Bigger data sind nicht unbedingt better data. Nur weil die Daten verfügbar sind, macht das deren Verwendung nicht per se ethisch vertretbar. Danah Boyd, Senior Researcher bei Microsoft Research, hat dieses Dilemma in ihrem Vortrag am Oxford Internet Institute mit einem Satz zusammengefasst, der so prägnant wie unübersetzbar ist: «Data is increasingly digital air: the oxygen we breathe and the carbon dioxid we exhale. It can be a source of both sustenance and pollution.»


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